laut.de-Kritik

Detroits neue Beat-Generation kommt aus Wien.

Review von

Als junger Heranwachsender gab es für mich wenig größere kulinarische Freuden als das allwöchentliche Reste-Essen. Der zusammengewürfelte Mischmasch aus allem, was an den vorangegangenen Tagen übrig geblieben war, sagte mir dabei so zu, dass ich oftmals auch ausgewählte Schulfreunde an meinem persönlichen Festessen teilhaben lassen wollte.

Meiner Mutter waren die Mitesser stets sichtlich unangenehm. Offensichtlich fürchtete sie harsche Kritik an ihrem Kochtalent. Für mich war das völlig unverständlich. Denn wieso sollte ein Mix aus schmackhaften Gerichten, nicht mindestens genauso gut wie die Zutaten selbst schmecken?

Nun ist es nicht verwunderlich, dass man sich als Schreiberling bei einer Metapher aus dem Essensbereich bedient, wenn ein Künstler seine Platte nach einem kreolischen Eintopf benennt. Umso mehr macht die einleitende Metapher Sinn, denn der Wiener Beatbastler mischt gutes Gegebenes (Soul der Sechziger und Siebziger, New Wave und KORG-Spielereien) zu einer neuen, nicht minder befriedigenden Melange zusammen.

Dass tatsächlich aber irgendwann die Instrumentalplatte eines Wiener Hip Hop-Produzenten kulinarische Kindheitserinnerungen in mir wecken könnte, hätte ich mir nicht träumen lassen. Zumal sich Branko Jordanovic, besser bekannt als Brenk, mit "Gumbo" tatsächlich auf Augenhöhe mit meinen musikalischen Helden J Dilla und Madlib trifft.

Klar erfindet der österreichische Mittzwanziger hier auf 40 (!) Tracks und Skits das Rad nicht neu. Natürlich orientiert er sich ganz eindeutig an Dillas "Donuts" und Madlibs "Beat Konducta"-Reihe. Aber mal ganz ehrlich: Tut das irgendwas zur Sache, wenn hier eine Beat-Skizze nach der anderen danach klingt, als hätte Dillas Geist ein kleines Homestudio in Wien Kaisermühlen vom Himmel herab gesegnet?

In liebevoller Kleinarbeit hat Brenk hier Samples gechoppt und ineinander gefrickelt, durch diverse Plug-Ins gejagt und selbst am KORG-Gerät Hand angelegt, um auf guten 65 Minuten mal eben zu zeigen, dass Detroits neue Beat-Generation in der alpenländischen Hauptstadt zu finden ist.

Hier reihen sich an knarzende Soul-Samples, schnöde Bassläufe mitsamt Hildegard Knef-Zitat ("Don't Stop"). Nebulöse Synthiefetzen wabern sich um klassische Drumläufe, auf denen schließlich noch KRS-Ones "Woop Woop"-Polizeiruf vorbeinebelt ("Raw Shit"). Androide Schmacht-Keyboards paaren sich liebevoll mit einem wunderbar unexakt gesetzten Bumm und Tschack ("Ole Woam") und lassen sich von einer entspannten 9th Wonder-Allegorie ablösen, die musikalisch im Endlevel der Super Mario Game Boy-Version endet.

Wenn schließlich ausgefranste Waber-Drums auf Comic-artigen Weltretter-Soundtrack trifft ("Cavemans Sunrise"), sollte klar sein, dass dieses Sample-Tohuwabohu mit viel Liebe zum Detail zusammen geschnipselt wurde. Aber eben nicht bis hin zum sterilen Perfektionismus. Denn selbstredend lebt auch "Gumbo" von sympathischem Vinyl-Knacken und nicht auf die Millisekunde gestutzten Percussion-Bausteinen.

Sowieso kann es auch im Hause Brenk recht brachial zugehen, wenn etwa eine Angst-einflössende Streicher-Armee über einen drückenden Beat herfällt ("M.O.T.U."). Bei klaustrophobischen Drohgebärden, wie dem walzenden "Wolfes" oder dem Kuhglocken-/Synthie-Bastard "Strip Club" wartet man eigentlich nur noch darauf, dass Guilty Simpson um die Ecke kommt und den Track mit seinem Battle-Bass niederreißt.

Wobei. Wer braucht hier überhaupt noch Raps? Übergänge und Skits sind so passend gesetzt, dass "Gumbo" als reines Beat-Tape in sich mehr als stimmig ist. Oder wie man ganztägig in Österreich so schön sagt: Mahlzeit!

Trackliste

  1. 1. Intro (Try It You'll Like It)
  2. 2. Don't Stop
  3. 3. You Know
  4. 4. Every Time
  5. 5. Step Up
  6. 6. Raw Shhh
  7. 7. Orbitus
  8. 8. Ole Woam (LaWiszAs)
  9. 9. Interlude 1
  10. 10. Auuu / Imagine
  11. 11. Make It Raw
  12. 12. Cavemans Sunrise
  13. 13. Interlude 2
  14. 14. ??? Movie Scene 1
  15. 15. Lovesoundz
  16. 16. Magis
  17. 17. Hey Love
  18. 18. Interlude 3
  19. 19. Dirtwood
  20. 20. M.O.T.U
  21. 21. Fresh Air
  22. 22. 4 A Million
  23. 23. Extra Clip Movie Scene 2
  24. 24. Chiba Beauty
  25. 25. Black Sky Movie Scene 3
  26. 26. Wolves
  27. 27. If I
  28. 28. Interlude 4
  29. 29. Really
  30. 30. I Love This Shit
  31. 31. No Place 2 Go
  32. 32. So Lil Time
  33. 33. Aaaaah
  34. 34. Endtro
  35. 35. I See
  36. 36. Strip Club
  37. 37. Fingah (Middle)
  38. 38. Ciddy
  39. 39. Aw Yeah
  40. 40. Outro

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