laut.de-Kritik
Ein Blick auf den religiösen Bob.
Review von Markus BrandstetterEgal ob dem Herren oder dem Teufel, irgendjemandem muss man ja dienen. Während es viele Phasen in der bemerkenswerten Karriere des Bob Dylan gibt, nach deren "Bootleg"-Vertiefung Fans geradezu dürsten, gehörte seine religiöse Phase wohl nur bei wenigsten auf ebendiese Wunschliste. Dylan wäre nicht Dylan, wäre nicht irgendwann konsequenterweise eben diese Phase an der Reihe gewesen. Das Judas sein, das war Dylan bereits gewohnt – die einen vergraulte er, weil er vom Folk zum Rock wechselte – und Dylans Wechsel zum Apokalypse besingenden, ehrfürchtigen Gottesmann fanden dann auch nicht nur ein paar hartgesottene Puristen nicht so ganz gelungen. Wie Dylan mit Pfiffen und Buhrufen umgeht, wusste er schon vorher.
Bis heute ist die Jesus-Trilogie "Slow Train Coming", "Saved" und "Shot of Love" nicht gerade bekannt dafür, das Herzstück in Dylan-Plattensammlungen zu sein. "Trouble No More" versucht, einen ausgiebigen Blickwinkel zu geben – entweder als Doppel-Album oder gleich als ausgiebiges Archiv mit sieben Longplayern. Alleine "Slow Train Coming" ist in sieben verschiedenen Versionen zu hören. Da ist die wunderbare Rock-Variante vom 16. November 1979, das Tempo ist obere Mitte, der Bandsound vertraut. Drei Jahre später war der Beat treibender, Dylan legte es weitläufiger an. Zudem gibt es einen Probemitschnitt, bei dem Dylan den Text selbst erst zurecht schnitt sowie einen von einem Soundcheck mit Bläsern.
Sechs mal vertreten: "Gotta Serve Somebody" – neben vier Live-Versionen auch mit einem First-Take aus dem Studio. Zu den Studiomusikern gehörten zu dieser Zeit unter anderem Mark Knopfler und Pick Withers (früher bei Dire Straits). Auf vier Stücken ist auch Dylans alter Gefährte Al Kooper an den Keyboards zu hören – der mit seinem Orgel-Beitrag auf "Like A Rolling Stone" in die Geschichte einging, in den 60ern zu Dylans Bands zählte und in den 1980ern erneut mit ihm kollaborierte.
Von den 100 Tracks, die das Deluxe-Set bietet, ist ein einziger bereits veröffentlicht worden: "Ye Shell Be Changed", das man schon auf "The Bootleg Series 1-3" finden konnte. Abgesehen davon: Welchen Mehrwert hat "Trouble No More"? Es zeigt einen spielfreudigen Dylan, der hörbar Spaß dabei hat, mit seiner Gospel-Rock-Band die Songs auszuloten. Ein Dylan, der seine Wiedergeburt als Evangelischer Christ durchzieht, während sich die halbe Welt wundert, was da eigentlich in ihn gefahren ist. Dylans religiöse Phase fanden die Leute damals schon schrullig. Die Säle wurden kleiner, die Verwunderung größer und auch Kollegen und Bewunderer wie John Lennon waren irritiert, als sie Dylan plötzlich "Gotta Serve Somebody" singen hörten. Lennon schrieb als Antwort den Song: "Gotta Serve Yourself".
Wie sagte Dylan 1979 einem verblüfften Publikum in New Mexico: "I said the answer was 'Blowin’ In The Wind' and it was! And I'm saying to you now, Jesus is coming back, and he is! There is no other way to salvation". Nach drei Alben wandte sich Dylan dann wieder anderen Themenkomplexen zu.
Komplettisten und diejenigen, die gerne auf diese Phase zurückblicken, mögen unbeirrt zur Deluxe-Edition greifen. Ansonsten reicht die Doppel-CD durchaus – und wem der Preacher-Dylan heute noch eher suspekt ist, der wird auch ganz ohne Reue- und Schuldgefühle auf diese Veröffentlichung verzichten können.
Noch keine Kommentare