laut.de-Biographie
Chet Baker
Chet Baker wurde als Chesney Henry Baker Jr. am 23. Dezember 1929 in Yale, Oklahoma geboren. Sein Vater war ebenfalls Musiker und spielte Gitarre in einer Country- und Western-Band. Die ersten zehn Jahre verlebte Chet im behüteten Yale. Seine Mutter Vera zerrte den kleinen Jungen zu diversen Talentwettbewerben und zwang ihn, sonntags regelmäßig im Kirchenchor zu singen. Während der Rezession in Amerika wurde es auch für Chets Vater nicht einfach, Arbeit zu finden. Die Familie zog 1940 ins gelobte Land mit Namen Kalifornien, genauer nach Glendale, wo Chesney Baker Sr. einen Job gefunden hatte.
An seinem 13. Geburtstag überraschte ihn sein Vater mit einer Posaune. Chets Knabenstatur war aber noch nicht kräftig genug für dieses riesige Instrument und so tauschte sein Vater die Posaune bald in eine Trompete um. Chet begann eifrig zu üben und spielte in der High School Band mit. Er interessierte sich dabei weniger für den Musikunterricht und spielte vorwiegend nach Gehör.
1946 unterzeichneten seine Eltern die Papiere, die es ihm ermöglichten, der Armee als Freiwilliger beizutreten. Kurze Zeit später fand sich Chet als Trompeter in der Band der 298ten Armee in West-Berlin wieder. Nach seiner Entlassung aus der Armee im Jahre 1948 schrieb er sich am El Camino College von Los Angeles ein, wo er anderthalb Jahre lang Harmonielehre und Musiktheorie studierte. Sein Studium finanzierte er in dieser Zeit mit Auftritten in diversen Jazzclubs in L.A. 1950 meldete er sich wieder freiwillig für den Militärdienst und wurde Mitglied in der Band der 6ten Armee im Presidio in San Francisco. Er übte Tag und Nacht und feilte eifrig an seinem Stil. Gleichzeitig sah man ihn Abends in der Stadt in Jazzclubs abhängen, wo er wohl seinen Entschluss, professioneller Musiker zu werden, endgültig fasste. Nach etwa anderthalb Jahren Militärdienst beklagte er sich beim Stabsarzt über psychische Beschwerden und wurde aufgrund dessen wegen Untauglichkeit ehrenhaft entlassen.
Chet kehrte nach Los Angeles zurück, um als Musiker zu arbeiten und spielte nun zusammen mit Stan Getz und in Vido Musso's Band. Seine erste Plattenaufnahme kann auf den 24. März 1952 zurückdatiert werden, als eine Jam Session auf Band gebannt wurde und auf Fresh Sound Records als "Live At The Trade Winds" erschien. Zu dieser Zeit erhielt er auch das schicksalhafte Telegramm vom Chef der World Pacific Records Dick Bock. Er vermeldete, das Charlie "Bird" Parker einen neuen Trompeter suche und im Tiffany Club ein Vorspielen stattfände. Jeder Trompeter aus Los Angeles war vor Ort, aber nachdem Chet die Bühne mit seiner Trompete illuminierte, wurden alle anderen heimgeschickt und Chet war für eine Tour durch Kanada und die Westküste der USA engagiert.
Auch der berühmte Baritonsaxophonist Gerry Mulligan wurde damals auf den jungen Chet aufmerksam. Er war gerade dabei das Gerry Mulligan Quartet zu gründen und heuerte Chet als Trompeter an. Die Gruppe wurde schnell durch ihre eigenwillige Zusammenstellung (Bariton-Saxophon, Trompete, Bass und Drums) und ihre gefeierten Auftritte im Nachtclub "The Haig" bekannt und es folgten einige Plattenaufnahmen bei Pacific Records und Galaxy Records. Darunter auch die 10" LP "Gerry Mulligan Quartet", die Chet Bakers wohl berühmteste Darbietung "My Funny Valentine" enthielt. Im Dezember 1952 geriet Chet erstmals mit dem Gesetz wegen Drogenbesitzes in Konflikt. 1953 wurde auch Gerry Mulligan wegen Drogendelikten verhaftet und zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Chet trennte sich von Gerry und die beiden kamen nie wieder als Quartet zusammen. Chet hatte derzeit aber genug Auftrieb, um als Bandleader zusammen mit Russ Freeman am Klavier, Red Mitchell am Bass und Bobby White am Schlagzeug sein eigenes Quartet auf die Beine zu stellen. Die Gruppe wurde sehr erfolgreich und Chet begann verstärkt auch Gesangsaufnahmen zu machen. Seine Popularität wuchs und er gewann einige Awards auf den Gebieten Gesang und Trompete.
Chet prägte in dieser Ära seinen eigentümlichen Stil. Er beherrschte seine Stimme im gleichen Maße, wie sein Instrument, die zwei gingen Hand in Hand. Mit beiden ging er immer äußerst gefühlvoll um, war subtil, entspannt, elegant und poetisch. Auf Fotos sah man ihn des öfteren seine Trompete liebkosen wie eine zerbrechliche Geliebte. Und so spielte er sie auch. Dabei wahrte er trotz seiner ausschweifenden Exzesse immer die Form und seine Songs blieben vorwiegend melancholisch und manierlich aber auch gewandt und dynamisch - um es mit dem von ihm mitgeprägten Genre zu sagen: Cool-Jazz. Auch äußerlich war Chet mit seinen feingeschnittenen, fast wie gemeißelten Gesichtszügen und dem dandyesken Auftreten der Prototyp eines hedonistischen Popstars der 50er Jahre.
Es dauerte nicht lange bis auch die Filmindustrie auf den smarten Jungen aufmerksam wurde. Im März 1955 unterzeichnete Baker einen Vertrag mit der Produktionsfirma Gravis, die den Kriegsfilm "Hell's Horizon" für Columbia Pictures produzierte. Chet spielte dort nicht nur die Trompete im Soundtrack, sondern übernahm auch die Rolle des Soldaten "Jockey". Von Columbia wurde ihm daraufhin ein 7-Jahres-Vertrag angeboten, den Chet aber ablehnte. "Mir passt es einfach nicht, den ganzen Tag für Stunden am Set rumstehen zu müssen, um dann ein paar Minuten Film abzudrehen. Alles was ich will, ist Trompete spielen. So einfach ist das", begründete Chet seine für viele Kollegen unverständliche Entscheidung. Im September 1955 ging er erstmals auch auf große Europatournee mit neuen Musikern. Der tragische Tod seines Pianisten Dick Twardzik in Paris wegen einer Überdosis Heroin überschattete die Tour. Im April 1956 flog Chet zurück in die Staaten, um einen neuen Pianisten zu finden, formierte aber die ganze Gruppe neu. Mit dem Saxophonisten Phil Urso und dem Pianisten Bobby Timmons bewegte er sich musikalisch in Richtung Bop, gegensätzlich zu seinem markanten relaxten Sound. Er begann wieder die Arbeit an einigen Plattenaufnahmen und gewann zahlreiche Preise in den Jahren 1957- 1959, darunter auch den Playboy All Star Jazz Poll.
In dieser Zeit experimentierte er ausgiebig mit Heroin und Kokain und die Polizei fand im Hause Baker einen beliebten Ort für Drogenrazzien. Nach mehreren Festnahmen wurde er 1959 in New York wegen Drogenbesitzes zu 4 Monaten Ryker's Island verurteilt und verlor dadurch auch seine Musikerlizenz für New York. Chet musste wegen guter Führung nur zwei Monate absitzen, aber dunkle Wolken begannen sich am Horizont seines Erfolges zu verdichten. Chet zog nach Europa, wo er sich als Künstler besser verstanden fühlte. Sein Freund, der belgische Saxophonist Jacques Pelzer, half ihm zunächst über die Runden zu kommen und Chet knüpfte über ihn Kontakte in ganz Europa. Im Februar 1960 lernte er in Italien das Model Carol Jackson kennen, seine zukünftige Frau, die er 1966 heiratete. Nur wenige Monate später wurde Chet erneut mit Drogen verhaftet und zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt. Er saß jedoch nur 16 Monate in Lucca ab und wurde auf Bewährung entlassen. 1962 verhaftete ihn die deutsche Polizei wegen Rezeptdiebstahls und er musste 3 Wochen in einer psychiatrischen Klinik verbringen. Ihm wurde außerdem die Einreiseerlaubnis für zwei Jahre entzogen.
Am 25. Dezember 1962 gebar Carol seinen Sohn Dean in England. Doch auch als Familienvater ließ Chet nicht von den Drogen ab. Nachdem er 1964 in Berlin erneut verhaftet und endgültig aus Deutschland ausgewiesen wurde, kehrte er in die USA zurück. Die nächsten Jahre entwickelten sich für Chet zur schweren Probe. Seine Drogenabhängigkeit wurde zunehmend schlimmer und er nahm diverse Engagements an, egal wie hoch die Gage war. Er fiel derzeit auch den Machenschaften eines skrupellosen Managers zum Opfer, der mit Chets gesamtem Geld untertauchte. Darüber hinaus verlor Jazz zusehends an Popularität, weil sich die Jugendlichen mehr für Rockmusik interessierten. Am 11. September 1965 wurde dann sein Sohn Paul in New York City geboren und Chet fand sich mit seiner Familie pleite auf der Straße wieder. Anfang 1966 wanderte Chet erneut für einige Monate ins Gefängnis. Nach seiner Entlassung hatte er jedoch wieder einige kleine Engagements in Nachtclubs. Am Tag als seine Tochter Melissa geboren wurde (22. Juli 1966), hatte er gerade in einem Club in Sausalito, Kalifornien gespielt. Als er mit seiner Gage nach Hause gehen wollte, überfielen ihn fünf junge Typen und schlugen ihm einige Zähne kaputt - das Aus für einen Trompeter. Der tiefste Punkt in der Achterbahnfahrt des Chet Baker war erreicht.
Nachdem er zwei Jahre von der Stütze lebte und sich mit Hilfe eines künstlichen Gebisses wieder langsam ans Trompetespielen wagte, war Chet endlich wieder bereit, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Es ging aber nur langsam aufwärts mit ihm. So spielte er in einigen Kaschemmen (darunter auch der "Melody Room" in Hollywood), um sich das nötige Kleingeld zu beschaffen, bis ihn 1970 die Plattenfirma Verve unter Vertrag nahm. Nachdem er wieder einmal für 5 Monate eingesessen hatte, wurde er von einem Richter verurteilt, sich einem Methadonprogramm zu unterziehen. Dies sollte ihn vom Heroin wegbringen, was aber schließlich doch nicht funktionierte.
1973 kam dann der wichtigste Wendepunkt in Chets Leben in Gestalt seines Trompeterkollegen und Freundes Dizzy Gillespie. Dizzy bot Chet Hilfe an und er führte ein paar Telefongespräche, um Chet für den Club "Half Note" in New York zu engagieren. Zu dieser Zeit machte Chet auch Aufnahmen mit Paul Desmond für CTI Records und ein Reunion-Konzert mit Gerry Mulligan in der prominenten Carnegie Hall in New York folgte. Chet machte sich langsam wieder einen Namen und er wurde für den "Strykers Club" in New York verpflichtet. Dort füllte er monatelang allabendlich die Zuschauerräume und hatte nur Sonntags und Montags frei. Gleichzeitig spielte er auch im "Village Vanguard" und im "Village Gate".
Ab Juli 1975 hielt sich Chet vorwiegend in Europa auf, mit kurzen Gastspielen in Japan und den USA, hatte aber keinen festen Wohnsitz. Dies war gleichzeitig auch die Trennung von seiner Frau Carol, die beiden ließen sich jedoch nicht scheiden. Es folgten 13 sehr produktive Jahre mit Plattenaufnahmen und Konzerten vor allem in Italien, Deutschland, Belgien und Holland. Chet wohnte derzeit lange bei seinem Freund Jacques Pelzer in Lüttich und in Amsterdam. In Deutschland wurde er 1976 ein weiteres Mal verhaftet. Diesmal, weil sein Einreiseverbot noch nicht aufgehoben war. Dies geschah erst im Jahre 1979. Auch andere Musiker außerhalb des Jazz-Genres wurden auf ihn aufmerksam. So bat ihn 1983 Elvis Costello, seine Trompete für den Anti-Falkland-Krieg-Song "Shipbuilding" beizusteuern. 1987 drehte der Fotograf und Filmemacher Bruce Weber den Dokumentarfilm "Let's Get Lost" über Chets bewegtes Leben und wurde dafür für den Oscar nominiert.
Am 13. Mai 1988 fanden Passanten den toten Chet Baker auf der Straße vor seinem Hotel in Amsterdam liegen. Bei der Autopsie wurden Spuren von Heroin und Kokain in Chets Blut gefunden. Über den genauen Hergang dieses Unglücks bestehen gerüchtehalber drei Versionen. Einerseits wird behauptet, Chet habe Selbstmord begangen indem er aus dem Fenster im 2. Stock gesprungen sei. Andere sagen, Chet sei einfach zu benebelt vom Drogencocktail gewesen und unglücklicherweise aus dem Fenster gestürzt. Am schwerwiegendsten ist wohl die Behauptung, dass Chet ermordet wurde. Keines der Gerüchte wurde jedoch je bestätigt.
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