laut.de-Kritik

Marodierende Heavygitarren im Tussiclub.

Review von

Alice Cooper: nach mindestens einer Dekade gruselig blutarmer Studioplatten nun im fiesen Sequelsumpf einer alles nivellierenden Musikindustrie? Auch noch mit der medial eher umstrittenen Kesha? Klingt nach kreativem Bankrott, ist in Wahrheit Coopers überzeugendstes Werk, mindestens seit "Hey Stoopit" anno 1991.

Die Fortsetzung hält vieles, das man sich gar nicht mehr traute, Mr Cooper noch als Rock-Versprechen abzunehmen. Würde ohne Routine: Der Plan geht auf. "Welcome II" ist zwar nicht "Der Pate II", aber auch nicht so öde überflüssig wie 1001 Tubular Bells oder ein erneut jammerlappiger Aufguss des Pet Out Of Hell. Hier kommt Alice.

Über den superben Meilenstein von 1975 - Cooper wird mit dem Album flügge, die AC-Band ist Rockgeschichte - brauchen wir nicht zu sprechen. Über dessen Hauptcharakter Steven sehr wohl. Allen Freunden des cineastischen Schaschliks sei gesagt: Am Anfang war Coopers Charakter, und sonst nichts. Sogar John Carpenter hat inzwischen eingeräumt, dass Alice' psychotischer Slasher die Entstehung von Michael Myers aus "Halloween" begünstigte. Kann man einen solchen Monolithen wiederholen?

Nein, aber mit Spaß wiederbeleben. Das geht indes nur mit dem richtigen Team. Letzteres erwies sich in des Gruselmeisters Karriere oft als Zünglein an der Waage - zu beiden Seiten. Statt überforderter Metallhandwerker dürfen Freunde und Künstler ran. Wie im ersten Teil: Bob Ezrin ist wieder im Boot.

Kurios: Sogar diverse Urmember der legendären frühen Alice Cooper Band Mark I leisten dem Album gute Dienste. Ins Konzept passende Gäste wie Desmond Child oder Rob Zombie ergänzen den Reigen. Bei so viel good vibrations wird aus Granny Alice ganz schnell wieder die blutjunge und ebenso -hungrige Miss Cooper. "I hope, ye gonna like it ..."

"I Am Made Of You" - ein ähnlich hypnotischer Opener wie "Poison". Depressions-Guru Ezrin (Produzent von "Berlin" oder "The Wall") ist genau der richtige, um den oft etwas kinderliedhaften Melodien von Songwriter Child ("Livin' On A Prayer") das fröhliche Licht auszuknipsen. Nicht schlecht für die Auferstehung des Bösen. Eingerahmt vom "Steven"-Thema singt Cooper hier mit klarer, unverstellter Stimme. Intensiver Einstieg.

Aufreizend gönnt er sich hie und da ein Echo des ersten Albtraums. Mal sind es ein paar verwesende Takte "Only Women Bleed", dann wieder ein paar spinnenfein gewobene Fetzen des Titelsongs oder der Trilogie "Steven/Years Ago/The Awakening". Solche Andeutungen an längst vergangene Gipfelstürme sind immer gefährlich, besonders nach einer Schrottplatte wie "Along Came A Spider". Letztere erfüllt - im Nachhinein - als eine Art Brückenalbum und Ezrin/Cooper-Generalprobe ihren einzigen evolutionären Sinn: als Zeitmaschine in Coopers goldene 70er-Ära zwischen "Welcome I" und "From The Inside".

"Last Man On Earth" liegt irgendwo zwischen Vaudeville, Waits und New Orleans-Begräbnis. Schönes Lied für "Goes To Hell"-Fans. Was er richtig macht: Alice Cooper bleibt dem gentlemanhaften Alterego Vincent Damon Furnier treu.

Sein Grusical verkörpert letzten Endes ein liebenswürdig altmodisches Varieté im Vergleich zu den kalkulierten Schocks anderer Kollegen. Zwischen derbem Effekt oft und gern eine dramaturgische Prise Slapstick oder britischen Humors gestreut. Da fragt ein genervter Killer sein begriffstutziges Opfer: "Which part of 'death' don't you get?" Andernorts entern marodierende Heavygitarren in "Disco Bloodbath Boogie Fever" einen Tussiclub und erlösen die Anwesenden barmherzig von ihrer oberflächlichen Existenz.

Und was macht Kesha? Sie versaut es in "What Baby Wants" immerhin nicht komplett. Glitzer kotzender Glam aus der lasziven Dancerockecke. Es hätte jedoch einer Unterweltgöttin wie Salma Hayek bedurft, um den Song so richtig zur Entfaltung zu bringen. Schade. Ob "Cold Ethyl" damals oder "Caffeine" heute: Coopers simple Nummern funktionieren. Das liegt nicht unwesentlich an den oft sehr Muppet-haften Backingvocals, die den unwiderstehlichen Krümelmonstereffekt bringen.

Natürlich darf die obligatorische Cooper-Ballade nicht fehlen. Onkel Alice war schon in den 70ern trotz des harschen Images als großer Romantiker und Frauenversteher bekannt. "Only Women Bleed" wurde sogar Teil der US-Emanzipationsbewegung. Mit solchen Superlative dient "Something To Remember Me By" sicherlich nicht. Dennoch hat der Mann aus Detroit auch mit für ihn durchschnittlicher Schmusekost die Nase deutlich vor vielen Kollegen. Er fühlt, was er dort in solchen Momenten singt. Das hört man seit jeher.

Obwohl sich insgesamt kein Song einzeln als totaler Klassiker anbietet, zeigt das Album eine im Katalog verloren geglaubte Geschlossenheit. Das künstlerische Comeback ist gelungen. Möge Ozzy weiterhin den verwirrten Prince of Darkness geben. Alice Cooper bleibt einziger König der Nacht.

Trackliste

  1. 1. I Am Made Of You
  2. 2. Caffeine
  3. 3. The Nightmare Returns
  4. 4. A Runaway Train
  5. 5. Last Man On Earth
  6. 6. The Congregation
  7. 7. I'll Bite Your Face Off
  8. 8. Disco Bloodbath Boogie Fever
  9. 9. Ghouls Gone Wild
  10. 10. Something To Remember By
  11. 11. When Hell Comes Home
  12. 12. What Baby Wants
  13. 13. I Gotta Get Outta Here
  14. 14. The Underture (Instrumental)
  15. 15. We Gotta Get Out Of This Place

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22 Kommentare

  • Vor 12 Jahren

    @swing und saturn topic:
    das sieht leider so aus, weil mr furnier zu distinguiert ist, um solches tun in der öffentlichkeit zu erklären.
    in wahrheit nutzt er jeden cent, den er mit sowas verdient, um es in seine solid rock-stiftung zu pumpmen; eine art musikschule von ihm und seiner frau, wo beide sozial schwachen kids im gangland helfen, die knarre gegen ein instrument zu tauschen.
    letzteres kannst du in coopers o.ton im interview lesen.
    das mit der saturnwerbung kommt dabei nicht so deutlich heraus. hat er erst hinterher erzählt.

  • Vor 12 Jahren

    Na ja das Interview kenn ich jetzt leider nicht aber das erklärt wohl warum er sich eigentlich für diesen Schwachsinn hergegeben hat. Es passte halt nicht zu seinem Image.

  • Vor 12 Jahren

    heißt "man muss den teufelskreis durchbrechen" und findest du im cooperfach unter dem wortlaut. letztes drittel. er ist da recht deutlich.