laut.de-Kritik
Ein feuchter Traum für jeden True-Schooler.
Review von Mirco Leier"That's home, the backbone": Apollo Brown schmeißt 'ne Blockparty und führt eine der wohl umfangreichsten Gästelisten des Jahres. Einer der besten Produzenten der Welt feiert seine Heimatstadt Detroit in all ihren Farben und Facetten und lädt zum neunzig-minütigen Kopfnicken ein. Das klingt mal aufregend, mal altbacken, und manchmal leider auch ein wenig ermüdend. Von Elzhi bis zu J Dillas Sohn Illa J, alle kritzeln sie ihren Namen unter die mit "Sincerly, Detroit" gezeichnete Liebeserklärung und repräsentieren auch 2019 noch lautstark einen der oftmals vergessenen Eckpfeiler des amerikanischen Hip Hop.
Es ist der feuchte Traum eines jeden True-Schoolers: Scratching, bis die Nadel springt, und massenweise Bars über Realness und Ghetto-Struggles laden zum Gate-Keeping ein. Jemandem, der mit den Dogmen dieser Generation jedoch so viel am Hut hat wie Uli Hoeneß mit wahrheitsgemäßen Steuererklärungen, erscheint die schiere Masse an vermeintlicher Qualität fast schon ein wenig belastend. Als Hip Hop-Fan fühlt man sich schließlich beinahe verpflichtet, ein Mammutwerk wie dieses in den Himmel zu loben. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, tu' ich mich schwer damit.
Ja, die Namen lesen sich imposant und ein Großteil der LP klingt auch wie ein gelungener Throwback, nach mehr aber eben nicht. "Sincerly, Detroit" ist ein laut Rezept vielversprechendes Tape, das aber so viele Stimmen, Beats und Stilrichtungen in einen Topf wirft, dass Chefkoch Apollo vor lauter Freude am Finetuning der (Geschmacks-)Noten vergisst, besagten Topf rechtzeitig vom Herd zu nehmen, ehe die ersten Zutaten anbrennen und anfangen, säuerlich zu schmecken.
Lediglich die Stadt Detroit als alleinige Inspirationsquelle für Sound und Inhalt der neunzig Minuten Material ist außerdem ein wenig dünn. Wenn ich schon gut bürgerlich koche, heißt das ja nicht, dass Schweinshaxen und Knödel meine einzigen Optionen sind. Kurzum: Ein wenig Varianz wäre schön gewesen.
Das fängt schon bei der Feature-Liste an. Sicherlich trommelt Apollo die Speerspitze des Detroiter Untergrunds (und noch einiges darüber hinaus) zusammen. Dennoch vermisse ich Namen wie Danny Brown oder Angel Haze. Selbst über einen Suprise-Auftritt der ICP hätte ich mich gefreut. Damit will ich jetzt nicht die vielen begnadeten Underground-MCs degradieren. Talent haben sie alle, nur unterscheiden sie sich musikalisch nicht allzu sehr voneinander.
Doch genug der Nörgelei, es ist ja mitnichten alles schlecht, das Küchenchef Brown kredenzt. Überraschenderweise ist es gerade der letzte Stretch der LP, der den sauren Geschmack von zuvor fast wieder vergessen lässt. "365", "Jacksons" und "Can't Lose" kränkeln zwar auch alle an chronisch einfallslosen Hooks, sorgen aber dank MCs wie Phat Kat, Ro Spit und Seven The General für frischen Wind hinter dem Mikrofon.
Mit "Break The Code", "The Backbone" und "Skimmin'" finden sich außerdem gleich drei der absoluten Album-Highlights im letzten Drittel. Hier stimmt wirklich alles: sample-heavy, vielschichtige Beats, gefühlvolle Refrains und leidenschaftlich charismatisches Gespitte lassen den Geist der gebeutelten Hip Hop-Hochburg so lebendig erscheinen, wie es einst "Donuts" oder Eminem, der Gott sei Dank nicht Teil dieses Projektes ist, vermochten.
Das vierte Highlight "Stopwatch" ist der größte Standout aus der insgesamt zu uniform geratenen ersten Hälfte. "Just make your head nod back and forth": Elzhi gibt die Schlagrichtung an und legt anschließend einen der besten Verses der gesamten Platte hin: "We the keys to the city, so when the door closes / On Malcom or Moses, don't stick up your noses / Unless you stop to inhale, standing before roses / That grew out the concrete jungle what turf war shows us." Diese vergängliche Schönheit im Elend besingt auch Melanie Rutherford in der Hook: "Baby, it's true I do love you. But I just can't stay." Detroit, das Drecksloch, Detroit, die vertraute Heimat. Zwei Seiten der selben Medaille, eine Hassliebe, die wohl jeden Mitwirkenden dieser LP nachhaltig geprägt hat.
Letzten Endes bleibt "Sincerly, Detroit" ein Projekt, vor dem ich mich angesichts der schieren Ambition, die Apollo Brown an den Tag legt, in Ehrfurcht verbeuge. Einem Mammutwerk wie diesem gebührt der Respekt eines jeden Hip Hop-Fans, auch wenn er sich mit der Musik vielleicht nicht zu hundert Prozent identifizieren kann. Selbst ich als verzogener Jünger der Generation "Hauptsache ballert" muss anerkennen, dass so von Herzen kommende Craftsmanship heutzutage (leider) rar geworden ist. Vielleicht ist Nolan the Ninjas Frage ja berechtigt: "Do you niggas value music or skim' trough it?"
9 Kommentare mit 10 Antworten
lauti und Django werden ranten, weil nicht mindestens 4/5
Yep die machen eure seite platt
Bin nicht im Amok-Stimmung, aber die Wertung ist mir eindeutig zu gering. Ich finde die Qualität über 90 Minuten sehr krass, alles aus einem Guß, besser geht es eigentlich nicht. Schätze der grundgute Mirco kann das einfach nicht 100%ig fühlen.
27 mal gehört: 5/5
Wollte gerade „losranten“ weil keine 4/5 aber dann kam mir MannIN zuvor der behauptet lauti und Django würden bestimmt „ranten“ weil nicht mindestens 4/5.
Alle zusammen können wir ja kaum „ranten“ wäre irgendwie zuviel „gerante“.
Hab daher beschlossen hier erst mal nicht zu „ranten“ um den anderen die auch „ranten“ wollen den Vortritt zu lassen.
Kein Ding!
Ermittlungen abgeschlossen. Ergebnis: unlustiger Clown
Und der KSC ist ein DRECKSVEREIN!
Was AirBaeron auch wahnsinnig belastet....merkste selber oder?
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Die Kastration der MannIN.
5/5. Aber sowas von.
Ich will eigentlich gar nicht wissen, wie ein ICP-Feature auf Apollo Brown-Beats klingt, wahrscheinlich hört sich das so an wie Hackbraten mit Schokoladensauce schmeckt. Das ist schon ganz gut, dass die Horrorclowns - genauso wie Eminem - hier fehlen.
Naja, schon Meckern auf hohem Niveau imo. Bei so einem Mammutprojekt ist es doch klar, dass nicht jeder Rapper top-notch ist. Und vllt hatten Danny Brown und co auch einfach keine Zeit, wer weiß. Dass Detroit thematisiert wird, ist halt das Konzept...etwas müßig, das als Kritikpunkt zu nehmen imo. Außerdem klingt es im Text so, als gäbe es lediglich 4 Highlights, das sind einige mehr.
Imo ein Album mit grandiosem Beat- Und Artist-Picking, soll heißen, die Features passen mehr oder weniger perfekt zu den Beats vong Vibe/Atmo her. Und das auf Albumlänge.
Ergo minimum 4/5 und Pflicht für alle Boom Bap-Connoisseure!
Bruder Django spricht wahr. Allerdings muss ich - stellvertretend für alle Boom Bap-Connoisseure - meine o.g. 5/5 nochmal wiederholen!
4 Highlights, wenn eher 4 weniger starke Tracks..
Ihr seid halt schon zwei richtig naise Connoisseure!
Ich mach das ja selten, aber hier musste ich dann auch nochmal ne 5* Wertung da lassen.
Das Cover ist ein Stockbild von GettyImages. Da war sie hin, die vielzitierte realness.
so gut!!!