2. Dezember 2005
"Wir haben mit uns gekämpft, ob wir weiter machen sollten"
Interview geführt von Vicky ButscherRobert Levon Been, Sänger und Bassist des Black Rebel Motorcycle Club, über eine wieder aufkeimende Liebe, einen wieder aufgetauchten Drummer und neu gewonnene Fans.Köln, ein kalter Montag im November. Im Prime Club baut die Vorband des Black Rebel Motorcycle Club ihren Merchandise-Stand auf. Vom Hauptact oder ihrem Tourmanager keine Spur. Doch dann schlurfen übermüdet aussehende, dürre Gestalten durch den Gang. Kurz darauf steht auch der Manager vor mir, greift sich den etwas wacher wirkenden Typen und fragt mich, ob ich mit diesem vorlieb nehmen möchte. Anschließend bieten mir die beiden noch einen kleinen Fight als Einstimmung aufs Interview an. Danke, später gerne. Ich spreche also mit Sänger und Bassist Robert Levon Been (früher trat er als Robert Turner auf), der sich noch vor zwei Jahren in der Interview-Mangel von Kollegin Lütz als hart zu knackende Nuss präsentierte. Mal sehen, ob er dieses Mal den Mund aufbekommt.
Dieser kalte Kölner Montag scheint nicht wirklich mein Glückstag zu sein: Da hat sich Robert gerade schön in sein Element reingeredet - was nach dem Interview zum letzten Album noch einer schieren Unmöglichkeit glich - da verabschiedet sich mein MD-Player. Im Gegensatz zu mir findet Robert das wunderbar. Journalisten der großen Zeitungen und Zeitschriften, wie zum Beispiel der New York Post, würden eh nie ein Aufnahmegerät benutzen. Sie wüssten von vornherein, worauf sie hinaus wollten und da reiche es ihnen, die wichtigsten Zitate mitzuschreiben.
Pech für mich: Ich habe nicht mal einen Stift dabei. Kein Problem für Robert. Den Stift, mit dem er schon die ersten drei Minuten des Interviews unaufhörlich und irgendwie nervös rumspielte, ist seiner Meinung nach allerdings nicht der rechte für meine Mitschriften. So kramt er eine Weile in seiner ledernen Oberschüler-Tasche und fördert einen adäquaten Kugelschreiber für meine Notizen zutage. Nebenbei erklärt er launisch, die Band werde eh in jedem Interview falsch zitiert - oder die Zitate falsch interpretiert. Ganz egal, ob die Journalisten nun mitschreiben oder aufzeichnen.
Dann bittet er mich, das Mikro vom Tisch zu nehmen. Auch wenn ich damit eh nichts mehr aufnehmen könne - es wäre ihm lieber, wenn es nicht mehr vor ihm stünde. Alles klar. Robert antwortet auf alle nun folgenden Fragen bedacht, trotzdem ist er das Gegenteil von dem, wie er sich noch vor zwei Jahren gab. Von Wortkargheit oder übertrieben langen Pausen keine Spur. Trotzdem bleibt er während des Interviews weiter angespannt. Wenn er nicht gerade seine fingerlosen, schwarzen Wollhandschuhe halb aus- und wieder anzieht, spielt er nervös mit seinem Stift oder anderen Gegenständen, die auf dem Tisch umher liegen. Während des kompletten Interviews behält Robert seine Jacke an und seine Mütze auf. Kalt hier, im November, in Deutschland.
"We fell in love with words again"
Recht warm hingegen klingt das aktuelle, dritte Album des Black Rebel Motorcycle Clubs - im Gegensatz zu der offensiven Coolness seiner beiden Vorgänger. BRMC möchten mit "Howl" "eine andere Seite der Band vorstellen" Das war kein Soundwandel, den die Band von heute auf morgen vollzog. Viel mehr habe es diese andere Seite schon immer gegeben, seitdem Robert und Peter in der High School begannen, gemeinsam Musik zu machen. Beim ersten Album seien Peter, Nick und er noch keine richtige Band gewesen, das erste Album beschreibt er als eine Art "melted sound".Dass das zweite Album "Take Them On, On Your Own" dann stilistisch dem ersten auf dem Fuß folgte, lag an den Reaktionen des Publikums. Die Band war es leid, von den Leuten zu hören, sie klängen live viel besser als auf Platte. Deshalb ähnele das zweite Album noch einmal dem ersten: BRMC wollten beweisen, dass sie auch auf einem Album so gut klingen können wie auf der Bühne. Eine Veränderung habe darauf zwangsläufig folgen müssen, denn nur so könne man die Spannung in der Band bewahren. Es täte eben gut, auch mal ein musikalisches Risiko einzugehen, manifestiert Robert seine Meinung.
Ein bedeutender Schritt in die bluesige Singer/Songwriter-Richtung war eine wieder auflodernde Liebe: "We fell in love with words again". Dabei sei der Band gar nicht so wichtig, dass ihr Publikum nun jeden Text in seinen Einzelheiten verstehe. Die Fans sollen vor allem begreifen, "dass wir mit unseren Lyrics etwas tiefer gehen und mehr ausdrücken wollen". Dass BRMC-Stücke eben nicht so oberflächlich sind, wie die Songs dieser "dancy acts, von denen es gerade einige gibt". Es sei schön zu sehen, dass auch Fans in Italien oder Japan - bei denen man merke, dass sie eigentlich nicht gut englisch sprechen - versuchen, sich mit den Lyrics der Songs auseinander zu setzen.
Nannte die Band aus diesem Grund ihr Album "Howl", nach einem epischen Ginsberg-Gedicht? Nun, der Titel sei nicht nur Hommage an Allen Ginsberg, sondern an die ganze Beat Generation, und an deren "Feeling". Robert fände es "cool", dass sich Black Rebel-Fans nun mit Ginsberg beschäftigen, "das hätten sie vielleicht ohne die Band nicht getan". Der Bassist bleibt bei dieser Aussage nicht regungslos cool. Ein wenig Stolz auf den Einfluss der Band merkt man dem jungen Mann an.
Etwas wehmütig klingt Robert, während er von der ganz besonderen Stimmung redet, die in San Francisco herrschte, während die Beat Generation in der Stadt ihren Mittelpunkt fand. Vor 50 Jahren, als das Gedicht Ginsbergs zum ersten Mal gelesen wurde, habe es noch Treffpunkte für solche Leute in seiner Heimatstadt gegeben. Anschließend kamen die Hippies nach San Francisco, mit ihnen die ganzen Bands. Inzwischen habe "die Stadt viel verloren", erklärt er bedauernd. Weil überall nur noch Läden wie Ben & Jerry's aufmachten und das Silicon Valley die Stimmung komplett ändere, wäre es anders aber auch kaum vorstellbar.
"Wir sind einfach besser geworden"
Beinahe unvorstellbar erschien es der Band auch, noch einmal gemeinsam mit Drummer Nick Jago im Studio oder auf der Bühne zu stehen. Irgendwann zwischen der letzten Tour und den Aufnahmen zum neuen Album kickten Peter und Robert ihren anstrengenden Drummer aus der Band. Nick verschwand immer wieder, war für die Band nicht mehr tragbar. Doch nicht, dass alle Sorgen vom Tisch waren, nachdem sie das Problemkind aus der Band befördert hatten. Im Gegenteil: "Wir kämpften mit uns, ob wir weiter machen sollten", fasst Robert das Ergebnis ihrer Zweifel zusammen.Am Ende des Ringens mit sich selbst stand der Beginn der Aufnahmen - allerdings ohne Drummer. Diese waren schon fast komplett abgeschlossen, als Nick aus dem Nichts anrief. Er wolle zurück kommen. Peter und Robert waren skeptisch, willigten dann aber ein, sich mit dem alten Drummer im Park zu treffen: "in der Öffentlichkeit, damit wir uns nicht gegenseitig umbringen konnten", erzählt Robert vollkommen ernst. Nick kam so doch noch aufs Album - die Klavierballade "Promise" spielte er mit den beiden anderen ein und ist seitdem wieder offiziell dabei.
Robert zieht nicht nur für die Band ein positives Fazit aus der Geschichte. Er fühle auch, dass er daran "menschlich gewachsen" sei. Die Band habe akzeptiert, dass Nick der "crazy guy" sei. Robert lernte dabei, dass man andere Menschen so akzeptieren muss, wie sie sind. Es sei jetzt wesentlich angenehmer mit Nick unterwegs zu sein, als vorher. Und das nicht nur, weil der Drummer sich inzwischen zusammenreißt.
Neben dem abwesenden Drummer gab es bei den Arbeiten zu "Howl" eine weitere Neuerung. BRMC wechselten ihr Label vom Platten-Multi Virgin/EMI zum weit kleineren Echo. Die daraus resultierenden Veränderungen gefallen der Band vor allem, da es nun "eher eine Partnerschaft, als ein Plattenvertrag" sei. So trage die Band wesentlich mehr Verantwortung - kann allerdings auch "niemand anders mehr verantwortlich machen" für das, was am Ende hinten raus kommt.
Auch live macht sich die Veränderung ihres Sounds bemerkbar: Es kommen jetzt die verschiedensten Leute zu ihren Konzerten - nicht nur Kids, die eh überall hingehen. Ältere gingen nunmal nicht mehr so gerne auf Konzerte - dass sie nun auch zu BRMC kommen empfindet die Band als "Verdienst". Auf die Frage, warum das Publikum sich verändert habe antwortet Robert selbstbewusst: "Wir sind einfach besser geworden."
Doch die Band hält sich nicht lange mit einer Sache auf. Sie hätten bereits neue Songs aufgenommen, erzählt Robert, als wäre das ganz selbstverständlich. Er nennt sie "fast, loud, different" und weiß schon jetzt, was die Leute sagen werden: "dass wir zu unserem alten Sound zurückkehren". Doch er betont im selben Atemzug: "It's new to me". Es werde mehr "dancy" klingen. Die tanzbaren Sachen, die momentan rauskommen, findet er allerdings nicht so toll. Ob er dabei Indie-Hypes wie The Bravery oder doch eher Dancefloor-Pop meint, damit rückt er nicht raus.
Zum Schluss muss ich ihn noch auf die coole und vorbildlich interaktive BRMC-Website ansprechen. Hat man als Band die Zeit, sich so intensiv um Fannähe zu kümmern, oder delegieren sie diese Arbeit? Nun, die Seite sei mal eine Fansite gewesen. Der Band gefiel sie so gut, dass sie Kontakt zu ihrem schottischen Betreiber aufnahm - er wurde ein Freund der Band und führte seine Site als offizielle Online-Quelle weiter.
BRMC scharen einige Freunde um sich, um beim Arbeiten mehr Spaß zu haben. So war ihr langjähriger Lichtmann zunächst zwar unter dem Vorwand mitgekommen, sich um die Beleuchtung zu kümmern, hatte aber eigentlich gar keine Ahnung von dem Job. Viel mehr kam er als Kumpel der Band mit auf Tour. Er brachte es sich bei, machte sein Ding gut, immer mehr Künstler fragten ihn, ob er nicht auch bei ihnen das Licht machen wolle. Er blieb bei Black Rebel, schlussendlich drehte er sogar Videos für BRMC ... die so gut waren, dass er seinen Job als Lichtmann der Band aufgab und inzwischen Musikvideos für verschiedenste Bands dreht.
Apropos Video: Das zu "Ain't No Easy Way" ist wunderbar ästhetisch, wenn auch ein bisschen voyeuristisch. "Peter wollte eigentlich damit zeigen, wie Geld und Regierungen die Menschen immer mehr irreleiten und verderben". Leider mussten BRMC für MTV so viel vom Video wegschneiden, dass die Grundidee verloren ging. Trotzdem sehr schön, was wir da an einer verträumten Band und halbnackten Frauen im 20er Jahre-Stil geboten bekommen.
Bevor wir uns verabschieden, fragt Robert, wie weit es von hier zum Dom wäre. Er würde ihn gerne mal besteigen, einen Überblick über die Stadt bekommen. Mit dem Taxi könne er das locker bis zur Show schaffen, antworte ich. Aber zieh dich warm an Robert. Es ist kalt, im November, in Deutschland.
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