laut.de-Kritik
Groovy, elegant, melodiös, sicher, leicht und optimistisch.
Review von Philipp KauseAsa macht mit ihrem Album "Lucid" vieles richtig und bietet einen niederschwelligen Einstieg in sehr gute Songwriter-Unterhaltung. Pop mit Synthies und Streichern überwiegt, ebenso wie Klavier-R'n'B; dagegen rücken die Folk-Wurzeln der nigerianischen Sängerin dezent in den Hintergrund.
Obwohl Frankreich zu Asas Wahlheimat und wichtigem Markt wurde, hält sie sich zu französischen Einflüssen bedeckt. Bereits im dritten Song "Good Thing" klingen aber auch diese im Sinne der inzwischen nicht mehr so 'neuen' Nouvelle Scène Française an; eine allzu große Rolle spielt das Französische aber nicht und kommt als Sprache kaum vor.
Dem Etikett 'Dream-Pop' wird die beschaulich und beschwingt fließende Musik eher gerecht. Tatsächlich von Träumen handelt "Stay Tonight". Asa webt ihre gesamten Performances so dicht, dass die Songs enorme Kraft auf den Hörer ausüben. Einmal gestartet, lässt man sie willenlos laufen. Dass es einen Pausen- oder Stoppknopf gibt, gerät schnell in Vergessenheit. Dazu fallen die catchy Melodien, cheesy Pop-Arrangements und groovy Rhythmen zu ungestüm über den Konsumenten her.
Andererseits finden sich viele subtile Momente in den Kompositionen, unendlich viele Zwischentöne und Betonungen in den Vocals. Die Details entdeckt man nach mehreren Durchläufen. "Lucid" ist eine dieser Platten, die als 'Slow Burner' funktionieren. Beim ersten Hören ahnt man, dass darin viel Tiefe stecken könnte. Erst mal wirkt alles smooth und beiläufig, aber um diese Oberfläche geformt zu haben, hat die Sängerin mit ihrem Produzenten und Perkussionisten Marlon B Schicht um Schicht sorgsam aufeinander aufgetragen.
Da hätten wir einmal die Offbeat-Schläge. Würden durchweg immer echte Percussions sie wiedergeben, wäre es zwar noch schöner, aber auch so schon zeigt sich eine faszinierende Kraft durch das stets leicht erhöhte Mitteltempo mit Soul-Feeling. Asa legt sich auf eine Ausdrucksform jenseits des 4/4-Taktes mit Schlag auf die Eins fest. Auf die Stimmung wirkt sich das so aus, dass Optimismus und Aufbruch aus den schwungvollen Beats sprechen.
Als nächste Schicht legt Asa ihre neutrale und doch charakterstarke Stimme über die Taktschläge. Asa hat nichts Nerviges oder Aggressives in ihrem Gesang, hat mit Rock, Punk oder Protestgesang nichts gemein. Weder das naive Mädchen noch die Welt rettende Feministin mag sie spielen. Sie kiekst nicht herum, und sie mimt auch nicht die junge Social Media-Foto-Queen, sondern gestaltet Stimmungen und zieht still ihre Sache durch. Sind ihre Songs romantisch, wie etwa "365", gleitet sie nicht ins Verführerische oder Schlüpfrige ab, sondern bleibt auf der distanzierten Beobachter- und Erzählebene.
Obwohl Asa gar keinen spezifischen (Frauen-)Typus unter den gängigen Musik-Gender-Rollen verkörpert, entwickelt sich ihr Gesang schnell zu einem angenehmen Begleiter im Ohr. Präsent, mit leichtem Nachdruck, aber ohne Attitüde, singt sie. Ihre Stimme ist mittelhoch oder mitteltief, näselt leicht. Asa klingt nicht glattpoliert und nicht nach Auto-Tuning. Sie ist keine Casting-Durchboxerin, sondern ein Mensch mit viel Gefühl, Liebe zu Worten und einer gut entwickelten Atemtechnik. Ihr Gesang klingt entspannt und lässt alles um einen herum vergessen.
Einer der besten Songs unter all den eleganten Tracks ist der Art Pop-Tune "Until We Try This". Fiebriges Schlagzeug eifert mit dem Klavierpedal um die Wette, wer die rhythmische Oberhand übernimmt. "You see in this world (in this world) / not everything happens for a reason / the foolish ones (foolish ones) letting you walk away from me", die Musik zu diesen Zeilen erinnert schwer an Johnny Hates Jazz und "Shattered Dreams" ("And now you've given me / given me / Nothing but shattered dreams (shattered dreams) / Feel like I could run away (run away) / From this empty heart"), während die Saxophone ziemlich präzise an den Klassiker "Tweeter And The Monkey Man" der Traveling Wilburys und die Stelle "and the walls came down / all the way to hell" angelehnt wirken. Dass Zitatpop durchschimmert, ist aber auch überhaupt gar kein Problem, weil sich Asa nicht in abgegriffene oder langweilige Gefilde der 1980er, ihres Geburtsjahrzehnts vertieft – nein, sie fördert viel mehr die vergessenen, erinnernswerten und zeitlosen Pop-Patterns jener Zeit zutage und klingt dadurch vertraut.
Über all dem hört sie sich auch Vertrauen erweckend an. Indie-Pop ist hier keine Sache der technischen Raffinesse und der Synthie-Spielereien l'art pour l'art, obwohl man an einer Stelle, im Refrain von "Stay Tonight" die lauten Drum Machines verfluchen möchte – das einzige, was an diesem Album punktuell stört und den perfekten Eindruck durchbricht.
Dem Hörer dient sich die Musik als unnachahmlich warme, menschliche Sache an. Asa lässt nicht ihre Instrumente sprechen. Diese vokalzentrierten Lieder bieten alles, damit die Stimme voll zur Geltung kommt, ohne irgendwie Pathos oder etwas Überkandideltes auszudrücken. Es geht darum, Stimmungen zu teilen. Wenn es sein muss, kann Asa auch mal so herzzerreißend innere Zerrissenheit aus dem Leib schreien wie in "Torn" und die Intensität einer Kate Bush oder Annie Lennox übernehmen. "Torn" entstand als einziger Song nicht komplett im Studio. In einem Gebäude in Paris mit Blick auf die Dächer der Stadt nahm sie das Demo bei offenem Fenster auf, um sich die Zeit zu vertreiben, während sie auf einen Klempner wartete. Er sollte die kaputte Toilette reparieren, und sie dachte über die Probleme einer Freundin nach. Die Tonspur des Demos läuft im Endprodukt.
Lockere Folktronic wie in "You And Me" beherrscht Asa ebenfalls noch. Sie hatte sich damit auch schon einmal einen Namen gemacht, mit "Beautiful Imperfection". Obwohl alles dem Muster folgt, möglichst melodiöse und direkte Songs zügig zu erzählen, tut sich innerhalb dessen eine bemerkenswerte Bandbreite zwischen sphärisch-verträumt ("9 Lives"), soulvoller Klavierballade ("Happy People", "The Beginning", "Don't Let Me Go", "My Dear"), intimer Kammermusik ("Femi Mo", "Murder In The USA") und schwungvollem Funk-Pop ("Makes No Sense") auf. In diesem Album steckt viel Liebe. Es ist hörerfreundlich und ist genau richtig so, wie Asa es gemacht hat.
"Lucid", zu Deutsch "hell", "klar", hat eine optimistische, helle, leichte Art und stellt einen lichten Moment dar, der sich gut an ein paar ähnlich dicht gestrickte Alben des Jahres wie "III" von The Lumineers oder "Remind Me Tomorrow" von Sharon van Etten anschließt. "Ich wollte immer, dass meine Worte einem Zweck dienen", sagt sie. Weniger ihre Worte, sondern ihre unaufgesetzte Art sie vorzutragen und ihre schöne Stimme berühren an dieser eleganten, schnuckeligen und authentischen Produktion. Diesem so nahbar wirkenden Menschen hört man gerne lange zu.
2 Kommentare mit einer Antwort
"Obwohl Asa gar keinen spezifischen (Frauen-)Typus unter den gängigen Musik-Gender-Rollen verkörpert, entwickelt sich ihr Gesang schnell zu einem angenehmen Begleiter im Ohr."
Auf sowas muss man erstmal kommen.
Schönes Ding mit angenehmer gleichbleibender Stimmung. Wirklich aufhorchen tut man allerdings auch kaum.
3,5/5
Album ist dann doch ein Grower, hab es lieb gewonnen nach mehreren Durchläufen und erhöhe auf:
4/5