laut.de-Kritik
Halbnackt auf Stilettos zur Emanzipation.
Review von David HilzendegenGestern die Grammys, heute die ganze Welt. Das mit aberwitzigen fünf Schallplattenpreisen ausgestattete "I Am ... Sasha Fierce" ist Vergangenheit, das Alter Ego begraben, die Schizophrenie besiegt. Beyoncé Knowles' Zukunft heißt Weltherrschaft. "Girls run the world" ist das neue Motto – und zwar mit viel nackter Haut und rhythmisch wackelnden Ärschen auf klappernden Stilettos.
Irrsinnigerweise versucht die Promomaschinerie von Sony Music die Single "Run The World (Girls)" tatsächlich als Hymne der Emanzipation zu verkaufen. Als sei entblößtes weibliches Fleisch der richtige Weg, um die Geschlechter schnellstmöglich auf Augenhöhe zusammenzuführen. Augenscheinlich versucht sich Beyoncé (mal wieder) in der Rolle der femme fatale, ist letztlich aber (mal wieder) nicht mehr als eine femme banale.
Denn das einzig Spannende an "4" ist die Frage, wieso Switch und Diplo ihren Kollabo-Track "Pon De Floor" für Beyoncés lächerlichen Versuch hergeben, eine Art M.I.A. für behütete Vorstadtkinder zu werden. Als ob ein stampfendes Soundgerüst aus der Feder von Major Lazer und die dumpfe Parole der weiblichen Weltherrschaft zu künstlerischer Progressivität oder überhaupt zu irgendeinem Mehrwert führen würde.
Zumal die vermeintliche Emanzipation erst am Ende der Platte stattfindet. Zuvor schmeißt sich das Ex-Destiny's Child allerlei Männern an den Hals, verspricht ewige Liebe ("1+1") und würde lieber früh sterben, als den Rest ihres jungen Lebens ohne den Auserwählten zu verbringen ("Rather Die Young"). Zum Glück sind Worte Schall und Rauch, der Typ lässt sich gegebenenfalls ja schnell abschießen ("Best Thing I Never Had"). Nachtigall, ick hör dir trapsen.
Wäre das Konzept, oder wie auch immer man diesen Erguss nennen mag, nicht in dieser Form erwartbar gewesen, wäre "4" der Gipfel der Dreistigkeit. Andererseits gibt Beyoncé einen Überblick, über alles, was man im Pop seit Jahren nicht mehr hören will: nervtötend billige Baukastenbeats mit nervtötenden Pianos ("Best Thing I Never Had") und nervtötenden Echo-Effekten ("I Miss You").
Der Hip Hop-Fan fasst sich ungläubig an den Kopf, weil für "Party" nicht nur André 3000 Pate steht, sondern per Sample auch noch die Oldschool-Helden Doug E. Fresh und Slick Rick herhalten müssen.
Immerhin hat Beyoncé die Lacher auf ihrer Seite: In "Love On Top" vorlaut "Bring the beat in" zu fordern, um danach mit einem völlig überholten Synthie-Keyboard-Gemisch aufzuwarten, grenzt fast an Selbstironie – wenn auch unfreiwillig. Die Textzeile "I can see the stars all the way from here" beruhigt alle, die sich schon Sorgen machten: So tief, dass sie den Himmel nicht mehr sehen kann, scheint Beyoncé noch nicht gesunken zu sein.
Das wäre auch nicht vereinbar mit ihren hehren Zielen. Wie beim Schlammcatchen halbnackt auf Stilettos im Dreck zu wühlen, wäre schließlich so gar nicht emanzipatorisch.
71 Kommentare
schade um die stimme. könnte mehr sein als hovas biatch...
Irgendwie hab ich das Gefühl, dass wir bald wieder von Lautuser was hören^^
Und ich hab schon damals gesagt, dass das Video zu Single Ladys der letzte Scheiss ist. Sie wackelt 3 Minuten nur mit ihrem Arsch rum...
Augenscheinlich versucht sich Beyoncé (mal wieder) in der Rolle der femme fatale, ist letztlich aber (mal wieder) nicht mehr als eine femme banale.
sehr schön formuliert
"4" ist das erste Album von Beyoncé, was ich mir besorgt habe und es hat mich auf keinen Fall enttäuscht. Okay, die Inhalte der Songs gleichen sich immer wieder und der Text ist in den meisten Fällen auch eher stupide und einfach als innovativ, aber trotzdem liebe ich ihre Stimme und die einfache Strukturierung der einzelnen Lieder. Das Album orientiert sich beispielsweise zum Glück nicht an den billigen Pop-Beats aka Rihanna oder Katy Perry!
2 gute songs der rest naja aber eine gute stimme
lustig, wie die review im zeitlichen kontext lächerlich wirkt. beyoncé hat sich erfolgreich aufgemacht, die weltherrschaft zu übernehmen und 4 war der erste schritt in diese richtung. jetzt, wo sie durch lemonade deutlich an credibility gewonnen hat, sollte man das album aus diesem anderen blickwinkel sehen.