laut.de-Kritik

Die Umkehrung von gutem Deutschrap-Drama.

Review von

Was gerade bei Bushido passiert, ist reales Theater. Zehn Handlungsstränge, eine Hand voll Protagonisten, eine Menge Nebenplots und hundert Medien, die es transportieren. Wäre toll, wenn es etwas interessanter wäre. Wenn da mehr entstehen würde als Anwaltsschreiben und dubiose Dokumentationen ohne neue Erkenntnis. Wäre vor allem toll, wenn das der Grund für gute Musik wäre. Aber nichts da.

"CCN4" ist die Umkehrung von gutem Deutschrap-Drama. Statt belanglosem Beef, der zu qualitativem Song-Gossip hochgeschaukelt wird, gibt es ein Dutzend sterbenslangweiliger 32-Zeiler, für die man den Kontext haargenau kennen muss, um irgendetwas Interessantes daraus zu ziehen. Der vierte Ableger der legendären Reihe ist musikalisch öde, inhaltlich vage und so formelhaft, dass es schmerzt. Ach ja - Animus ist auch hier. Warum auch immer.

Der hat dafür aber auch die eine treffende Line auf dem ganzen Projekt: "Eure Alben klingen wie dreizehn Mal der selbe Song", rappt er auf "Unterste Schublade". Leg eins drauf, und er hätte die vierzehn Anspielstationen auf "CCN4" zusammengefasst.

Klar gibt es einen Sound, den die Marke CCN vorgibt. Aber die vor allem von Gorex produzierten Beats halten sich etwas zu getreu an die bewährte Formel. Filmsample, polterndes Drumkit, vielleicht ein zusätzliches Instrument in die Hook und fertig ist die Laube. Die Gleichförmigkeit von Klang nimmt im Laufe der Platte absurde Züge an, so dass man in den letzten Tracks wahrhafte Deja Vu-Momente mit den Samples erlebt und mit dem Gefühl zurückbleibt, jeder Song benutze die gleiche Snare. 

So monoton der Klang, so monoton der Aufbau: "CCN4" teilt die architektonische Kreativität einer Reihenhaussiedlung in der Sovietunion. Die Songs kommen so gleichförmig daher, dass man nach drei Songs beherzt die letzte Hook überspringt. Animus-Verse, Hook, Bushido-Verse, Hook, fertig. Bezeichnend, dass die musikalischen Aufhorcher eine DJ-Hook auf "Ghetto Electro" und stolze fünf Sekunden Gitarre auf "Epilog" sind. Aufhorcher, um es liberal zu nennen; es sind nämlich die wortwörtlich einzigen Momente der Platte, die aus dieser Formel auch nur ansatzweise ausbrechen. Der Rest ist vorhersehbar wie Wüstenwetter. Vorhersehbar wie Bushido-Vergleiche.

Womit wir auch schon beim Herzstück des Albums sind. Wenn wir es musikalisch schon mit 13 "Nur Ein Rapper"-Type Beats zu tun haben, müssen unsere beiden Protagonisten ja in die Bresche gesprungen sein, um das Album mit Charisma und Bars aus der Traufe zu hieven. Denkste. Nicht nur gibt es keine Lines, die ansatzweise konkret werden, stattdessen wissen Animus und Bu nicht einmal, wie die genaue Richtung von "CCN4" aussieht. Wird auf "Electro Ghetto", "Renegade" oder "Ronin" munter gedisst, gibt es dann wieder Songs, in denen sie sich für ihre musikalische Integrität und Message rühmen. Das Rapretter-Syndrom verschont wirklich niemanden. Alle denken sie, dass das Weglassen von Autotune mit deepen Lyrics gleichzusezten ist. Ist es nicht.

Nichts an diesem Album ist deep. Lyrisch finden die besten Momente statt, wenn ein Zweizeiler mal eine Goldader atmosphärischer Wortwahl erwischt und dabei einen soliden Reim aufbaut. Das mag alle drei Songs passieren, rechtfertigt aber das Ziellose Stochern im Phrasentopf auf dem Rest des Albums kein bisschen. Man verbringt auf "CCN4" so viel Zeit damit, uninteressanten Filler auf uninteressanten Beats in der immer gleichen Form abzusitzen, dass man sich bald nicht mehr entscheiden kann, ob die beiden Rapper kein interessantes Thema finden oder den interessanten Themen aktiv aus dem Weg gehen.

Fakt ist, dass Bushido selten so zahm klang und nicht zu wissen scheint, wofür dieses Album gut ist. Es ist kein Statement, kein Diss, keine Auseinandersetzung mit dem Elefanten im Raum. Aber es ist auch nicht deep, nicht musikalisch, nicht bildstark oder besonders atmosphärisch. Animus dagegen macht im Lauf des Albums nicht einmal den Versuch zu erklären, warum er überhaupt hier ist. Er sitzt auf dem Beifahrersitz, während Bushido im Autopilot fährt. Und da nichts besseres dargeboten wurde, ist meine Theorie: Animus ist da, weil dieses Album allein zu recorden Bushido zu Tode gelangweilt hätte.

Man spürt diesem Projekt die Häuser des Nikolauses an, die an die Textblattränder gemalt wurden. Man spürt die Kugelschreiber, deren Klickgeräusch das Highlight des Recording-Tages war. Man spürt vor allem das schleppende Ticken der Uhr im Studio. 

Trackliste

  1. 1. Ronin (Interlude)
  2. 2. Ronin
  3. 3. Blutiger Pfad
  4. 4. Comer See
  5. 5. Okzident
  6. 6. Gesegnet
  7. 7. Sonny Black (Interlude)
  8. 8. Lichter Der Stadt
  9. 9. Ghetto Electro
  10. 10. Unterste Schublade
  11. 11. Renegade
  12. 12. Prinzipien
  13. 13. Sternstaub
  14. 14. Epilog

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