laut.de-Kritik
Mit Schaukeln hätte sie das wohl nicht geschafft.
Review von Laura WeinertÜber musikalische Früherziehung scheiden sich die Geister. Kinder Kinder sein lassen oder doch den kleinen Hausvirtuosen heranzüchten? Ob forciert oder nicht: Jasmine van den Bogaerde aka Birdy spielt Klavier, seit sie sieben ist. Für sie haben sich die Übungsstunden in jungen Jahren gelohnt: Gerade einmal fünfzehn Jahre ist das als Wunderkind ausgeschriebene Mädel alt und bringt mit ihrem selbstbetitelten Album nun Piano-Neuauflagen ausgewählter Indielieblinge auf dem Markt. Mit Schaukeln hätte sie das wohl nicht geschafft.
Talent hat Birdy zu Hauf. Mit ihrem Cover von Bon Ivers "Skinny Love" klimpert sie sich in die Herzen der iTunes-Kunden in Deutschland, Frankreich und den USA und erreicht die Top 10 der Alternative Charts. Und das auf der reinen Basis ihrer flinken Fingerchen und einer wahnsinnig schönen und erstaunliche ausgereiften Stimme. Sie zelebriert die Zerbrechlichkeit des Originals und hebt es mit dem zwischen fragil und kraftvoll rangierendem Gesang gleichwohl auf eine neue Ebene.
Mit der Auswahl ihrer Songs qualifiziert sie sich locker für einen Auftritt in der Blogosphäre. Mit Tracks von Phoenix, The National, The XX oder Fleet Foxes beweist sie ein gutes Gespür, wie man den Puls unter V-Neck-Shirts erhöhen kann.
Gerade in der "White Winter Hymnal" arbeitet sie mit verhalltem und gedoppeltem Gesang nah an Strom und Geschmack der Zeit. The Postal Services "The District Sleeps Alone Tonight" erhält mit mechanischem Beat eine klirrekalte Atmosphäre, während das bereits welke "Young Blood" der Nackten und Berühmten mit warmem Minimalismus erneut zu blühen beginnt. Gesanglich zieht sie dank festem Stand in "Shelter" am gebrochenen Original der XX vorbei.
In den ruhigsten Momenten, in denen sie sich nur auf ihr Piano verlässt und kein Bass und kein Schlagzeug den Track zu leisem Pop aufbauscht ("1901", "Fire And Rain"), ist ihre klassische Klavierromantik am reinsten – und damit auch am charmantesten. Dass der einzige selbstgeschriebene Song, "Without A Word" auf eben diese Elemente baut, macht Hoffnung für das kommende Album.
Tatsächlich: So richtig spannend wird Birdy wohl in einigen Jahren werden, wenn sie die Schule beendet hat und Zeit findet, ein Album mit ihren eigenen Songs aufzunehmen. Daran hakte es nach eigener Aussage im Moment noch. Trotzdem ist "Birdy" genau das, was die Künstlerin erreichen wollte: Eine "Einführung in meinen Stil." Sie wird schon noch flügge werden. Bis dahin schüttelt sie zumindest eine nette Retrospektive der letzten Indiejahre aus dem edlen Chiffonärmel.
5 Kommentare
Ein nettes Album, schade nur das es nur Cover sind. Ihr eigenes Lied ist ganz gut, würde gerne mehr von dem hören. Vielleicht klappt es ja beim zweiten Album. Falls sie dann noch bekannt ist, kann man eib bisschen böse dazu sagen...
Auf jeden Fall beweist sie guten Musikgeschmack in ihrer Auswahl für Covers, mal sehen wie ihr album mit eigenen songs aussehen wird
Abwarten, Tee trinken, vielleicht auch ignorieren.
3sat NewPop und zdf@Bauhaus, 2 Konzertmitschnitte nach denen mir egal ist, wer die Originale singt. Insbesondere in der Clubatmosphäre vom Bauhaus-Konzert zeigt Birdy & Band, dass sie jetzt schon mitreißen, in den Bann ziehen kann. Demgegenüber kommt ihr Erstlingswerk verständlicherweise noch etwas "flach" rüber, wenngleich sie in dem gefühlsmäßig starkem Comforting Sounds der De Luxe Version derart zu überzeugen weiß, dass ich die Funktion der Repeat-Taste meines CD-Players wieder einmal zu schätzen gelernt habe. Phantastisch. Die 2. Platte ist überinstrumentalisiert und voll von Effekten, die ich in den Konzernmitschnitten so gar nicht vermisst habe. Da weiß sie mit ihren 4 Bandmitgliedern zu überzeugen.
Bin durch Hollywood Hank nochmal auf "People Help The People" gestoßen und ich weiß nicht, ob Birdy da einen Schwachpunkt von mir anvisiert hat oder ich einfach durch die Unkenntnis des Originals gesegnet bin, aber ich finde das Lied nach wie vor wirklich gut.