Ein Magazin, das die deutsche Popkultur prägte, ist tot. 38 Jahre, 384 Hefte: Ein Rückblick auf große Cover.
Köln (mis) - "Das Ende ist nah – SPEX wird eingestellt": Mit diesen apokalyptisch anmutenden Worten verabschiedete sich Spex-Chefredakteur Daniel Gerhardt Anfang dieser Woche von der in den letzten Jahren nicht mehr so beeindruckend großen Leserschaft. Eine Entwicklung freilich, gegen die Spex wie alle anderen Printformate sämtlicher Themenbereiche verbissen ankämpfen musste. Schon vor drei Jahren trat die Zeitschrift aus der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) aus. Seither blieb es der Fantasie von Werbetreibenden überlassen, ob noch 15.000 Exemplare oder doch eher nur 8.000 Spex-Hefte verkauft wurden (zu Hochzeiten erreichte man immerhin 25.000).
Nach 38 Jahren und 384 Ausgaben kapituliert nun aber nach Intro, De:Bug oder Groove nicht nur ein weiteres Musikmagazin vor den veränderten Gesetzmäßigkeiten des Werbemarkts. Dem vermeintlich hochtrabenden Ton des Editorial-Abschieds wohnt durchaus eine nachvollziehbare Tragik inne: Über Jahre lebte das Heft von dem immensen Einfluss, den die Gründerjahre mit Abstrichen zunächst ins Viva-, danach bis ins Internet-Zeitalter ausstrahlten. Besessenheit von gerne auch abseitigen Musikphänomenen traf in der Spex-Redaktion der Frühjahre auf Intellektualität, akademische Beobachtungen mit Feuilleton-Anspruch, politisches Diskursinteresse und einer erfrischenden Ablehnung jeglicher Blattmacher-Konventionen.
Ein inhaltliches Novum im deutschen Musik-Printmarkt. Autoren wie Diedrich Diederichsen (Chefredakteur von 1985 bis 1990), Lothar Gorris, Clara Drechsler, Dietmar Dath und Rainald Goetz, später u.a. Hans Nieswandt, Mark Terkessidis und Tom Holert, wurden von einem nicht unerheblichen Teil der Spex-Leserschaft in den Rang von Popstars erhoben, wo sie sich selbst auch verorteten. Diese einmalige Mischung aus Anspruchsdenken, Manifest-Duktus und Platten-Abfeierei im Elfenbeinturm verdeutlicht kaum ein Zitat so perfekt wie Diederichsens Satz: "Die Simple Minds hätten nicht einmal verdient, von uns kritisiert zu werden" (aus taz-Interview, 2013). Dafür liebte und bewunderte man sie: Spex galt vielen Lesern als beste Band Deutschlands. Grund genug, noch einmal einige Cover unter die Lupe zu nehmen, um dem Zeitgeist vergangener Tage nachzuspüren.
Die Naivität der Anfangstage und der zunehmende Fokus auf Vermarktung in den 90er Jahren spricht derweil aus einer Anekdote von Terkessidis. Als in den 80ern erstmals ein Label anfragte, was denn ein Spex-Cover koste, dachten die Herausgeber, es ginge um die Produktionskosten. All das ist lange her. So wie heute niemand mehr auf den ersten Tag warten muss, an dem neue Alben in Plattenläden-Schaufenster ausgelegt werden, schauen Jugendliche heute nicht mehr gebannt auf Zeitungskiosk-Auslagen, um Neuigkeiten ihrer Lieblingskünstler zu ergattern. War es noch bis in die Nullerjahre hinein en vogue, mit der Ballung verschiedenster bis gegensätzlichster Genres Leser zu ködern, beweist ein Blick ins Zeitschriftenregal 2018 das genaue Gegenteil:
Classic Rock, Rock, Metal oder Deutschrap: Verlage glauben heute maximal an auf traditionelle Genres zugespitzte Inhalte, um überhaupt noch so etwas wie eine treue Leserschaft an Print-Journalismus zu binden. Das vorletzte Spex-Cover gebührt derweil der Schwedin Neneh Cherry, betitelt mit "unbreakable". Eben so wie das Magazin für Popkultur für einige Jahre. Ab kommenden Donnerstag ist es mit 12-Track-CD im Zeitschriftenhandel erhältlich. Nach Weihnachten, am 27. Dezember, erscheint die finale Ausgabe. Goodbye Spex!
13 Kommentare mit 5 Antworten, davon 10 auf Unterseiten
Kaum einer wird die Spex vermissen.
Ich werde sie schon vermissen. Sie war neben dem Wire die einzige Musikzeitschrift, nach der ich am Kiosk Ausschau gehalten habe.
Ich war auch immer mehr ein Rolling Stone Leser, aber die haben auch mit den Jahren ganz schön nachgelassen.
Das ist eben ein Zeichen, dass die Printmedien so langsam aussterben.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Printmedien haben gegenüber dem Web aber deb unschätzbaren Vorteil, dass man sie aufbewahren und sammeln kann. Und wenn man sie dann nach jahrelangem Schlummer in Kisten und Regalen wiederfindet wecken sie nostalgische Erinnerungen. ^^
@Randwer
Das stimmt, ich hab auch ein ganzes Regal voller alter Magazine in die ich gerne reingucke auch die Spex ist dabei. Aber sie nehmen Platz weg und das ist für viele noch ein Grund sich keine Magazine mehr zu holen und die vielleicht lieber als ePaper zu lesen. Schade eigentlich, aber man kann es nicht ändern. Die letzte Spex Ausgabe werde ich mir auf jedenfall holen.
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
Was ich mich frage ist : Was ist an diesen Covern legendär ? Das sie auf einer Spex Ausgabe waren ? Das reicht schon um legendär zu sein ? Reichlich wenig !