laut.de-Kritik
Weit abseits, wo die wilden Kerle wohnen.
Review von Sven KabelitzDie meisten Zweitplatzierten aus Deutschlands
Menschenverwertungsmaschinerie DSDS sind längst in Vergessenheit geraten.
Das Format blutet aus, als haben es RTL und Dieter Bohlen zum Schächten aufgehängt. Kaum vorstellbar, dass daraus talentierte und ernsthafte Musiker hervor gehen sollen - zumal als Vize. Oder was machen Juliette Schoppmann, Denise Tilmanns, Mike Leon Grosch, Martin Stosch, Fady Maalouf, Sarah Kreuz, Menowin Fröhlich, Sarah Engels und Daniele Negroni gerade?
2007 unterliegt Amanda Jenssen im Finale der schwedischen "Pop Idol"-Ausgabe ihrer Konkurrentin Marie Picasso. Trotzdem erhält die stimmgewaltige Sängerin einen eigenen Plattenvertrag und mausert sich über die Alben "Killing My Darling" und "Happyland" zu einer eigenwilligen und ernstzunehmenden Künstlerin. Nach fünf Monaten Anlaufzeit dürfen wir Krauts nun auch an ihrer Entwicklung teilhaben.
Auf den ersten Blick bedient sich "Hymns For The Haunted" mustergültig am Blue Eyed Soul einer Adele, Gin Wigmore oder Duffy. Diesen zickt sie aber eifrig von der Seite mit einer ordentlichen Portion Swing an.
Am ehesten entspricht noch der Opener "Ghost", der leicht an Gnarls Barkleys "Crazy" angelehnt ist, den gängigen Standards. Doch bereits "Boom" fegt mit leichten Dub-Elementen, Gypsy-Takt, Mariachi-Trompete und Offbeat-Piano die Genre-Scheuklappen hinweg. Das hektische und leicht überkandidelte "Dry My Soul" wechselt zwischen Uptempo-Rock-Stophen, Big Band-Refrain und kurzen Bow Wow Wow-New Wave-Ansätzen. Verrückt? Ein wenig. Doch schön zu hören, wie es Jenssens-Stimme im Chorus fast zerreißt. Einzig die klischeehafte Schmalz-Nummer "Illusionist" gehört komplett in die Tonne.
Doch seine stärksten Momente findet "Hyms For The Haunted" sobald Jenssen die sicheren Pfade des aktuellen Soul-Pops endgültig verlässt. Weit abseits, wo die wilden Kerle wohnen. In "Vulcano Swing" hält der Voodoo mit diabolischer Trompete und Knochen-Xylophon Einzug. Während das schunkelnd-verschrobene "Light And Easy" mit einem Schifferklavier unterlegt wird, erfindet sich die Schwedin in "Lay Down", hex-hex, als waschechte Delta-Blues-Witch neu.
Für das dramatische Finale "The Carnival" betreten mächtige ohrenschlackernde Elefanten die Manege, stampfen samt rosa Federschmuck zum Takt auf und ab. Betrunkene Bläser, rau dahinfließender Bass, bis zuletzt ein Klavier ins Nichts führt. Halleluja. "People wonder where I've gone / I work here as a leprechaun."
Mit leichter Hilfe ihrer Songwriting- und Studiopartner Pär Wiksten (The Wannadies) und Björn Yttling (Peter, Bjorn And John und Lykke Li) gelingt Amanda Jenssen ein clever arrangiertes Drittwerk. Leicht schräg, ein wenig verzaubert und zu jeder Zeit hochgradig einprägsam. So kann sich das schwedische "Pop Idol"-Team zu guter Letzt doch noch voller Stolz die letzten Worte von "Hyms For The Haunted" ans Rever heften. "I've Found Gold."
3 Kommentare
Bei dem Cover + Albumtitel hätte ich jetzt eher ein irgendwie geartetes Gothic-Pop-Geschwurbel erwartet...
Als Fan habe ich mir das Album natürlich schon vor einiger Zeit geholt und ich finde es sehr, sehr gelungen. Auf jeden Fall ihr bestes Werk bis jetzt. Eingängig, leicht verschroben und vorgetragen mit einer grossartigen Stimme, alles was das Pop-Herz begehrt.
"Hymns For The Haunted" kommt für mich nach den ersten 1-2 Durchläufen nicht ganz an "Happyland" ran. Aber mein Gott ... bei der Stimme ist das irgendwie auch echt egal!