laut.de-Kritik
Zurück in die Vergangenheit.
Review von Stefan JohannesbergFür Black Sabbath ist es höchstens das zehntbeste Album ihrer Karriere, für andere Bands ein unerreichtes Niveau: "Headless Cross". Mit dieser dunkel-mystischen Hardrock-Seance machten auch Black Sabbath spät ihren Frieden mit den "Wir lernten mehr von einem Drei-Minuten-Song, als jemals in der Schule"-80ern, einem Jahrzehnt, das durch seinen Club- und Refrain-orientierten Sound viele Rock-Größen der 70er auf seltsame Abwege trieb. So eierte Bandboss Toni Iommi bis 1989 orientierungslos durch die Post-Dio-Phase, die 1981 mit "Mob Rules" geendet hatte.
Gerade als der Heavy Metal - komplett beeinflusst von Sabbath - zur Welteroberung blies, verlor sich die Band auf mehreren Werken mit den ehemaligen Deep Purple-Sängern Ian Gillian und Glenn Hughes sowie Rock-Shooter Ray Gillen zwischen Personalwechseln und kreativer Blutarmut. Erst als Tony Martin im Laufe des 13. Albums "The Eternal Idol" 1987 zur Band stieß, fanden die Briten langsam einen neuen Sound und mit Songs wie "The Shining" oder "Ancient Warrior" ihre Identität wieder.
Mit "Headless Cross" hob die Tony Martin-Ära dann richtig ab. Der Sänger mit der an Dio erinnernden, jedoch noch viel flexibleren Stimme beteiligt sich am Songwriting. Keyboarder Geoff Nichols spielt die 80er durch, Ex-Rainbow Cozy Powell drückt mit mächtiger Bassdrum die Songs ohne Spielereien nach vorne - diese hauen in der Remastered-Version noch mehr in die Magengrube - und schenkt Tonis Gitarrenspiel ein starkes Fundament. Bereits der Titeltrack marschiert mit einem ikonischen Riff furchtlos der Dunkelheit entgegen, Nichols Synthies weben das mystische Netz um den Song und Martin spult seine ganze Range runter. Er schreit, röhrt, als müsse er den Schatten Dios vom Album fegen. "From the first evil night, when a black flash of light / Cut the crucifix half to the ground / There's no escaping from the power of Satan / For a people so brave and so proud". Der Satan ist da - und hat seine Tochter im Gepäck.
Auf "Devil And Daughter" strahlt Rainbow noch stärker aus allen Poren. Powell gibt den Ton an wie auf einer römischen Galerre, die Chöre jubilieren, Toni lässt die Gitarre kreischen und Tony hält den Kurs. Wie ein Kapitän in stürmischer See hallt seine Stimme bis zur obersten Rah. Der beste Sabbath-Track nach 1980 folgt. "When Death Calls" beginnt einsam balladesk, fast verträumt, um dann im Refrain die Hölle zu entfesseln. Das Solo liefert Brian May und am Ende explodiert er in einem wahren Groove-Monster. Black Sabbath finden auf "Headless Cross" eine wunderbare Mixtur aus Hardrock-Catchiness, Mystik und den bekannt schweren Riffs. "Kill In The Spirit World" wandelt zwischen poppig und gespenstisch. "Call Of The Wild" ist ein Lehrstück des melodischen Hardrock und "Black Moon" lebt von einem gewaltigen Riff Iommis. Das 14. Album ist das beste Sabbath-Album ohne Dio oder Ozzy.
Zu Recht wirft die 4-LP bzw. 4-CD-Box "Anno Domini 1989-1995" das Licht auf die Martin Alben ab "Headless Cross". Mehrere Alben geben ihr Vinyl-Debüt in der LP Version, während die CD-Version drei Bonustracks enthält. Dem Set liegt ein Booklet mit Fotos, Artwork und Liner Notes von Hugh Gilmour bei. Die Sammlung enthält auch ein Headless Cross Poster und eine Replik des Konzertbuchs der "Headless Cross Tour". Doch zurück in die Vergangenheit.
1990 folgt das unterbewertete "Tyr", das mehr als jedes andere Werk einen perfekten Querschnitt verschiedener Sabbath-Phasen bietet. Nordische Mythologie trifft altes Testament, "Headless Cross"-Sound vereint sich mit Maiden-Metal und klassischen Sabbath-Tunes. Der schnelle Opener "The Law Maker" folgt der Maiden und Priest-Formel, am Anfang einen Nackenbrecher zu setzen. "Jerusalem" hätte auch wunderbar auf der Vorgängerscheibe funktioniert. Das verschwörerische und härtere "The Sabbath Stones" erinnert genauso an die Dio-Phase wie das bombastische "Valhalla" oder das druckvolle "Heaven In Black". "Feels Good To Me" führt zurück in die 80er und muss sich vor keiner Scorpions-Ballade verstecken. Über das gesamte Album hinweg liefert Tony Martin gerade im direkten Sound-Vergleich mit Ronnie eine Jahrhundertleistung ab. Schade, dass er seine Klasse live nicht ganz halten konnte und als Sabbath-Frontmann zu wenig Charisma besaß.
Nach einem kurzen Dio-Intermezzo schleudern die letzten beiden Martin-Alben im Bunde - "Cross Purposes" (1994) und "Forbidden" (1995) - Sabbath nach den schwierigen 80ern nun in die Ära von Grunge, Nu-Metal und Stoner Rock. Der klassische Heavy Metal rückt in den Hintergrund, unzählige von den frühen Sabbath beeinflusste Bands wie Alice In Chains, Soundgarden oder Kyuss bringen ihren Sound in die Welt. Die Band um Toni Iommi weiß damit nicht richtig umzugehen. Soll man die Trends adaptieren oder einfach seine Form des Metal weiterführen? Die Songs auf "Cross Purposes" klingen wieder proggiger, vertracker, die Drums nicht mehr so präsent. Man spürt das Bedürfnis nach Frische und Moderne in Songs wie "I Witness" oder "Virtual Death", doch du kriegst den Metal nicht aus den Erfindern des Metal, wie "Cross Of Thorns" zeigt. Das 94er Werk enthält so zwar ein paar Kleinode und Geheimtipps, die Überraschung der Box lauert jedoch im vermeintlich schlechten Sabbath-Album aller Zeiten. "Forbidden" gilt nicht nur, aber vor allem wegen der hölzernen, rumpeligen Produktion von Body Counts Ernie C als unerhörbarer Megaflop.
Iommi erklärt: "Ich war nie glücklich mit dem Gitarrensound, und Cozy war definitiv nie glücklich mit dem Schlagzeugsound ... Also dachte ich, es wäre schön, es in gewisser Weise für ihn zu tun. Ich hatte einfach das Gefühl, dass es eine Möglichkeit gab, zurückzugehen und einige der Sounds mehr herauszuarbeiten, so wie die Leute es von Sabbath erwarten würden". Gesagt, getan. Dank der stimmigeren und besseren Produktion entfalten gerade die Tracks der zweiten Hälfte eine neue Kraft und müssen sich nicht vor neuen Genre-Stars wie eben Soundgarden oder Kyuss verstecken. In der Retrospektive kann man Black Sabbath nicht genug Tribut zollen, über drei Jahrzehnte relevant geblieben zu sein. Wer diese Box genießt, denkt ein wenig sehnsüchtig daran, was Sabbath in den Jahren zwischen "Forbidden" und dem letzten Album "13" hätten kreieren können.
2 Kommentare mit 6 Antworten
Bei der Tony Martin-Ära muss ich mir echt die Rosinen rauspicken. Die gibt es ein paar geile Tracks, die neben Sachen stehen, die mich absolut nicht kicken. "Forbidden", die im Ruf steht, eine der schlechtesten Sabbath-Scheiben, wenn nicht gar die schlechteste zu sein, find ich aber nicht so übel. Da gibt es Crappigeres. "Get a Grip" und "Rusty Angels" halte ich für in Vergessenheit geratene Perlen.
wie gesagt, Musik ist Geschmackssache; und Forbidden ist ein wirklich schlechtes Album. Das von Dir genannte Get a Grip kein guter Song, und Rusty Angels ist langweilig udn abgedroschen.
Sehr wohlwollend formulierte Besprechung. Zum Einen ist Sabbath mit Ozzy, und dank der guten Alben auch mit Dio, das wirkliche Sabbath. Und, Born Again ist nicht so schlecht wie sie immer besprochen wird. Da sind einige gute Tracks drauf.
Zudem zu diesem neu abgemischten Album. Der Schlagzeugsound ist nach wie vor verhallt ohne Ende, die Gitarre passt vom Sound her gar nicht und ist viel zu basslastig eingestellt. Der Bass, den man dann davon absetzen wollte wurde dann noch tiefer abgemischt. -insgesamt keine glückliche Wahl eines Soundbilds. Natürlich ist alles Geschmackssache, und auch die Songs. Die Songs dieser ära waren einfach unterdurchschnittlich- und Dehumanizer ist da nicht ausgenommen. Es sind halt 2-3 gute Songs drauf, aber der Rest auch passend zu dieser "Ära".
Wenn ich ein Album der Post Ozzy, Dio und für mich auch Gillan Ära als das Beste auswählen sollte, dann wäre es Seventh Star. Dieses kann mit den schwachen Alben der Ozzy "Ära" mehr als mithalten.
wenn ich die Top 5 benennen müsste, dann waren darin (in no order): Vol 4, Heaven and Hell, Sabbath Bloody Sabbath, Mob Rules, Born Again.
Ich stimme Dir zu, dass "Born Again" besser ist als sein Ruf. Dem etwas unausgegoren-matschigen Sound zum Trotz ist die Scheibe auf eine abgefuckte Weise heavy.
Aber "Dehumanizer" schwach? Zugegeben, ich brauchte eine Weile, um mit ihr warm zu werden. Ein kalter, ätzender, schwerer Brocken. Die Scheibe ist heavy und sie rockt!
Und "Seventh Star" kann ich absolut nicht nachvollziehen - das ist wirklich übel. Wenn ich an "No Stranger For Love" denke, graut es mir.
Ich mag diesen matschigen Sound, wie sich Zero the Hero so langsam aus den Boxen schält.... das hat was.
ja, sie ist Heavy, und hat die wirklichen Kracher: Computer God (der Song fetzt so richtig), dann gehts weiter mit After All, was sich so richtig aus den Boxen drückt, cool. TV Crimes ist für mich ein eher schwacher Rocker. -und gegen Ende ist es für mich wenig hörenswert (letzte 4 Songs)- aber ich revidiere, es sind mehr gute Songs drauf als 2-3. Welches ist für Dich das beste Album aus der Ära, nach Ozzy, Dio, Gillan? -ich mag Seventh Star wirklich (wenn auch nicht Stranger to Love) weil es eine eigene Grundstimmung hat.
Meine liebste Post Ozzy-Dio-Gillan-Scheibe? Nicht leicht zu beantworten, da mich keine davon wirklich überzeugt. Ich glaube, am ehesten ist es noch die "Eternal Idol".
Ok, ja, die hat was. Zumindest in Teilen.