laut.de-Kritik

Klischeehaftes Macho-Gehabe zerstört ein zutiefst emotionales Album.

Review von

Selbst ernannter "Haramburger", aus dem Dunstkreis der 187 Straßenbande, seit einigen Jahren unter den Fittichen von Sido, die Stimme eine Mischung aus Jamule und Bushido, früher Schulabbrecher und doch heute erfolgreicher Deutschrapper: das ist Bozza. Vier Jahre nach seinem letzten Album "Thriller" feiert er nun den Release von "Glücklich Unzufrieden". Damit überrascht er teilweise sehr positiv, bestätigt aber auch manches dämliche Deutschrap-Klischee.

Im "Intro" eröffnet Bozza das Album mit "Ich hab's geschafft, Mama, Geld auf der Bank, Mama." Ah ja, so ein Ding wird das also, denkt man sich zunächst, wird aber direkt eines Besseren belehrt. Denn schon "Immer Wenn Die Sonne Scheint" liefert einen zutiefst persönlichen Text, darüber wie er seinem Glück oft selbst im Weg steht, übers Verlassen-werden, Alkohol, Drogen, Depressionen und Geld. Dieses verdammte Geld, in dem man noch so schwimmen und trotzdem ganz allein sein kann.

Das ist auch die vermeintliche Message des Songs: "Erzähl' vom Tod, wenn ich wieder einmal zu knülle bin. Der Gin in mir erfüllt mir meine Wünsche nicht. Heb' mein ganzes Geld ab und mach' mich dann auf den Weg. Denn nur das Wichtigste soll bei mir sein, wenn ich von der Brücke spring'". Ich kenne Bozza nicht persönlich und weiß nicht, wie viel Wahrheit in diesen Zeilen steckt. Solche Gefühle öffentlich in einem Song anzusprechen und zu verarbeiten – dafür braucht es auf jeden Fall eine ordentliche Portion Mumm. Respekt.

Das folgende, zum Thema passende "Allein" mit Sängerin GINI und Sido zählt zu den besten Tracks von "Glücklich Unzufrieden". Mit Sido pflegt Bozza ein sehr gutes Verhältnis, sieht diesen als großen Förderer und Freund. Bereits 2019 hatte Sido Bozza gesignt und mit ihm das Label Def Jam Germany wieder aufleben lassen. In einem Interview bei HipHop.de sprach er in den höchsten Tönen von Bozza: "Den halte ich für den krassesten Rapper, den es gerade gibt – besser als mich". Ein gemeinsamer Track der beiden auf dem Album war also fast schon Pflicht. Zuletzt hat "Allein" es auch in die "Top 50-Deutschland" von Spotify geschafft.

Am besten geklickt auf Spotify ist aber "Elbe" – und das absolut zurecht. Ein sehr intimes Werk, in dem Bozza über seine verstorbene Mutter rappt und tiefe Einblicke in sein Herz liefert. Hinter der harten Schale steckt eben doch ein emotionaler Mensch, der es in seinem Leben nicht immer einfach hatte. Wie er das in dem Song verarbeitet, ist beeindruckend. Hätte er mal so weiter gemacht.

Bis dahin war das Album nämlich wirklich eine sehr positive Überraschung (mal abgesehen von "Eros Center", das eher nach 'Henning May auf Wish bestellt' klingt). Leider versinkt Bozza mit "Stripper Money" aber wieder ganz tief im Modus Mio-Sumpf. "Ich kann nicht das Einmaleins, aber jede Droge klär'n. Halt' der Schlampe eine Neuner an den Kopf, sie soll nicht nerven" rappt er. Auch "Grey Goose" hat eigentlich nur 30 richtig gute Sekunden – die, in denen Feature Bausa zu hören ist. Zum Azet-Feature auf "Probleme" sag ich jetzt mal lieber nichts.

Für das Album hat sich Bozza an Beats bei den trendigesten deutschen Hip Hop-Produzenten bedient, Jumpa, Beatgees, Macloud & Miksu und so weiter. Das hört man, die Tracks sind ausnahmslos hochwertig produziert – nicht unbedingt einzigartig – aber zumindest mit einer soliden Qualität. Würde nur nicht alles so gleich klingen. Spätestens nach der Hälfte des Albums hat man einfach genug von der Standard-Kombi aus traurigem Klavier, ein paar düsteren Synthies, fetter 808 und 0815 Hip Hop-Beat.

Natürlich darf auch Clueso hier nicht fehlen, der sich von Capital Bra und KC Rebell bis Majan gerade einmal durch halb Hip Hop-Deutschland featurt. Der Erfurter Sänger hat seinen Gastauftritt auf "So Weit Weg", einem der Highlights des Albums. Mit einem entspannten Beat, lässigem Flow und sommerlichen Vibes bewirbt sich der Track als geeignete Begleitung zum Chillen in der Sonne. Bozza selbst war übrigens schon auf "Heimatstadt" auf Cluesos letztem Album "ALBUM" vertreten. Auch der Song war gar nicht schlecht, gerne mehr von den beiden in Kombi.

Das "Outro" bildet die Zweischneidigkeit des kompletten Albums perfekt ab. Über die Line "Soundtechnisch irgendwo zwischen Kanye und Dre" kann man ganz ehrlich nur müde lächeln. Stereotypische Kack-Kommentare wie "Ich war jung und bekam von Weibern Körbe. Heut sortiere ich sie aus nach Größe ihres Körbchens" gesellen sich in einen Track mit sehr deepen und persönlichen Textzeilen wie "An der Elbe aufgewachsen, es war immer schon sehr stürmisch. Im Würgegriff vom Leben, komm, erwürg mich, erlös mich."

Bozza kann sich nicht entscheiden, ob er sich von seiner ehrlichen, zutiefst intimen oder von der dämlichen, oberflächlichen Macho-Seite zeigen will. Im Endeffekt hat er beides gemacht. Wäre eins davon wirklich besser gewesen? Ja: Sich auf ersteres zu beschränken. Das Album und auch Bozza selbst haben wirklich Potenzial. Schade, dass er das durch das künstlich erzeugte Bad Boy-Image in manchen Songs so kaputt gemacht hat. So lässt mich das Album am Ende auch nur ein bisschen glücklich und ein bisschen unzufrieden zurück.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Immer Wenn Die Sonne Scheint
  3. 3. Allein
  4. 4. Eros Center
  5. 5. Elbe
  6. 6. Dreckige Hände
  7. 7. Stripper Money
  8. 8. Ich Seh Dich
  9. 9. Wie Lang Geht Es Gut
  10. 10. Grey Goose
  11. 11. Probleme
  12. 12. Stadtbekannt
  13. 13. So Weit Weg
  14. 14. Lila Tränen
  15. 15. Outro

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