Porträt

laut.de-Biographie

645AR

Im Internet ist davon auszugehen, dass alles passieren wird. Alles. Jeder dumme Gedanke, den dein Stoner-Kumpel in drei Sekunden wieder vergessen hat: Irgendwo online gibt es einen Menschen, der eine Rap-Karriere draus macht. Opern-Rap? Klar. Piraten-Rap? Sichi. Rappen als Gangster-Spongebob? Ging in Deutschland Gold. Aber jedes Jahrhundert steigt es vom Himmel herab: das wirklich goldene Gimmick.

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645AR hat das goldene Gimmick. Sein Ding ist es, zu rappen, als brumme ein Moskito nachts an deinem Ohr vorbei, halte dich vom Einschlafen ab – und immer, wenn du frustriert das Licht anmachst, ist er verschwunden. Bis du beim dritten Aufwachen bemerkst, dass da nie ein Moskito war, sondern dass ein dicklicher Rapper aus der Bronx neben deinem Bett sitzt und dir aus seinem neuen Mixtape vorrappt.

Der bizarre Helium-Rap entsteht in einer Studio-Session mit Freunden. Er habe einfach irgendwann damit angefangen, und der Studio-Typ habe erst nicht gewusst, ob er gerade verarscht wird. So rekapituliert 645AR den Beginn seiner Vision. Trotz der Skepsis archaischer Musikanhänger macht er sein Ding stoisch weiter und veröffentlicht erste Songs. "Crack" und das einschlägige "Bible & AK" finden sofort Anklang, und wenn keinen Anklang, dann doch zumindest eine neugierige Menschentraube im Dorf, die aufgeregt und empört tuschelt, ob das ernst gemeint sein kann.

Kann es! Während die Songs davor noch ein bisschen zu beschissen waren, um so beschissen zu sein, dass sie wieder gut sind, wirft sein nächstes Werk den Slam Dunk: "4 Da Trap" kombiniert seine Flipper der Delphin-Delivery mit einem smoothen R'n'B-Beat und atmosphärischem Autotune. Das Ergebnis ist ein Beat-Drop, der perplex macht. Inzwischen ist er schon kein singuläres Phänomen mehr: Frank Ocean spielt "4 Da Trap" im Blonded-Radio, kurz darauf folgen Cosigns von Rosalía und FKA Twigs.

Weil A&Rs seit einer ganzen Weile alles signen, das ein bisschen Pöbel im Internet mobilisiert, folgt der Plattenvertrag auf den Fuß. Offensichtlich pokert man auf den unvermeidbar scheinenden TikTok-Hit, der eigentlich ja schon "4 Da Trap" hätte sein müssen, das über zehn Millionen Views zum Trotz dennoch nie die Billboard-Charts erreicht. "Yoga" und "In Love With A Stripper" halten die Aufmerksamkeit, mehren sie aber nicht.

Stellt sich heraus, dass 645AR doch nicht für den nächsten Fünfzehn-Minuten-Hype gebaut ist, dafür aber langsam aber sicher eine Kult-Fanbase findet. Statt Features mit den Trend-MCs des Tages arbeitet er als nächstes mir Art Pop-Ikone FKA Twigs zusammen und nähert sich so mit "Sum Bout U" einer ganz neuen Demographie an.

645AR als das nächste große Ding der Rapszene? Nur bedingt wahrscheinlich. Aber 645AR als bizarre Untergrund-Ikone? Das kann man sich vorstellen.

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