laut.de-Kritik

Weltmusik hat wieder Eier!

Review von

Damon Albarn ist weg. An seine Stelle sind Musiker getreten, deren Auflistung jedes Hipster-Herz höher schlagen lässt. Aber das Gute an "Folila" ist, dass dies nicht einmal wichtig ist. Denn der Longplayer hat wieder die Ecken und Kanten, die den beiden blinden Musikern aus Mali auf "Welcome To Mali" zuvor abgeschliffen wurden. "Folila" - auf deutsch "Kommt und musiziert mit uns!" - hat wieder Eier, ist das Bruce Springsteen-Album von Amadou & Mariam.

Eigentlich sollte dem poppigen Vorgänger ein Doppelrelease folgen. Die Idee war, Songs mit Gästen und getrennt davon auch mit Musikern aus Bamako einzuspielen. Zwei Sichtweisen auf eine musikalische Welt. Am Ende entschieden sich Amadou & Mariam aber, beide zu verknüpfen. In Paris wurden die Aufnahmen ineinander verwoben.

Mit einem Weltmusik-Rocker erster Güte, der von der Gitarre von Nick Zinner (Yeah Yeah Yeahs) unterstützt wird, setzt "Dougou Badia" ein. Mariam und Santigold puschen sich gegenseitig voran. Das Spiel ihrer Stimmen setzt den Track unter Strom. Ein Konzept, das auch im später folgendem "C'est Pas Facile Pour Les Aigles" mit Ebony Bones aufgeht.

Mit den zwei stimmgebenden Vierteln von TV On The Radio geht es in zurückgelehnter Entspanntheit auf "Willy Kataso" weiter. "Wari", mit Amp Fidler eingespielt, entpuppt sich als dreckiger Afro-Blues.

Das natürlich nicht alle Kombinationen funktionieren, liegt fast in der Natur eines solchen All-Star-Albums. In "Metemya" bekommt man vom Einfluss Jake Shears von den Scissor Sisters nichts mit. Geradezu ärgerlich ist aber der Country-Hip Hop, den "Nebe Miri" mit Theophilus London zu bieten hat.

Die tiefsten Spuren hinterlässt Bertrand Cantat. Seine verzweifelte rauchige Stimme ist ebenso wie sein Mundharmonika- und Gitarrenspiel an vier Songs beteiligt. In anderen Kritiken musste ich lesen, dass es doch zweifelhaft sei, einem solchen Menschen so viel Platz einzugestehen. 2004 wurde der ehemalige Sänger von Noir Désir des Totschlags an Marie Trintignant und unterlassener Hilfeleistung schuldig gesprochen und zu acht Jahren Haft verurteilt.

Hat er nach dieser Zeit nicht eine zweite Chance verdient? Ist seine Tat mit der Haft gesühnt? Sein musikalischer Einfluss auf "Folia" ist jedenfalls groß, spürbar umweht die mit ihm aufgenommen Songs ein leichter Hauch von "Des Visages, Des Figures", dem letzten Release von Noir Désir. Cantat geht ganz in seiner Arbeit mit dem musikalischem Duo auf und es entsteht über die Stücke hinweg eine eigene kleine Band - Amadou, Bertrand & Mariam. Eine mehr als gelungene Zusammenarbeit.

"Sans Toi" und "Chérie" wurden ohne Gast aufgenommen. Locker aus der Hand geschüttelt beweisen die beiden wohl besten Stücke, dass der ganze Starrummelplatz gar nicht nötig gewesen wäre. "Chérie" entlässt uns mit einem Kinderlachen wieder in einen Alltag, der nach den vielen Farben von "Folila" für einen kurzen Moment etwas matt und grau erscheint.

Trackliste

  1. 1. Dougou Badia (Feat. Santigold)
  2. 2. Wily Kataso (Feat. Tunde & Kyp Of TV On The Radio)
  3. 3. Oh Amadou (Feat. Bertrand Cantat)
  4. 4. Metemya (Feat. Jake Shears Of Scissor Sisters)
  5. 5. Africa Mon Afrique (Feat. Bertrand Cantat)
  6. 6. C'est Pas Facile Pour Les Aigles (Feat. Ebony Bones)
  7. 7. Wari (Feat. Amp Fiddler)
  8. 8. Sans Toi
  9. 9. Mogo (Feat. Bertrand Cantat)
  10. 10. Another Way (Feat. Bertrand Cantat)
  11. 11. Bagnale (Feat. Abdallah Oumbadougou)
  12. 12. Nebe Miri (Feat. Theophilus London)
  13. 13. Chérie

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