laut.de-Kritik
Von wegen Dream Pop-Resterampe.
Review von Julia KindelDream-Pop gelingt es für gewöhnlich kaum, seine Fans aus den Latschen kippen zu lassen. Der ganz große Knall vom Team Beach House kam aber doch recht plötzlich und umwerfend: Schon sechs Wochen nach dem Studioalbum "Depression Cherry" findet ein Nachfolger seinen Weg auf den Download-Markt. Verschiedene sogenannte Easter Eggs wiesen bereits darauf hin, letztendlich sorgte am 7. Oktober ein Twitter-Statement der Band für Gewissheit: "Wir freuen uns sehr, es ist ein Album, das genau so herausgebracht wird, wie es uns gefällt. Es ist kein Gefährte von 'Depression Cherry' oder eine Überraschung oder eine B-Seiten-Sammlung."
Tatsächlich. Resterampe, B-Seiten-Schnulli oder den Fischstäbchenplatte-Stempel kann man "Thank Your Lucky Stars" absolut nicht aufdrücken. Zwar entstand das Album im Zuge derselben Sessions, die zusammen mit Chris Coady in Louisiana auch "Depression Cherry" hervorbrachten. Doch es unterscheidet sich fundamental von seinem Vorgänger. "Thank Your Lucky Stars" zündet innerhalb eines gewohnten Arrangements von Synthesizer, Drum-Machine, Slide-Gitarre und Reverb-Gesang. Es legt ein paar verträumte BPM zu, der Hall frisst nicht alles auf und statt den Zugang mit Kanistern voller Baldriantee zu versperren, laden ein paar wahrhaft gigantische Song-Epen dazu ein, in diesem Meisterstück lehrbuchhafter Dream-Pop-Eleganz abzutauchen.
War der Vorgänger der perfekte Soundtrack für einen Badewannenausflug mit Aspirin, Absinth und Rasierklinge, rettet diese Platte absurderweise die Dream-Pop-Ehre mit ein bisschen mehr Druck auf dem Gaspedal und zärtlich einmassierten Ecken und Kanten. Weniger Noise, dafür ein entschiedener Schritt in die trippige Ecke à la Portishead. Geschmeidiges Salzkaramel, das die Hörgänge samtig umschmeichelt und die geneigten Freunde entschleunigtem Eskapismus' erwärmt und nicht niedergeschmettert zurück lässt.
Das nun sechste Album schrieb das Duo direkt nach dem Vorgänger in der Zeit zwischen Juli und November 2014. Sehr schnell, geleitet von den Erzählungen der Lyrics, ergaben einzelne Töne Klänge, Collagen und schließlich Songs und der Band dämmerte, dass dieser außergewöhnliche Langspieler eine unkonventionelle Veröffentlichungsform benötigt. Daher entschieden sich Victoria Legrand und Alex Scally, ihre Songs einfach so, ohne große Kampagne, in die Welt zu entlassen.
Ein bisschen Vorlauf hatte die digitale Veröffentlichung, am 6. November ziehen nun Vinyl und CD nach. Und vielleicht lohnt sich ein aufmerksamer Blick: Der Albumtitel "Thank Your Lucky Stars" zierte bereits die A-Seite des "Depression Cherry"-Vinyls. Auch wenn bei der Qualitätssteigerung ein baldiger neuer Output erfreulich wäre, könnten Beach House uns nun erst einmal wieder eine Weile allein lassen, um der vorliegenden Scheibe beim Wachsen zuzuhören.
1 Kommentar
Ein Traum...bin aufs Konzert gespannt.