laut.de-Kritik
Auf Kickdown in die Vergangenheit.
Review von Frieder Haag"Mietwagentape 2" also. Zehn Jahre nach dem ersten Mietwagentape und sechs Monate nach der ersten Single erscheint jetzt der aus dem Herbst verschobene Nachfolger. Es war ein langes Warten, und als dann immer mehr Singles veröffentlicht wurden, zeigte meine Vorfreude einige Durchhänger. Noch ein Feature, noch ein Track, aber wo bleibt denn jetzt das Album - und gibt das dann überhaupt noch was her?
Kurz: Ja.
Lang: Teil 2 des Mietwagentapes wagt keine allzu großen Experimente. Die Rapper setzen auf ihr bewährtes Konzept von zerhacktem Deutsch, schnellen Beats und Geschichten aus Frankfurt-Bornheim. Dabei immer markant: Die beiden kennen und lieben ihre Welt, wissen jedoch auch um ihre Probleme - und nehmen sich grundsätzlich nicht so ernst.
Celo und Abdi erzählen immer noch von Drogendeals, dem damit einhergehenden Risiko und den Möglichkeiten, die Geld so bietet. Dabei verfallen sie aber, anders als viele Kollegen, selten in den genredefinierenden Protz-Modus. Auch, und das ist wichtig, liefern die beiden Straßenrap ohne unangenehme Zeilen, aber auch ohne dabei irgendwie verkrampft zu wirken. Sie müssen keine Frauen beleidigen oder ihre Männlichkeit übertrieben darstellen, um jederzeit real zu wirken. Was beispielsweise bei der 187 Strassenbande die Experience versaut, fehlt hier einfach komplett. Die oft zitierte Sympathie der beiden zieht sich durch ihre Musik, keine Frage.
Das zweite Mietwagentape stellt einen Nachfolger im bestmöglichen Sinne da. Mit der Vorlage in der Hand schaffen die beiden ein Denkmal an ihren Erstling, ohne dabei aus der Zeit zu fallen. Durch unzählige Zitate und Referenzen - deren Beschreibung den Rahmen dieser Review sprengen würde - sind findige Hörer*innen dazu angehalten, sich auf Spurensuche zu begeben. Ein kleiner Anfang: Die Laufzeit stimmt überein, die Anzahl an Tracks auch. Fast jeder Song nimmt Bezug zu einem Lied auf dem ersten Album, oft sogar zur jeweils gleichen Titelnummer. "Ta Geule" wird auf "Hinsetzen Anschnallen" zitiert, "Firestarter" auf "Mietwaagendisplays", "Meine Stadt" auf "IBB", die Liste geht weiter.
Und doch funktioniert die Musik, ohne jede Line in Kontext setzten zu müssen. Die Texte über Drogengeschäfte im ganz großen Stil mögen wenig innovativ sein, unterhaltsam sind sie allemal. Abdi und insbesondere Celo würfeln munter Begriffe, eine Assoziation jagt die nächste. Weggefährte Haftbefehl hat diesen Stil, gepaart mit seiner waghalsigen Aussprache, weit über Offenbach hinaus bekannt gemacht, doch Celo und Abdi sorgen mit ihrem Stichwort-Rap für eine ganz eigene Atmosphäre. Als Beispiel sei hier nur der Opener "HYZ!" genannt, der - natürlich - schon im Titel Bosnisch und Arabisch mischt.
Leider fehlt dem Album eben durch seine Qualitäten als konsequenter zweiter Teil an manchen Stellen die Würze. Ist in den ersten Titeln noch so etwas wie ein Konzept zu erkennen, gerät die zweite Hälfte zu einer bunten Mischung aus Featuregästen, soliden Beats und witzigen One-Linern. Das Erbe hängt ihnen hier zu sehr im Nacken, als dass eine wirkliche Innovation passiert. Klar, "Mixtape" steht sogar im Titel, und doch stört die streckenweise Belanglosigkeit über die stolze Laufzeit.
Apropos Zeit: Die geht auch an Celo und Abdi nicht spurlos vorbei. War der Boxenstopp auf dem Weg Richtung Amsterdam auf MWT 1 noch von Kokain geprägt, holt man sich mittlerweile lieber einen Kaffee und was zu essen. Wer kann es ihnen verübeln? Auf dem letzten Titel, "Hawai Tropical", dreht sich noch einmal alles um wilde Nächte. Doch auch hier gilt: "Die allergrößte Droge ist Liebe."
Die Feature-Liste liest sich wie eine Labelbeschreibung von 385idéal. Nimo, Olexesh, Krime und Schubi AKpella machen alle mit, außerdem noch Bonez MC, Gringo, Ngee, Hanybal und Azad. Besonders spannend geraten die Features selten, lediglich Gringo gibt "Di Di" einen besonderen Twist. Olexesh und Hanybal machen ihren Job nicht schlecht, rappen können sowieso alle, viel mehr geben die Gäste aber nicht her.
"IBB", kurz für Ignaz-Bubis-Brücke, war die erste Single und steht Pate für den Großteil des Albums. Schnell, direkt, "keine 08/15-Mutterwitze". Auf einem dunkel grummelden M3-Beat heizen Celo und Abdi durch die Nacht. Jeder Gedanke an altgewordene Rapper verschwindet, wenn Abdi mühelos durch seinen Zungenbrecher-Part flowt.
"Brother, guck wo ma wir jetzt sind,
Mokassins von Red Wing,
Boxerschnitt wie Häftling,
Wodka-Mische, exen, Action endlich."
Dann Celo:
"Was laberst du von Horkheimer, Adorno,
Frankfurter Schule kommt aus Bornheim und Goldstone."
Adorno als prominenter Gegner der Populärmusik dreht sich im Grab um, und doch lässt sich der kulturelle Einfluss von Hip Hop schwer leugnen. Inhaltlich hapert es noch etwas, um mit den Frankfurter Philosophen mithalten zu können, aber die Richtung stimmt.
Abgesehen davon zeigt MWT2 vor allem eins: Hier haben zwei Liebhaber die Gelegenheit ergriffen, ein Werk für Liebhaber*innen zu schaffen. Durchtränkt von Selbstreferenzen und mit dem Ziel, an ihren Durchbruch anzuknüpfen, schaffen die beiden ein klassisches Hip Hop-Album, das in dieser Form nur noch selten erscheint. Fast jeder Song klingt nach Freude an Musik, an einer klugen Line, an einem absurden Reim.
Es ist wohl nur fair, dass Celo und Abdi nicht so tun, also würden sie sich ihre ökonomischen Probleme von der Seele rappen oder sich mit Coming-Of-Age-Geschichten beschäftigen. Wer die beiden in den letzten Jahren auch nur entfernt verfolgt hat, weiß, dass sie Spaß an ihrer Arbeit haben, den sie mit "Mietwagentape 2" direkt weitergeben.
8 Kommentare mit 7 Antworten
Finde ich eine sehr treffende Rezension.
Beim ersten Durchhören sehr schön unterhalten und an früher erinnert gefühlt. Auch wenn es glaube ich ähnlich wie die sonstigen letzten C&A releases nicht unendlich oft laufen wird. Im Gegensatz zum ersten MWT.
Schon allein die Features sind gute Parameter für den Peinlichkeitsgrad dieser Mucke...
Quatsch nicht.
Tu ich nicht, ich schreibe. Quatsch lieber, liegt dir mehr.
Tracks wie Machu Picchu oder IBB kann ich mir praktisch pausenlos in Dauerschleife geben, sonst leidet das Ding aber an den gleichen Schwächen wie der erste Teil: zu viele wacke No-Name-Features, zu viele pseudodeepe Gehversuche und halt die Tatsache, dass man die größten Banger schon vorab veröffentlicht hat. Trotzdem das erste D-Rap-Album seit bestimmt eineinhalb Jahren, bei dem ich das Bedürfnis hatte, es mehr als einmal zu hören. Dafür 3/5.
Macht Spaß, geht nach vorne, die Beats knallen, Abdi flowt brutal, die zwei sind sympathisch, Lines sind witzig, hatte befürchtet die besten Sachen kamen vorab, aber ist nicht so: Machu Pichu (kein plan wie man das schreibt, Franzaforte2, Hawaii Tropical hätten genauso gut Singles sein können. Und der Rest auch oberes Mittelfeld. Bin mehr als zufrieden mit dem Teil.
geiles Ding. Schubi AKpella sollte aber schleunigst das Rappen aufgeben.
Definitiv. Und Krime Mal zurückkehren zu seinen ersten Tracks. Den Move die Heimatstadt sofort zu verlassen verstehe ich eh nicht. So verliert man lokales Publikum und geht nur im unübersichtlichen Haufen Frankfurter Straßenkanacken unterm
Gute Rezi aber dieser Gender* nervt. Den braucht man in dem Kontext eh nicht da keine Frau jemals diese Review lesen wird.
Daniel, hier spricht deine Mutter! Reiß dich zusammen, ich freue mich über das Sternchen in der Rezension und MWT2 ist auch übelst lit!