laut.de-Kritik
Großes Spätwerk mit Jagger, Richards und Jeff Beck.
Review von Ulf KubankeManchmal treffen Musik-Geschichte und -Gegenwart ungebremst aufeinander. Dieser Frühsommer 2018 ist solch ein Augenblick, in dem Gestern und Heute zu prallem Leben verschmelzen. Das Urgestein Buddy Guy schüttelt ganze 60 Jahre nach seiner ersten Platte mit "The Blues Is Alive And Well" noch einmal ein hervorragendes Ass aus dem Ärmel.
Ob Chuck Berry, Bo Diddley, John Lee Hooker, Muddy Waters, Howlin' Wolf, Etta James, Willie Dixon oder Little Walter: Keines der Mitglieder seiner legendären Chess-Records-Familie wandelt noch unter uns. Auch die heiligen drei Könige des Blues, Albert King, B.B. King und Freddie King, streiften ihre irdische Existenz längst ab. Mit Fug und Recht darf Buddy Guy sich als Last Man Standing der allerersten Garde bezeichnen.
Wenn so ein Altmeister mit dem Finger schnippt, gibt ihm keiner seiner Jünger einen Korb. Ohne Mr. Guy hätte es weder die Yardbirds noch die Rolling Stones je gegeben. Entsprechend devot eilen Jeff Beck, Mick Jagger und Keith Richards als optimale Erfüllungsgehilfen herbei. Der Clou: Mick singt nicht. Seit geraumer Zeit genießt er verdienten Respekt als herausragender Blues-Interpret auf der Mundharmonika. Auch hier greift er zu jenem Instrument, das Bayern und Österreicher tatsächlich Fotzhobel nennen.
Alle drei machen ihre Sache tadellos und erweisen Buddy die verdiente Ehre. Beck spielt so elegant wie er sich kleidet. Keith klingt wie immer leicht zerklüftet (gemeinsam in "Cognac" zu hören) und Mick setzt nuancierte Akzente jenseits sonstiger Frontman-Egozentrik ("You Did The Crime"). Der Rest des Teams kann sich ebenso hören lassen. Tom Hambridge (u.a. Johnny Winter, Joe Bonamassa) arbeitet längst als Haus- und Hofproduzent Buddy Guys. Am Songwriting beteiligt er sich hier neben Richard Flemming, der ebenfalls bereits mehrfach mit Guy komponierte.
Alle agieren großartig und wirken dennoch neben der noch immer urwüchsigen Strahlkraft dieses Chicago-Blues-Titans wie Wasserträger. Guys alterslose, sehr maskuline Präsenz rangiert stimmlich zwischen Laid Back-Gelassenheit und leidenschaftlichen Shouts. Besonders intensiv geraten leicht zurückgenommene Nachtblues-Nummern wie das Titelstück oder "Blue No More". Als ultimativer Höhepunkt groovt sich raumgreifend "Whiskey For Sale" ins Ohr und verweilt dort als Dauergast.
So gelingt Buddy Guy die Beweisführung zum Albumtitel spielend. Quicklebendig und mit der Lässigkeit eines mit allen Wassern gewaschenen Haudegens schenkt der Pionier aus Louisiana der Welt ein ästhetisches Glanzstück, das kein Blues-Fan verpassen sollte.
5 Kommentare
Tolle Scheibe. Kriegt bei mir 4 von 5 Sternen.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Gehört, genossen, gebluest. Der Meister hats noch drauf und den Blues in den Adern.
"Bayern und Österreicher tatsächlich Fotzenhobel nennen"
Zwei Sprüche!
Als Norddeutsche Dünensandkrabbe, klar das man sich da wundert und irgendwann hast du mir Sexismus vorgeworfen, also "to much" davon, ich finde das Wort geht garnicht in einem Review. Ich mein wohin mit der vielen Phantasie, bei so einem hartem Wort?
Stichwort: Hin und her, feuchte Mundöffnung, usw.
Mein Gott, der Mann ist hier 82 (!) Jahre alt... - und hat mehr Power als die Mehrzahl der Jungspunde! Bewegend, emotional und a lot of groove, dazu diese Wow-Gitarre. eine Perle seines Genres!