laut.de-Kritik
Rätsellösen auf dem Dancefloor macht kein Mensch.
Review von Matthias MantheKomisch zwiespältiges Album liefern die Dancepunks aus Sacramento hier ab. Wie der diffuse Titel nämlich bereits andeutet, verbietet sich "Strange Weather, Isn't It?" allzu eindeutige Werturteile. Ist das jetzt ein vergleichbarer Schlag wie der 2007er Popclassic-to-come "Myth Takes", oder liegen die Stärken des vierten Albums doch woanders?
Hat die vielköpfige Funkbass-Hydra nach weiteren tragischen Todesfällen (Original-Drummer Mikel Gius starb 2005, sein Nachfolger Jerry Fuchs 2009) und generellem Mitgliederschwund an Varianten verloren? Oder war es diesmal von Anfang Plan, eine schlichte, homogene und auf Trademarks reduzierte Platte einzuspielen?
Je nach Perspektive steckt also leichte Enttäuschung oder Könner-Brillanz drin. Fest steht jedenfalls, dass der Pop bei !!!s Berlin-LP - 25% der Songs entstanden in der Hauptstadt, der Rest in New York und Sacramento - merklich zurückgefahren wurde. Hier sprühen weiter die Funk-Funken, aber sie sprühen nicht mehr in Regenbogenfarben. Ging das "Myth Takes"-Artwork in Entsprechung zur Musik noch als Hieronymus Bosch-Tribut durch, stehen jetzt die drei Ausrufezeichen vorne drauf. "Herunterreduziert zur reinsten Essenz", nennt das Sänger Nic Offer. Man mag nicht gegensprechen.
Weniger konzentrische Euphorie, weniger Hoch und Runter, überhaupt geschmälerte Dramaturgie - dafür eine klare Fokussierung auf die unerreichten Stärken der Cali-Combo: unwiderstehliche Basslines, die zusammen mit der Percussion-Abteilung neunmal Tanz-Sogwirkung erzeugen; dazu punktierende Gitarre, ein wenig Saxofon und jede Menge Experimente mit Raumklängen. Alles fadet so herrlich von hinten nach vorne, von links nach rechts … Offers und Toursängerin Shannon Funchess' Stimmen werden andauernd rausgefiltert und wieder reingefadet.
Vieles erinnert dabei an ein Best-of-Mixtape, weil viele Tracks nahtlos ineinanderfließen. Über jeden Zweifel erhaben, hält der Groove als Exclamation Mark eines lange gereiften künstlerischen Selbstbewusstseins auch kleinere Soundausreißer wie das in 80s-Hip Hop geschulte "Hollow" oder das einzige tatsächlich an Berlin und Techno erinnernde Schlussstück im Bild.
Die meiste Zeit über bleibt "Strange Weather, Isn't It?" aber ohnehin brav im Flow und das Daumenhoch/Daumenrunter eine Frage der eigenen Präferenz: Stecke ich der !!! hiermit endgültig den Ring an den Finger, weil sie zu souveränen Beherrschern ihrer eigenen Sprache erwachsen sind? Oder fehlt mir am Ende doch die Masse Geistesblitze, die diesmal im Dienste des Gesamteindrucks geglättet daherkommen? Andererseits: Rätsellösen auf dem Dancefloor macht kein Mensch. Und nur für den Körper hat man "Strange Weather" geschaffen.
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