laut.de-Kritik

1996 malt Philadelphia Rap in buntesten Farben.

Review von

1996 markiert einen deutlichen Umbruch in der Hip Hop-Szene. Eines der besten Jahre überhaupt für das Genre, aber auch eines, das viele Türen schließt. 2Pac stirbt, Biggie wird nicht mehr lange leben, New York und Los Angeles veröffentlichen die letzten Alben ihrer zweiten goldenen Ära und mit UGK und Outkast nähert sich der Punkt, an dem der Süden auch etwas zu sagen hat. BoomBap regiert noch mit eiserner Hand, aber ein frischer Wind liegt in der Luft. Wenn es ein Album gibt, das besser als die Klassiker dieses ikonischen Jahres zeigt, in welche Richtung der Hip Hop sich bewegt, könnte es Bahamadias "Kollage" sein.

Eigentlich ein Debütalbum, kommt es doch mit einigen großen Fürsprechern daher. Die in Philadelphia arbeitende Rapperin ist nämlich nicht nur cool mit den auf diesem Album aufspielenden Roots, sondern hat sich auch mit einem langem Freestyle-Vermächtnis zu einem Schützling von Gang Starr gemacht. Das Resultat davon sind ein paar extrem smoothe, New York-ige Beats aus der Feder von DJ Premier, die sich hier nahtlos an Produktion von Guru und den Beatminerz schmiegt.

Dass "Kollage" dann nicht einfach das nächste BoomBap-Album von der Stange wird, liegt allein an Bahamadia. Die fällt als Protagonistin nicht nur mit ihrem komplett schwerelosen und legeren Flow positiv auf, sondern vermittelt auch ein Bild von den Werten der Kultur, das selten so ungezwungen und cool gezeichnet wurde. Ob sie nun auf Songs wie "Wordplay" oder "3 Tha Hard Way" dem Battlerap frönt und einfach nur ein paar Bars aus dem Handgelenk schüttelt oder auf Songs wie "True Honey Buns" bildstarke Geschichten erzählt, sie brilliert in allen konventionellen Techniken des Sprechgesangs und klingt dabei trotzdem immer gelassen und warm.

Es wirkt immerzu positiv, wie Bahamadia sich durch diese Platte bewegt. Besonders faszinierend fühlt sich ihre Rolle als Tastemakerin an. Hat sie doch früher schon als DJ gearbeitet, fühlt man dieser Platte greifbar an, wie sehr diese Frau die Kultur und den Hip Hop liebt. Immer wieder reiht sie Shoutouts und "Rock-Rock-Ons" aneinander, ob sie nun wie auf "Spontaneity" von ihren Verbindungen zu Kool Keith und Ced Gee von den Ultramagnetic MCs oder zu De La Soul erzählt oder mit "Uknowhowwedo" eine Hymne an Philadelphia und all seine bekannteren und weniger bekannten MCs abliefert.

Respekt geben war immer diese Phrase, die sich im so kompetitiven Hip Hop oft eher als abstrakte Notwendigkeit als als gelebtes Ideal anfühlt. Bahamadia füllt Respekt nicht nur mit einem neuen Leben, sondern mit einer ganz eigenen Ästhetik. Hört man ihr zu, hört man eine Loyalität, fast schon einen Stolz zum eigenen Genre heraus und fühlt mit, wie sie von den Legenden bis zu den Newcomern jedem seinen Rückenwind zuspricht, der ihn verdient.

Es ist dabei auch schön, dass dieser Respekt nicht nur ihre an diesem Punkt bereits zahlreichen legendären Freunde trifft, sondern sie immer wieder auch klare Liebe für den Untergrund zeigt. Zum Beispiel holt sie mit Baltimores K-Swift und Philadelphias Mecca Starr zwei fast gänzlich unbekannte Rapperinnen auf einen Premo-Beat und liefert einen Posse-Cut ab, der sich gegen keinen der bekannteren Battle-Tracks der Neunziger verstecken muss. Der Beat hat Dampf und klingt doch einsam und melancholisch, die Verses kommen mit unglaublichem Biss und Energie daher.

Am interessantesten an "Kollage" ist aber tatsächlich der Sound generell. Wie sie es schon auf dem Song "Innovation" predigt, hat Bahamadia eine Schwäche für den ausgefallenen Sound und experimentiert hier immer wieder mit psychedelischen und eigenwilligen Synthesizer-Texturen, so ausgefallen wie es zu diesem Zeitpunkt höchstens mal A Tribe Called Quest, The Pharcyde oder bald Outkast gemacht hätten. Songs wie "Spontaneity", "Rugged Ruff", "Innovation" und "Da Jawn" mit den Roots brechen die 90er-Hip Hop Ästhetik auf spannende Art und Weise, bereichert wird es außerdem durch G-Funk inspirierte R'n'B-Sounds, auf die auch eine Adina Howard gesungen hätte.

"Kollage" von Bahamadia liefert das ganze Paket. Retro-Sound für die Nostalgiker aus den Federn von absoluten Produktions-Legenden und eine Rapperin, die neben einem immensen positiven Charisma auch in Sachen Lyricism und Flow einzigartig und hervorragend auftritt. Dazu sorgt ihr Interesse an ausgefallenen und innovativen Samples und Klangästhetiken für eine der heterogeneren und lebendigeren Platten der Neunziger. Ein Rezept, das alternative Hip Hop-Artists von OutKast bis zu Def Jux und Stones Throw bis heute anwenden.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. WordPlay
  3. 3. Spontaneity
  4. 4. Rugged Ruff
  5. 5. Interlude 1
  6. 6. I Confess
  7. 7. Uknowhowwedo
  8. 8. Interlude 2
  9. 9. Total Wreck
  10. 10. Innovation
  11. 11. Da Jawn (feat. The Roots)
  12. 12. Interlude 3
  13. 13. True Honey Buns (That Freak Shit)
  14. 14. 3 Tha Hard Way
  15. 15. Biggest Part Of Me
  16. 16. Path To Rhythm

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LAUT.DE-PORTRÄT Bahamadia

Es muss ganze Arbeit sein, die Szene einer Stadt aufzubauen. Philadelphia hatte über die Jahre seine gute Handvoll an brauchbaren Rappern, aber abgesehen …

1 Kommentar

  • Vor 4 Jahren

    I don't see the trajectory from this album to Def Jux and Outcast, but apart from that, solid album. Great voice and flow too. I sure miss those beats with the echoing horns they used to do back then. Few skippable tracks (I confess, Biggest part of me) make sure it’s not a classic. Shame her output after this was small.