laut.de-Kritik

Pop-Experimente, keine Pop-Formeln.

Review von

$oho Bani sieht aus wie Stuckrad-Barre (jung), ist ein liebenswürdiger Blödkopf und sein neues Album ist ziemlich gut. Man sagt Leuten ja immer schnell Lebensgefühl nach, aber man nimmt ihm ab, dass er verdammt gut in das hineingewachsen ist, was musikalisch gerade an der Hauptstadt interessant sein könnte. Zumindest hat er nach Experimenten mit modernem Florida-Trap und Tagesschau-Samples in den "Techno-Kicks, nicht EDM" einen Sound gefunden, der gleichermaßen euphorisch wie organisch an ihm wirkt. Auch wenn er seine Pop-Experimente nicht immer ganz ausspielt, ist das doch auch das größte Kompliment an ihn: Er macht Pop-Experimente, keine Pop-Formeln.

Sprechen wir aber vorher doch noch einmal über Berlin, weil Bani ziemlich stellvertretend dafür steht, was gerade in der 030 vor sich geht. Die Hauptstadt hat die 2010er nämlich in einer so überraschenden Parallele zu New York verbracht, dass es überrascht, dass nicht mehr darüber gesprochen wurde. Denn nachdem sich in den Rap-Hauptstädten zu lange auf der Dominanz des eigenen Sounds ausgeruht wurde, hat man ein ganzes Jahrzehnt nicht einsehen wollen, dass nichts Neues nachkam und die interessanten aufflackernden Figuren sich wenn, dann an den Südstaaten bedienen.

Aber nachdem Berlin einmal eingesehen hatte, dass es Jahre gab, in denen es kreativ nicht mit Bietigheim-Bissingen aufnehmen konnte und die Kokstaxis nicht mehr jeden Abend jedes Label auf Routine angefahren haben, hat sich langsam wieder etwas Neues aufgebaut. In New York ist das Sample-Drill, hier ist es eigentlich sogar ein bisschen cooler: Der House-Rap, der gleichermaßen auch in Wien und Dresden aufkam, hat nach gelungenen Vorstößen von Pashanim und der BHZ-Crew soweit Fuß gefasst, dass wir regelrecht von einer neuen deutschen Rap-Welle sprechen können. Und $oho Bani, eh schon sympathisches junges Newcomer-Gesicht, springt jetzt im genau richtigen Moment auf das Schiff.

Das Selbstbewusstsein kommt dabei übrigens nicht von einem House-Track, sondern von dem TikTok-vorgefertigten Pop-Punk-Fragment "Viral", das auch locker den schlechtesten Song auf diesem Projekt abgibt. Würde Bani auf dem Refrain nicht ziemlich randalieren, hätte das wegen der sehr schlichten Gitarren und der wackelige Percussion keinen Viralerfolg gefunden. Hat es aber, weil es zugegebenermaßen auch eine Weile im Kopf hängen bleibt. Die Message für Bani ist aber eher: Er hat die Vocals und das Charisma, sich den Pop-Crossover in den Kopf zu setzen und muss nicht für immer in den Möchtegern-Trap-Gefilden kleben bleiben, die er zwar treuherzig okay bedient, die ihn aber insgesamt eher zurückgehalten haben.

Stattdessen fühlt er sich so viel natürlicher auf den poppigen Electronica-Beats an, wobei nicht ganz so poppig, wie der sehr glatte Opener "Idee" es befürchten lässt. "Träume Groß" legt dagegen eher eine Euphorie-Welle an, die ziemlich von Herzen kommend wirkt. Sein Summen über die klassischen Techno-Basslines klingen fantastisch, seine kurz aufgegossene Biographie hat sogar so ein kleines bisschen Storytelling. Geht aber auch ohne: Der beste Song hier ist eindeutig "Inzidance" mit Longus Mongus von BHZ, der zwar wirklich keine Glanztat des Songwritings darstellt, aber offensichtlich hart genug für jeden Club klingt.

Auch sonst ist einfach viel solides Hit-Machen am Start: Die vibige Cloud Rap-Interpolation "Wellen" gibt Lil B-Vibes zwischen Electronica-Fragmente, "Kids" nimmt einen ziemlich dicken, glitzernden Deep House-Bass und beweist, dass Songs mit diesem Namen einfach nicht schlecht sein können, während er eine Hymne auf die neu zurückeroberte Coolness der Berliner Kids anstimmt. Schließlich beinhaltet "Placebo" noch eine richtig schöne Hook um einen tanzbaren Beat, die etwas interpoliert, was wie Damon Albarns "Woo-Hoo" auf Blurs "Song 2" klingt.

"Kids Aus Dem Versteck" hat wenig Grandeur oder flashy Raps zu bieten. Das kennen wir inzwischen ja schon. Aber im Gegensatz zu Trap-Radau zeigt $oho Bani, dass er genau versteht, warum der elektronische Sound gerade so aufsteigt und schreibt lieber perfekte Flows, eine Menge Stimmvariation und bombensichere Hooks. Ein gutes Pop-Rap-Album erkennt man meistens daran, dass es kein bisschen mehr macht, als es muss, weil es versteht, dass der harte musikalische Kern in jedem Fall genug sein wird, um zu überzeugen. Und wahrscheinlich ist das das Charisma von Bani: Er weiß, wann er seinen Beats vertrauen kann. Während die durch den Club brettern, stellt er sich viel zu selbstbewusst hin, schaut nach oben und brüllt, das Berlin wieder auf der Karte ist. Und man will nach diesem Tape nur hoffen, dass diese Welle so schnell nicht abklingt.

Trackliste

  1. 1. Idee
  2. 2. Träume Groß
  3. 3. Wellen
  4. 4. Ich War
  5. 5. Kids
  6. 6. Twilight
  7. 7. Inzidance (feat. Longus Mongus)
  8. 8. Placebo
  9. 9. Viral
  10. 10. Soho Sam Interlude (feat. Sampagne)
  11. 11. Happy End

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2 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Finde das vom Sound her ja ganz geil, Problem ist halt, dass der Dude genau wie mindestens 85% seiner Kolleg*innen einfach ein beschissener Texter ist. Da bleibt keine Line hängen, da ist kein geiles, greifbares Bild drin. Wer das feiert, kann auf Oppas 80stem mit dem Rest der Familie auch mal locker zu den Amigos steil gehen, das bewegt sich inhaltlich auf dem gleichen Level.
    Deswegen ist jemand TightIll halt dope af, und das hier... naja... ist halt irgendwie da.

  • Vor 2 Jahren

    Es soll einem nach wie vor eingebläut werden, dass schlechte bis mittelschlechte Mukke gut bis sehr gut sei. Das muss endlich mal aufhören. Als würde dieser Quatsch vier Punkte verdienen, dafür interessiert sich niemand mehr in ein paar Monaten.

    • Vor 2 Jahren

      "Es soll einem nach wie vor eingebläut werden, dass schlechte bis mittelschlechte Mukke gut bis sehr gut sei."

      Hmm ja, die Gölzifizierung schreitet unheilvoll voran. Umso wichtiger, das Ungehört 1/5-Prinzip zu ehren.

    • Vor 2 Jahren

      Ynk ist der Prototyp des abgedrehten Künstlers, der praktisch in jedem Mist etwas abstraktes und geniales sieht. Kurz um: Ich habe auch keine Hoffnung.