laut.de-Kritik
Beck reitet auf der Country Road, einsam und allein.
Review von Michael SchuhMittlerweile ist es ja zur Gewohnheit geworden. Eine neue Beck-Platte erscheint und man ist zunächst mal verstört. Wie meint er das jetzt? Doch nicht etwa ernst? Nun, bei "Sea Change" weiß man eines bereits nach wenigen Takten: Beck Hansen meint es verdammt ernst. Davon zeugt zuallererst seine Stimme. Voll Inbrunst und in beunruhigender Trägheit führt sie die Strophen von "The Golden Age" in einen U2-Refrain der "Joshua Tree"-Phase, der auch textlich nicht zur Party taugt: "The sun don't shine even when it's day".
Wie zu Beginn seiner Karriere scheint Beck wieder unbeschwert über die gute alte Klampfe zum Song zu finden. Zumindest lässt er Sample-Skurrilitäten oder dynamische Funk-Eskapaden so fern erscheinen, als hätte er sich nie mit ihnen abgegeben. Mutation, kommt es einem in den Sinn und tatsächlich kann Becks gleichnamiges Folk-Album als Anhaltspunkt für "Sea Change" herangezogen werden. Nur sind die "Tropicalia"-Nächte längst ausgetanzt und die "Bottles Of Blues" liegen in einem Scherbenhaufen vor der einsamen Hütte, aus der heute Becks Klagelieder heraus schallen.
Dass seine langjährige Freundin seit kurzem eigene Wege geht, passt da natürlich hervorragend ins zurecht gelegte Bild: Beck als der "Lonesome Rider", der sich auf der Country Road treiben lässt, einsam und allein. Dabei hatte der Gute schon 1994 "One Foot In The Grave", zumindest hieß so sein wenig verbreitetes Songwriter-Album auf K Records, auf dem er mit nichts als Gitarre, Bass, Percussions und einer Handvoll Kumpels rauhe Country- und Folk-Nummern hinrotzte. Wenn auch der jugendliche Übermut dieser Aufnahmen heute kompositorischem Geschick gewichen ist, die Country-Attitüde hat Beck auf "Sea Change" hinüber gerettet.
Ruhig und unaufdringlich rauschen die zwölf Songs einer nach dem anderen vorüber und entwickeln erst mit der Zeit erdrückendes Gewicht. Nigel Godrich, der bereits beim "Mutations"-Album die Produktion überwachte, hat Beck dabei erneut keinen unnötigen Ballast aufgebürdet. Häufiger als auf jenem Album werden aber zarte Akustikgitarren, Bassläufe und Glockenspiel von Streicher-Arrangements durchsetzt, wie etwa auf "Paper Tiger", einem reduzierten Stolper-Beat à la Tom Waits, zu dem Beck hingebungsvoll raunt. Beinahe altersweise klingt er dagegen im besinnlichen "Guess I'm Doing Fine".
Die meist von Missverständnissen und Verlust handelnden Songs arbeiten alle auf den stets ergreifenden Refrain hin. Dazu liefert Beck wieder einmal Hammerzeilen: "It's nothing that I - haven't seen before - but it still kills me - like it did before" (in "End Of The Day"), fasst die Trauer über eine zerbrochene Beziehung zusammen. Nicht minder resignativ brummt Beck im vierten Stück: "Lonsesome tears - I can't cry them anymore - I can't think of what they're for".
"Sea Change" fordert weit deutlicher als Becks bisherige Werke dazu auf, zuzuhören. In einer Zeit, in der Zu-spät-Geborene einem 70-jährigen Johnny Cash von den Lippen lesen, kommt sein Album vielleicht genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn wenn man eines auf "Sea Change" überhaupt nicht vermisst, so sind das "two turntables and a microphone".
2 Kommentare
fuenf sterne! ein nahezu perfektes album, unglaublich gute songs und produktion, traurig und ehrlich.
Eigentlich ein Guter. Aber irgendwie packt mich nichts mehr, was er seit Oildale (devils haircut) gemacht hat. Werde aber sicher mal reinhören.