laut.de-Kritik

Futuristisches Pappmaché-Märchen aus tausendundeiner Nacht.

Review von

Adam Green trägt jetzt Fez. Wo früher Strohhut, Batschkapp oder Lederjacke das Flair des jeweiligen Albums verkörpert haben, sitzt aktuell ein orientalischer Filzhut. Denn Adam Green ist Aladdin, Held aus tausendundeiner Nacht, sowie Protagonist im zweiten Film des New Yorkers. "Adam Green's Aladdin" versteht sich als futuristisches Märchen, das ihn selbst in seiner Paraderolle des leicht überforderten, aber sympathischen Träumers zeigt.

Aladdin steht zwischen seiner konsumgeilen Mutter und seiner antikapitalistischen Schwester. Der goldene Sultan ist ihm ebenfalls nicht wohlgesonnen. Nachdem Aladdins Dschinni mehrere Millionen Space-Bucks herbeigezaubert hat, kann er sich aber der schönen Prinzessin nähern. Leider erinnert diese, in Greens eigenen Worten, "eher an eine Kardashian als an eine Prinzessin". Glücklicherweise stellt sich die Präsidentin von Aladdins Plattenfirma, die ihn eigentlich wegen mangelnder Erfolge feuern wollte, als überraschend tiefsinnig heraus.

Der Plot ist nichts, was Fans von Greens Gedichtband "Magazine" nicht verdauen könnten. Besonders eindrücklich ist aber die flirrende Pappmaché-Welt, die über drei Jahre zusammen mit Freunden des Musikers in einer Lagerhalle in Brooklyn entstanden ist. Während dieser Zeit macht sich Green mit dem Drehbuch des Films, einem Stapel loser Blätter voller Wachsmalzeichnungen, auf die Suche nach Geldgebern. Schließlich wendet er sich an seine Fans, die ihm die aufwendigen Dreharbeiten per Crowdfunding ermöglichen.

Parallel entsteht das Album zum Film, das allerdings eher Dialogpartner als Hintergrundmusik darstellt. Textzeilen und musikalische Einflüsse wirken sich direkt auf Greens Arbeit am Film aus. Ebenso beeinflusst das Filmset den eigenen Schreibprozess. Entsprechend vielseitig präsentiert sich "Aladdin", aber auch kurzatmig. 19 Stücke, darunter auch einige Dialogzeilen, drängen sich auf dem knapp halbstündigen Soundtrack.

Stilistisch wirken einige Songs wie übersehene B-Seiten vergangener Alben, die jemand endlich neu kompiliert hat. Das schnoddrige Drogenstück "Life In A Videogame" erinnert in seiner Absurdität an die Glanzzeiten von "Friends of Mine". "Do Some Blow (With Me)" könnte in seiner leicht überheblichen, eingängigen Art bei "Gemstones" verloren gegangen sein. Der zurückgelehnte Basslauf in "Fix My Blues" verweist in Kombination mit Greens melancholisch-enerviertem Timbre an "Minor Love", das große Aufatmen innerhalb seines Werks.

Auch im Film finden sich solche Rückschauen: Neben den offiziellen Songs des Films zurren Instrumentals seiner großen Hits den teils verworrenen Plot zusammen. Zwangsläufig geraten Film und Soundtrack zu einem sehr persönlichen Werk und damit Zwischentöne in den Fokus. Schließlich läuft Aladdin aus einer – wieder einmal – vermasselten Aufnahmesession zu Zeilen wie "But I die every morning again / Me at my worst is fun for them / And I die with the feeding tube while you try to fix my blues".

Green beschränkt aber nicht nur auf Verarbeitung und Rückschau. Gerade die zwei besten Songs des Albums zeigen eine neue Richtung auf, die zwar ins Sphärische ausfranst, aber im Kern klar bleibt. "Me From Far Away" und "Never Lift A Finger" heben sich mit Soundspielereien an Orgel und Theremin und einer spielerischen Melancholie ab. Stellenweise erinnert beides an jüngste Veröffentlichungen von Devendra Banhart, der neben anderen Musikern wie (Andrew VanWyngarden) und Stella Mozgawa auch eine Sprechrolle im Film bekommen hat.

Trackliste

  1. 1. Fix My Blues
  2. 2. God=Humans
  3. 3. Nature Of The Clown
  4. 4. Aladdin Are You OK?
  5. 5. Someone Else's Plan
  6. 6. Time Chair
  7. 7. Never Lift A Finger
  8. 8. TechnoFungal Insect Species
  9. 9. Birthday Mambo
  10. 10. Chinese Dance Theme
  11. 11. Me From Far Away
  12. 12. Do Some Blow (With Me)
  13. 13. I Only Take Cocaine
  14. 14. Phoning In The Blues
  15. 15. Trading Our Graves
  16. 16. Life In A Videogame
  17. 17. No Masterpiece Policy
  18. 18. Interested In Music
  19. 19. What Is Dying Like?

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1 Kommentar

  • Vor 4 Jahren

    Hab ich blind nachgeholt, nachdem mir das Konzert im Stage Club neulich wieder eindrucksvoll in Erinnerung gerufen hat, wie super ich seine Musik eigentlich über weite Strecken finde.

    Gilt für dieses Album hier leider nur eingeschränkt. Never Lift A Finger und Me From Far Away sind schön, stimmt. Der Rest zieht aber recht dröge an einem vorbei. Wird mit den passenden Bildern dazu (Film ist für umme auf yt) auch nicht wesentlich spannender. Obwohl ich für die Pappmache-Kulissen schon Liebe übrig habe, Handlung und Dialoge gibt es mMn aber auch auf diesem Weirdness-Level in besser.

    Naja, werde die aktuelle wohl erst mal probehören, da ist hoffentlich wieder mehr Schwung dabei...