laut.de-Kritik

Ein letzter Sommer mit Philippe Zdar.

Review von

Die Zeit und ihre merkwürdigen Spiele. Phillipe Zdar von Cassius verstarb einen Tag, bevor das von ihm mitproduzierte neue Hot Chip-Album "A Bath Full Of Ecstasy" das Licht der Welt erblickte. Der French-House Klassiker des Duos, "1999", feierte dieses Jahr Jubiläum. Hits wie "Feeling For You" gelangen Cassius in den Nullerjahren zwar nicht mehr, dafür war Zdar ein sehr gefragter Produzent, der (sic!) 2009 "Wolfgang Amadeus Phoenix" von Phoenix maßgeblich beeinflusste: Die Platte, die just (natürlich) 10-Jähriges feierte, holte damals einen Grammy.

Alle Zyklen sind nun Geschichte, und der Verlust legt einen Schatten über das neue und letzte Cassius-Album "Dreems", das mit "Summer" so unbeschwert startet und unangestrengt einen Beat über einen lauen Sommerabend legt. Wunderbar französisch elegant gleiten die Songs ineinander. DJ Phillipe Zdar wusste, wie er ein Publikum langsam an den Punkt brachte, an dem es losließ und endgültig in den Groove abtauchte.

Erst ab Track vier zieht das Tempo an, und mit "Fame" geht es noch mal back to the roots zu dem Sound der End-90er, der Cassius vor 20 Jahren so erfolgreich machte: Funk-Samples, Neo-Disco und pumpender Deep House. Der Track war bereits auf einer Ed Banger-Compilation zu hören. Das Label hatte schon ein anderes, kreatives Aushängeschild, DJ Mehdi, durch einen tödlichen Sturz verloren.

Den Menschen Philippe Cerboneschi kann man nicht mehr zurückholen, aber die Seele des Franzosen ist auf "Dreems" deutlich zu hören. Im Vergleich zu den lauten French House-Kollegen Justice oder Daft Punk war sein Sound schon immer charmanter und weniger maskulin. Der trancehousige Titelsong "Dreems" ist schlichtweg dafür gemacht, in einen angenehmen Zustand zu versetzen: Augen schließen, und die Zehen in den imaginären Mittelmeer-Strand vergraben. Der ultimative Sommernachts-Partytraum, eine sechsminütige Downbeat-Ode an das Wohlgefühl der warmen Jahreszeit.

Cassius lassen ihr Album nicht in Beiläufigkeit dahin plätschern: Unter der Soundfläche brodelt das Leben, das sich auch seinen Weg bahnt. Die Electro-Folk-Sängerin Owlle, auf drei Songs vertreten, fügt sich mit ihrer ruhigen Stimme wie selbstverständlich in das Konzept ein. Genauso Mike D. von den Beastie Boys und The Rapture-Sänger Luke Jenner. Beide heben ihre Stimme ansonsten gerne mal bis zum Anschlag, fallen aber - und das ist ein Kompliment - nicht exponiert auf.

Philippe Zdar hat mit seinem Partner Hubert 'Boom Bass' Blanc-Francard vor seinem Tod das beste Cassius-Album seit "1999" vorgelegt, den Soundtrack für eine gute, unbeschwerte Zeit. Mike D brachte die ganze Verzweiflung in seinem berührenden Facebook-Statement am Ende mit einem schlichten Satz auf den Punkt: "Ich kann nicht glauben, dass ich dich diesen Sommer nicht sehen werde".

Trackliste

  1. 1. Summer
  2. 2. Nothing About You (feat. John Gourley)
  3. 3. Vedra
  4. 4. Fame
  5. 5. Don't Let Me Be
  6. 6. Chuffed
  7. 7. Rock Non Stop
  8. 8. Cause Oui! (feat. Mike D)
  9. 9. Dreems (feat. Owlle, Luke Jenner & Joe Rogers)
  10. 10. Calliope
  11. 11. Walking In The Sunshine (feat. Owlle)
  12. 12. Dreems (Continuous Mix)

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