laut.de-Kritik
Die Zeichen stehen auf Abschied.
Review von Sven KabelitzBis heute gibt es 55 offizielle Beach Boys-Compilations. Fast doppelt so viele wie Studioalben. Nach einem kurzen Blick auf die Streamingdienste kommen noch ca. 409 inoffizielle hinzu. Tendenz wöchentlich steigend. Bis zum 22. September 2017 stand Brian Wilsons-Best Of-Zähler auf null. Nun erscheint mit "Playback: The Brian Wilson Anthology" die erste Songsammlung des Pop-Genies.
Zeitgleich stehen die Zeichen zunehmend auf Abschied. Die momentan laufende Tour trägt den Namen "Pet Sounds: The Final Performances". Das letzte Beach Boys-Album "That's Why God Made The Radio" ("Summer's Gone") und Wilsons "No Pier Pressure" ("The Last Song") endeten mit einem melancholischen Rückblick auf das Leben. Gleich zwei mal fällt der Vorhang final für eine Legende.
Die von David Wild verfassten Liner-Notes des Longplayers enden folgerichtig mit dem Satz: "In the end, 'Playback: The Brian Wilson Anthology' is testament to the fact that after all he's come through and all he's given us through his liefetime in music, Brian Wilson actually was made for these times."
Die Zusammenstellung erweist sich als knifflig. Von den wenigen veröffentlichten Singles schaffen es nur "Love And Mercy" und "Melt Away" über die Zielgerade. Das einnehmende "Your Imagination" fällt ebenso unter den Tisch wie die komplette Van Dyke Parks-Koop "Orange Crate Art". Mit "Midnight's Another Day" vertritt gerade mal ein "That Lucky Old Sun"-Stück eines seiner besten Solowerke. Es hätte dort bessere Tracks gegeben. Vom enttäuschenden "No Pier Pressure" sucht man sich anstatt "The Last Song" ausgerechnet den Lückenfüller "One Kind Of Love" aus. Den Disney-Schmu "Colors Of The Wind" aus "Pocahontas" hätte es, ebenso wie das gesamte "In The Key Of Disney", bereits 2011 nicht gebraucht.
Mit vier Liedern bekommt das 1988 noch während der leidlichen Landy-Jahren veröffentlichte "Brian Wilson" den meisten Platz eingeräumt. Zwar stehen den Songs teilweise die sterile 1980er-Produktion und deplatzierte Synthesizer im Weg, aber gerade das ausufernde "Rio Grande" und das wundervolle "Love And Mercy", nach dem Bill Pohlad seine Filmbiografie benannte, gehören zu den Highlights seiner Solokarriere.
Die mit Van Dyke Parks geschriebenen, aus dem einst gescheiterten und 2004 in Form gebrachte "Smile" stammenden "Surf's Up" und "Heroes And Villains" sind über jeden Zweifel erhaben. 1998 übernimmt der kurz darauf an Lungenkrebs und einem Gehirntumor gestorbene Carl Wilson, die vollkommenste Stimme der Beach Boys, den Gesang im schwelgerischen "Lay Down Burden". Sechs Jahre später vollendete Brian für "Gettin' In Over My Head" Carls "Soul Searchin'"-Gesangsspur. Eine letzte Verbeugung vor seinem Bruder.
Wie für eine Compilation üblich findet sich auch auf "Playback: The Brian Wilson Anthology" ein Kaufanreiz, hier in Form von zwei bisher unveröffentlichten Songs. Während "Some Sweet Day" nicht weiter auffällt und sich schmerzfrei ins Gesamtbild fügt, geht der reichlich kraftlose Surf-Rock "Run James Run" gehörig daneben. Ein unrühmlicher Abschluss für eine gute Rückschau auf Brian Wilsons Arbeit abseits der Beach Boys, die noch Luft nach oben lässt.
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