laut.de-Kritik
Avantgarde-Metal, komplex und catchy zugleich.
Review von Ulf KubankeIm ehrwürdigen Hause Arcturus gönnt man dem musikalischen Wein gern eine lange Reifezeit. Ein Vierteljahrhundert firmieren sie bereits unter diesem Namen. Dennoch ist "Arcturian" erst der fünfte echte Longplayer. Doch das Warten hat sich gelohnt. Eine volle Dekade nach dem letzten Opus "Sideshow Symphonies" klingt ihr opulenter Avantgarde-Metal noch immer vielseitig, unterhaltsam und höchst modern.
Arcturus ist in seiner gegenwärtigen Besetzung ein echtes Allstar-Projekt und bedeutet viel mehr als die ohnehin schon Ehrfurcht gebietende Summe ihrer Einzelteile. Bassist Hugh Mingay war maßgeblich an den großen Frühwerken Ulvers ("Themes From William Blake's The Marriage Of Heaven And Hell", 1998 und "Bergtatt", 1995) beteiligt. Steinar Johnson arbeitete an Satyricons hervorragendem Zweitling "The Shadowthrone". Blomberg, der alte Hellhammer, brachte seine Kreativität u.a. für Dimmu Borgir ("In Sorte Diaboli", 2007) sowie auf Shinings wohl bestem Album "The Eerie Cold" (2005) ein. Und das alles ist nur ein Bruchteil der Liste ihrer metallischen Glanztaten.
Auf "Arcturian" vermischen sie all diese Einflüsse, eliminieren Genregrenzen und kochen daraus ihren dunkelbunten Sud. Ein bisschen symphonisches Pathos hier, ein paar Black Metal-Spurenelemente dort, dazu eine Prise Elektronik ("The Journey"). Doch vor allem prahlen Arcturus mit ihrer ureigenen Meisterdisziplin aus lyrischem Prog und verteufelt rockender Eingängigkeit ("Warp", "Pale"). So reicht die Bandbreite der zehn Stücke von komplex bis nahezu catchy und poetisch. Die Melange wirkt - heraus kommt wundervoller Metal.
Die Parallele von Bandname und Albumtitel ist kein Zufall. Arcturus ist der hellste Stern des Nordhimmels und besitzt ein Vielfaches der Strahlkraft unserer Sonne. Konzeptionell bedeuten die zehn Lieder dem Quintett "eine Vertonung vom Erhabenen und Schönen der Weiten des Alls". Ein ehrgeiziger Ansatz, der - besonders im Metal - stets die Gefahr vollmundiger Überforderung birgt. Nicht so bei Arcturus.
Die im Weltraum gleichermaßen präsente Existenz tiefer Dunkelheit und leuchtender Farbenpracht taucht auf "Arcturian" meist simultan auf. Dabei spiegeln Prog, Elektroelemente und ein gelegentlicher Hauch Psychedelik die Kräfte des Lichts ("Archer"). Black Metal-Rudimente und der mitunter leichte Goth-Touch stehen eher für die Finsternis ("Angst").
Eine zwischen nordischem Folk sowie dezenter Neoklassik pendelnde Geige erklimmt im Verlauf eine tragende Nebenrolle. Besonders ihr eleganter Dialog mit der Gitarre im herrlichen Klangteppich "The Journey" ist ein filigraner Höhepunkt der Platte. Für Arcturus-Verhältnisse ist das Lied fast schon Ambient.
Die Variabilität des Gesangs von Simen Hestnæs ist einmal mehr erstaunlich. Von der stadiontauglichen Hymne bis zum angedeuteten Humppa ("Bane") zieht er alle Register, ohne die Position des Metalshouters preis zu geben. Mein persönlicher Favorit ist das intensive "Demon", ein hypnotischer Hammer. Drumherum eine wundervolle Landschaft aus dezentem Elektro-Industrial plus zarten Strings und perlendem Pianokeyboard. Man kann nur hoffen, dass Arcturus nicht erneut zehn Jahre vergehen lassen, bis das nächste Lebenszeichen erscheint.
2 Kommentare mit einer Antwort
Musik für Anwälte.
arcturus und N.slaved sind die einzigen gruppen, denen ich "avantgarde" und "progressive" durchgehen lasse. gerade so nach dieser rezi riskier ich ein ohr. ich hab glaubs arcturus vor 10 jahren das letzte mal wirklich auf dem schirm gehabt. gelunge rezi =D