laut.de-Kritik

Zwanghaft, aufgesetzt und alles andere als inspiriert.

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Miss Extravaganza beehrt uns wieder mit einem Opus Dei - einem Werk Gottes. Wer könnte schon verneinen, dass die kleine Isländerin von der Muse geküsst ist. Die Gute ist ja sehr umtriebig. Filme machen, singen und so und vielleicht demnächst noch einen Lyrikband heraus bringen, der dann zur Weltliteratur zählen würde. Vielleicht muss man das nicht erwarten, aber zuzutrauen wäre es ihr schon. Und mit jedem weiteren Projekt will sie dem vorherigen noch eins obendrauf setzen. War "Debut" noch sehr eingängig, fügte "Post" dem eine Bombastnote hinzu. "Homogenic" wirkte sehr verstörend, nichtsdestotrotz schön wie eine Eisblume am Fenster im tiefen Winter. Und Vespertine? Nun, ... Vespertine, ja, äh, ... Vespertine ist trotz seines ohrenscheinlichen Minimalismus überladen mit Kleinigkeiten. Hier ein Fiep dort ein Rückwärtsloop, über allem kreisend Björks ureigenes Organ, das ab und an drei Schrauben und vier Salti schlägt, um dann ... doch nicht auf den Punkt zu kommen.

Frau Gudmundsdottir begrüßt uns mit einem herrlich falschen "Sru Se Wormsest ...", wie um wieder einmal beweisen zu wollen, dass sie auch nach zig Jahren der richtigen Aussprache des berühmten "th" noch nicht mächtig ist. "Hidden Place" ist sehr vielversprechend und gibt einem das Gefühl, ihr Mitverschwörer beim Pferdestehlen zu sein. "Cocoon" zerstört diese Intimität dann wieder, es weckt Erinnerungen an experimentelle Lyrik-Sendungen nachts um drei im ZDF. Würde sich dort ganz gut neben trommelnden und schreienden Barden machen, quasi als kleiner Übergang, bis dann die meditierende Bauchtanztruppe die Bühne betritt, die nur per Telepathie den Anwesenden ihre Gedichte näherbringt. Alles klar?

Ja, mir auch nicht. Was Björk mit Nicht-Liedern wie "Undo" und "An Echo, A Stain" bezwecken will bleibt im Dunkeln. Ist ja nicht so schlimm, wenn man sich von konservativen Songstrukturen entfernt und versucht, eigene Wege zu gehen. Muss man dann aber immer gleich kilometerweit über allem schweben, den roten Faden des Songs hinter sich her ziehen und diverse Pirouetten drehen? Nicht unbedingt, denn ehe frau es sich versieht, verknotet sich der Faden und gerät zu einem gordischen. Genau in diese Falle ist Björk bei Vespertine getappt.

Zwanghaft, aufgesetzt und alles andere als inspiriert wabern Sounds am Ohr vorbei, die unvereinbar neben exzellenten Songs wie dem erwähnten "Hidden Place", "It's Not Up To You" und "Pagan Poetry" stehen. Weniger wäre auch hier mehr gewesen, was dem Gesamtkunstwerk aber keinen ernsthaften Schaden mehr zufügt. Trotzdem, für Björk-Verhältnisse ist Vespertine eine kleine Enttäuschung und drei Punkte sind fast eine Beleidigung. Schade!

Trackliste

  1. 1. Hidden Place
  2. 2. Cocoon
  3. 3. It's Not Up To You
  4. 4. Undo
  5. 5. Pagan Poetry
  6. 6. Frosti
  7. 7. Aurora
  8. 8. An Echo, A Stain
  9. 9. Sun In My Mouth
  10. 10. Heirloom
  11. 11. Harm Of Will
  12. 12. Unison

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