laut.de-Kritik

Dann lieber die rote Pille.

Review von

Kennt ihr das, wenn man gelangweilt ist, aber dann erschrickt? Sehr unangenehm. Denn bei aller Langeweile beim Langweilen, entspannend ist es ja schon, da ist die Fallhöhe des Schreckens gleich doppelt so unangenehm. So ging es mir, als ich "Birthday" von Blues Pills hörte. Das ist ein Album ohne Eigenschaften, fließt angenehm vorbei. Hätten Fahrstühle bessere Subwoofer (oder überhaupt welche), wäre das tolle Fahrstuhlmusik, dazu könnte ich auf der Lenkstange des Kinderwagens mit den Fingern wippen. Der nächste Saturn/Kaufland könnte kommen, während "Shadows" mich anplärrt und die Blagen übertönt.

Nun wurden die drei Vorgängerwerke von Blues Pills mit je vier Sternen bedacht, also richtig starke Alben. Irre ich? Ich ging nicht nur in mich, sondern in die Diskographie von den vier Schweden (den Ami Anderson zählen wir jetzt einfach mal mit), und zwar sehe ich da nirgendwo vier, aber die hatten schon mal deutlich mehr Zack, auch noch, nachdem der fürs Gefüge wichtige Gitarrist Sorriaux ging.

"Birthday" erscheint auf BMG, und das Majorlabel scheint der Band gewaltig seinen Stempel aufgedrückt zu haben. Die Produktion übernahm der handwerklich nachgewiesen kompetente Freddy Alexander, der zuletzt für Rosie Darling tätig war. Schon länger habe ich die Vermutung, dass Blues-Rock mit zu den am schwersten auszutarierenden Genres zählt, das leicht in eine Richtung abrutscht, die man vermeiden wollte. Hier scheint eine vermeintliche Modernisierung und Öffnung des Sounds die Band ihres Markenkerns beraubt zu haben.

Anders ist der narkoleptische Effekt des eröffnenden Titeltracks, "Don't You Love It", der Melatonin-Bombe "Top Of The Sky", des Barbiturats "Like A Drug", das mindestens apothekenpflichtig sein müsste, so heroinzäh verstopft es meine Gehörgänge, nicht zu erklären. Schematischere Musik habe ich noch selten gehört, alles muss hier in eine Pop-Blues-Rock-Form passen, sonst fällt es neben das Töpfchen. In "Piggyback Ride" versteckt sich irgendwo ganz tief ein vernünftiger Song, ungefähr da, wo Schanders Bass zu Beginn der Strophe gegen Larssons Organ aufbegehrt, aber schon stürzt sich die ganze Rotte in die Fluten, um noch vor dem Refrain in ganz seichtem Gewässer abzusaufen.

Während Larsson früher ein Pfund war, und ein röhrendes Organ natürlich zum Genre passt, wird sie wie auf "Holding Me Back" viel zu weit nach vorne gemischt und okkupiert die Songs, statt sie zu tragen, alles steuert nur auf ihren nächsten cleanen, wenig pathetischen Ausbruch zu. Auch auf "Somebody Better" gibt es diese versteckten Passagen, in denen kurz Stimmung zu spüren ist, die aber vom nächsten 0815-Crescendo abgehackt wird.

Die ganze Scheibe wirkt so effekthaschend billig wie die Claps auf "Bad Choices". Die Texte erreichen nicht einmal Kindergartenniveau, denn nicht nur segelt das Sprachniveau niedriger als eine Taurus-Rakete, sondern die behandelten Themen wirken fast schon satirisch. Bei "Top Of The Sky" geht es um aufmerksamkeitsheischende Internetopfer, hihi, bei "Piggyback Ride" gesellt sich Larsson zu einer Rotte Schweine, ohne irgendeine zweite, psychedelische oder metaphorische Ebene aufzumachen.

Alle anderen Lieder faseln im Wesentlichen davon, dass man sich nicht so haben soll und das Leben eigentlich klasse oder der Ex-Partner eine Mistsau sei, aber ohne Haken, ohne Bilder, ohne Bezug ("I Don't Wanna Get Back On That Horse Again" beispielsweise wirkt wie reiner Selbstzweck, um diese Line unterzubringen). Dagegen wirken die H-Blockx wie emeritierte Anglistik-Professoren. "Somebody Better" solltet ihr leicht finden, hier könnt ihr nur 38 Minuten pennen. Eine kleine Ausnahme ist der Closer "What Has This Life Done To You", der entfaltet eine poppige Schunkelhaftigkeit, die ihn zumindest erträglich macht. Trotzdem ein versauter Geburtstag.

Trackliste

  1. 1. Birthday
  2. 2. Don't You Love It
  3. 3. Bad Choices
  4. 4. Top of the Sky
  5. 5. Like A Drug
  6. 6. Piggyback Ride
  7. 7. Holding Me Back
  8. 8. Somebody Better
  9. 9. Shadows
  10. 10. I Don't Wanna Get Back On That Horse Again
  11. 11. What Has This Life Done To You

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8 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 3 Monaten

    Mich wundert aber doch, dass das Album im RockHard 8,5/10 und im Musikexpress 4/5 Punkten bekommen hat. So schlecht kann es demnach nicht sein.

    Auch den Verriss von Danzig Sings Elvis kann ich nicht nachvollziehen.

  • Vor 3 Monaten

    Den Verriss kann ich nicht nachvollziehen.

  • Vor 3 Monaten

    Das Songwriting ist durchweg gut. Top of the Sky ist kompositorisch perfekt und einfach wunderschön. Letzteres und Like a drug sind wohltuend langsam, für Mainstream eben zu langsam und sind meine Lieblinstitel. Das musikalische Spektrum ist durch etwas Soul und Gospelanklänge im Refrain (I don't wanna get back on that horse again) erweitert. Sehr schön. Das Album gefällt mir besser als Holy Moly, das ich bisweilen als zu hetisch und deshalb als nervig empfand. Gott sei Dank ist der Sound endlich zeitgemäss und nicht derart verwaschen wie auf den ersten beiden Alben. Ich vergebe 4 von 5 Punkten.