laut.de-Biographie
Brother Ali
"Als MC liegt es in meiner Verantwortung, nicht die Zeit meiner Hörer zu verschwenden, um Hip Hop einen kleinen Teil dessen zurück zu geben, was er mir gegeben hat. Meine Pflicht als Künstler besteht darin, die beste Kunst zu liefern, derer ich fähig bin."
Solche Statements, wie sie Brother Ali im Gespräch mit formatmag.com abgibt, hört man gerne öfter im zu häufig doch recht oberflächlichen Rap-Game.
Jason Newman kommt in Madison in Wisconsin zur Welt. Lange hält es die Familie hier aber nicht aus - wie auch sonst nirgends. "Wir sind so gut wie jedes Jahr umgezogen quer durch Michigan", erinnert sich Jason. Für ihn und seinen vier Jahre jüngeren Bruder bedeutet das: jedes Jahr eine neue Umgebung, eine neue Schule, neue Mitschüler.
Unter der Unbeständigkeit hat Jason besonders zu leiden. Er ist Albino, verträgt die Sonne nicht, ist schwer sehbehindert, nicht gerade zerbrechlich gebaut, immer "der Neue" und so stetig den Hänseleien seiner Altersgenossen ausgesetzt. "Wenn man aufwächst und so aussieht wie ich, hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man stärkt irgendwie sein Selbstbewusstsein oder man wirft sich vor den nächstbesten Bus."
Der Bus kommt nicht in Frage. Jason findet sein Heil im Hip Hop. Während sich sein Bruder draußen herum treibt, hockt er im dunklen Zimmer und hört Rapmusik. Bei einer Schulaufführung in der ersten Klasse zeigt er eine Breakdance-Nummer, im Jahr darauf rappt er bei einer ähnlichen Gelegenheit Whodinis "One Love".
Mit sechs Jahren tritt er gemeinsam mit seinem Großvater, der nach seiner Journalistenlaufbahn eine Ausbildung zum Clown absolvierte, auf. Der Legende nach schreckt der Achtjährige auch bei der Beisetzung der Großmutter nicht davor zurück, sich das nach dem Abgang der Trauerredner verwaiste Mikro zu schnappen.
Bald schreibt Jason an eigenen Texten. "Hip Hop wurde zu meiner Methode, mir Respekt zu verschaffen. Ich hab' mir in jeder neuen Klasse die Rapper gesucht, mit denen gebattlet, Crews gegründet ... solche Sachen eben." Mobbing und Prügeleien bleiben dennoch nicht aus: Die Geschichte einer noch nach Jahren gut sichtbaren Narbe am Kopf erzählt er 2003 in "Win Some Lose Some".
1992, Jason ist inzwischen 15 Jahre alt, verschlägt es die Familie nach Minneapolis, Minnesota. Kurz darauf lassen sich die Eltern scheiden. Der Älteste, der trotz seiner christlichen Erziehung mittlerweile den muslimischen Glauben für sich entdeckt hat, zieht wenig später zu Hause aus.
Jason konvertiert zum Islam und ändert seinen Namen in Ali Newman, Brother Ali. Als er seinen Highschool-Abschluss in der Tasche hat, ist er bereits verheiratet und bekommt einen Sohn.
"Mitte, Ende der 90er war ich eigentlich nur noch gelangweilt von dem, was Hip Hop aktuell zu bieten hatte", erinnert sich Ali. "Alles klang gleich, niemand ließ sich etwas halbwegs Originelles einfallen." Dieser Eindruck ändert sich schlagartig, als er über einen Arbeitskollegen ein Tape aus dem Hause Rhymesayers in die Finger bekommt.
Slug und Eyedea, zwei Vertreter des ortsansässigen Labels, absolvieren 1998 einen Auftritt in der wöchentlichen Hip Hop-Sendung im Radio, als Ali ins Studio platzt und beiden sein selbstproduziertes Demotape aufnötigt. Man versteht sich auf Anhieb. Brandon Kelly alias BK-One, Co-Host der Show, begleitet Brother Ali später als DJ.
Auch mit Anthony 'Ant' Davis stimmt die Chemie. Brother Ali wird in der Rhymesayers-Gemeinde mit offenen Armen aufgenommen. Seine im Alleingang zusammen gebastelte EP "Rites Of Passage", eine Sammlung von Reimen, Gedichten, Geschichten und Beats, erscheint 2000 - allerdings lediglich im Tape-Format.
Gemeinsam mit Ant nimmt Brother Ali die Arbeit an seinem ersten Album auf. 2003 erscheint "Shadows On The Sun", im Jahr darauf die EP "Champion". Die Begeisterung der Kritiker schlägt hohe Wellen. "Wenn Ali rappt, kann ich nichts anderes tun als dasitzen und meine Anlage anstarren, überfahren von den rohen Emotionen und den trickreichen Wortspielen", ergeht man sich selbst bei der anspruchsvollen Village Voice in Begeisterung.
Brother Ali begleitet Atmosphere auf deren "God Loves Ugly"-Tour, teilt sich die Bühnen darüber hinaus mit MF Doom, Murs, Brand Nubian und Rakim. Er bereist, meist in Begleitung von DJ BK-One, die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Europa, Südkorea und Japan, bespielt Clubs, Hallen und Festivals.
Persönliche Probleme sorgen dann jedoch für einen Einbruch in Brother Alis Produktivität. Seine Ehe geht in die Brüche. Kurzzeitig obdachlos erstreitet sich Ali mühsam das Sorgerecht für seinen Sohn. "Wie, glaubst du, fühlt es sich an, wenn nach zehn Jahren eine Ehe zerbricht? Wie fühlst du dich, wenn du einen sechsjährigen Jungen hast, der dein Ein und Alles bedeutet, und du ihm in die Augen schaust und ihm erklärst, dass du gerade sein Zuhause kaputt machst?" Stoff für Geschichten liefert das Leben allemal.
Gemeinsam mit seinem DJ meldet sich Brother Ali 2007, inzwischen zum zweiten Mal verheiratet, mit dem Mixtape "Off The Record" zurück. Das soll jedoch nicht alles gewesen sein: "Ich wollte ein Album machen, das dazu zwingt, zu fühlen, was ich damals fühlte. Ich habe in den letzten Jahren Entscheidungen getroffen, die eine Menge Schwierigkeiten nach sich gezogen haben. Ant und ich haben Musik geschrieben, die die Stimmung dieser Situationen genau wiedergibt. Das, nichts anderes, ist 'The Undisputed Truth'."
Gegenüber formatmag.com führt er aus: "Ich habe mein Herz und mein Leben in diesen Scheiß gesteckt. Den wenigen Leuten, die wirklich einen Draht zu dem haben, was ich sage, denen möchte ich nichts anderes bieten als größtmögliche Realität." Davor, sich angreifbar zu machen, hat Brother Ali keine Angst: "Nur einmal habe ich einige persönliche Informationen über meinen Sohn wieder gestrichen. Er kann schließlich nichts dafür, dass sein Daddy eine große Klappe hat."
Sämtliche Singles aus "The Undisputed Truth" verkaufen sich für Untergrund-Rap-Verhältnisse blendend. Die dritte Auskopplung "Take Me Home" rotiert ausgiebig bei MTV. 2008 begibt sich Brother Ali gemeinsam mit den Kollegen von Atmosphere und deren Album "When Life Gives You Lemons, You Paint That Shit Gold" wieder auf Tour, die ihn auch nach Europa führt.
Rhymesayers-Kollege Slug ist bei der im Frühjahr 2009 erscheinenden EP samt DVD "The Truth Is Here" einmal mehr mit von der Partie. Das Paket bildet allerdings erst den Auftakt: Brother Alis neues Album "Us" erscheint im September.
Brother Ali gibt den Geschichtenerzähler, der das Leben eines (fast) ganz normalen Menschen zwischen Angst, Liebe, Frustration und Freude lebt. Wenn es einen alternativen Underground gibt, dann ist dieser Ali sein Messias.
3 Kommentare mit 11 Antworten
Papa Django!
Danke für den Hinweis auf das aktuelle Brother Ali Album "All the Beauty in this whole_Life"! Jetzt 2 Tage gehört, erwartungsgemäß högschte Quali und fast über die gesamte Länge sehr warm und entspannt. Brother Ali ist sowas von ein Guter, ey!
laut.de, ich erwarte eine Review.
Absolut, sehr organischer Sound und ein entspannter Ali. Jeglicher Hate defintiv unangebracht und haltlos.
Push.
Einige male durchgelaufen mittlerweile, absolute Empfehlung. Nochmal smoother und geerdeter als zuvor.
ist der nicht bei egj?
hach, hätte er sich doch für den bus entschieden ...
Whut, findest Du den so schlimm? Im Ernst?
ka, aber jeder der die wahl zwischen rap und bus hat, und sich dann nicht für letzteres entscheidet, kann geistig nicht ganz auf der höhe sein
sein äußeres unterstützt dabei übrigens noch meine these!
Ach so meinst Du das. Naja... er hat sein Schicksal angenommen und m.E. sehr gute Platten mit tollen Texten (die sind auf Englisch, musste Craze mir alle übersetzen..) und sehr geilem Flow und Soul-Vibes aufgenommen.
Push it real good! Kommt noch ne Rezi?
Eines der Top-Alben dieses Jahr! Stellenweise erinnert mich Alis Flow in Kombination mit den großartigen souligen Beats an den jungen Kanye zu College Dropout-Zeiten vong Vibe her, wobei Alis Lyrics natürlich weitaus deeper und die Beats weniger überfrachtet sind.
Lauti, mach mal Alarm!
Wat soll ich denn noch machen. Das Album ist übertrieben gut und entspannt - wer uns Genremovern das nicht glaubt und reinhört, dem ist nicht mehr zu helfen. Wenn laut.de keine Rezi schreibt, ist laut.de ein Portal mit Behinderung.
laut muss lieber Sachen wie Wandl und Nimo rezensieren...gibt mehr Klicks von Indie Hurensöhnen und kleinen Mustafas.
Album kommt grad im Shuffle rein, zeitlos top einfach!
Habt ihr eigtl mal überlegt euch zu treffen und so richtig abzulöffeln?