laut.de-Kritik
Eines der interessantesten Corona-Projekte.
Review von Giuliano BenassiCorona - was tun? Statt Trübsal zu blasen, hatte Will Oldham alias Bonnie 'Prince' Billy eine originelle Idee: Mit seinem Kumpel Bill Callahan alias Smog stellte er eine Liste an Stücken zusammen und rief den Chef ihres Labels Drag City an. Warum die Songs nicht von weiteren Künstlern neu einspielen lassen, die beim Label einen Vertrag hatten oder ihm zumindest nahe standen?
Dan Koretzky war begeistert. In seinem Haus verteilte er Leckerlis mit den Titeln der Lieder und den Namen der Künstler. Die Reihenfolge, in der sein Hund die Happen fand, entschied, wer welches Stück covern würde. Beziehungsweise die musikalische Begleitung beisteuern sollte, denn um den Gesang kümmerten sich weitgehend Bill und Billy.
Nahezu revolutionär war auch das Veröffentlichungsformat, denn Oldham hatte mit Social Media nicht viel am Hut und Drag City sich nach endlosen Diskussionen erst 2017 entschieden, sein Material auch bei Streaming-Diensten verfügbar zu machen. Ab Herbst 2020 kamen die eingespielten Stücke nach und nach als digitale Singles heraus, jedes mit einem eigenen Cover. Häppchen also, die nun, Anfang 2022, auch ganz traditionell als CD / Vinyl / Kassette erscheinen, jeweils im Doppelformat.
Den Anfang, hier wie dort, macht Cat Stevens' alias Yusufs "Blackness Of The Night" von 1967. Die iranisch-amerikanische Musikerin Azita Youssefi wie auch Oldhams hohe und Callahans tiefe Stimme orientierten sich am Singer/Songwritertum des Originals. Ein existentieller Song zum dahinschmelzen.
Doch lebt die Zusammenstellung von den Kontrasten. Hank Williams Jr.s "OD'd in Denver", gut umgesetzt von Matt Sweeney, handelt von der verzweifelten Suche nach einer Frau - dumm nur, dass der Suchende nach einer Überdosis Kokain vergessen hat, wie sie heißt. Zum Glück besteht die Möglichkeit nach Vergebung in Form von Dave Richs Country-Gospel "I've Made Up My Mind", begleitet vom Schotten Alasdair Roberts.
Musikalisch und thematisch ganz anders fällt Billie Eilishs "Wish You Were Gay" aus, dem Sean O'Hagan von High Llamas ein billiges Keyboard-Korsett verpasst und das in Kombination mit dem Gesang erheiternd wirkt. Überhaupt ist das Album abwechslungsreich. Lou Reeds zarte Liebesballade (für seine Verhältnisse, zumindest) "Rooftop Garden" orientiert sich von der Begleitung her an "Venus In Furs" von Velvet Underground, während "Deacon Blue" von Steely Dan eher klingt wie das Original. Country-Folk (darunter Jerry Jeff Walkers "Night Rider's Lament" mit herrlichem Gejaule samt Jodel-Einlage, das wunderbare "I've Been The One" von Little Feat, Demis Roussos "Lost In Love") wechseln sich mit Stoner-Rock (Bill Callahans "Our Anniversary"), Depeche Mode-Anleihen (Bonnie 'Prince' Billys "Arise, Therefore"), Funk auf Downers (Johnnie Friersons "Miracles") oder einer schrägen Orgel-Orgie (Robert Wyatts "Sea Song") ab.
Einen besonderen Platz nimmt "The Wild Kindness" von Silver Jews ein, deren Frontmann David Berman sich im August 2019 das Leben genommen hat. Ursprünglich planten Oldham und Callahan mit ihm auf Tour zu gehen (angedachter Teaser "Monsieurs of Drag City"), nun nahmen viele Labelkollegen das Stück mit Witwe Cassie Berman als emotionsgeladenen, aber nicht traurigen Abschied auf. Hommagen an kürzlich Verstorbene sind auch das posthume "Night Of Santiago" von Leonard Cohen und das letzte Stück, John Prines "She's My Everything", das mit Bläsereinlagen für einen schrägen wie versöhnlichen Abschluss sorgt.
"Blind Date Party" ist ein guter Titel, denn in der Tat kannten viele der Künstler die Lieder nicht, die sie interpretierten. 19 Stücke sind recht viele, vermutlich hätte es die Hälfte auch getan, dennoch ist das Album ein gelungenes Denkmal für die schlimmste Zeit der Corona-Pandemie: Anders, mit dem einen oder anderen guten Moment, vor allem aber mit vielen dunklen Gedanken.
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