laut.de-Biographie
Chiwoniso
"Ich bin wie ein Spiegel. Ich singe darüber, was in der Welt geschieht. Wenn mich jemand auf der Straße um Geld bittet, singe ich darüber. Wenn Menschen, den Tod vor Augen, aus ihrem Land flüchten, singe ich darüber. Wenn die Staatsgewalt die Menschenrechte missachtet, singe ich darüber."
Zur Welt kommt Chiwoniso Maraire 1976 im US-amerikanischen Olympia, Washington. Ihre Eltern, ein Musikethnologe und eine Bühnendarstellerin, legen von Beginn an Wert auf die schönen Künste und so führt sie ein kreatives und inspiriertes Dasein. Als musikalische Inspirationsquellen dienen ihr die Kulturen ihrer beiden Heimaten. Urban Soul und Hip Hop spielen eine ebenso bedeutende Rolle, wie die Traditionen der Shona, ihres afrikanischen Heimatvolkes. Und so schleppt ihr Vater Klein-Chiwoniso mit drei Jahren auf ein James Brown-Konzert, während er sich gleichzeitig darum kümmert, "dass der kulturelle Kontakt zu Simbabwe nie verloren" geht.
Chiwoniso erinnert sich gerne an ihre Kindheit in den USA und Simbabwe, in der sie von Musik umgeben ist. "Den Sound der Mbira hörte ich buchstäblich seit meiner Geburt, denn mein Vater gab Unterrichtsstunden zuhause. Ich schaute mir von ihm ab, wie man das macht, ohne dass er es mir erklärte. Denn er war der Auffassung, dass ich mein eigenes Verständnis dafür entwickeln sollte. Von meiner Mutter lernte ich singen, und ein Onkel und eine Tante hatten zusammen mit meinen Eltern eine Musikgruppe." Ihr Instrument, die Mbira, kennt man hierzulande als Finger- oder Daumenklavier und unter dem Namen Kalimba.
Die ersten 14 Jahre ihres Lebens sind jedoch mehr von Bob Marley, Elvis, den Beatles, Stones, Aretha Franklin, Stevie Wonder und Tina Turner geprägt. Denn von traditioneller Musik Simbabwes hat sie noch nicht viel Ahnung, auch wenn sich im elterlichen Plattenschrank Miriam Makeba tummelt und sie Hugh Masekela "Onkel" nennt. Der südafrikanische Flügelhornist, der bereits seit den 60ern die Worldmusic-Szene aufmischt, geht als Freund des Vaters im Haus aus und ein.
1990 zieht die Familie nach Harare, die Hauptstadt des damals freien und unabhängigen Simbabwe. Dort gründet sie einige Zeit später ihre erste Band A Peace Of Ebony. "Wir waren alle Kinder mit mehreren kulturellen Hintergründen und in unserem Sound kam diese Kombination sehr kraftvoll durch. Wir fingen an, die Mbira in Hip Hop-Beats einzuflechten und so unsere ureigene Identität zu definieren. Die Arbeit mit A Peace Of Ebony zeigte mir, dass es möglich ist, Urbanes und Ethnizität zu koppeln und so etwas Neues zu schaffen. Das wurde fortan zu meiner Handschrift." Nachdem 1994 Schluss mit A Peace Of Ebony ist, schließt sie sich der Band The Storm an, die 1999 den UNESCO Award for the Arts erhält.
Zu dieser Zeit hat sie ihr Solodebüt bereits hinter sich. "Ancient Voices", das in Frankreich einen Best New Artist-Award erhält, erblickt 1997 das Licht der Welt und "überzeugt durch das schlüssige Knüpfwerk von Mbira-Patterns, englischen Lyrics und Versen in ihrer zweiten Muttersprache Shona." Das sieht auch die KORA-Jury so, die Chiwoniso 1999 für den Preis als "Best Female Vocals of Africa" nominiert.
Nach ihrem Debüt macht Chiwoniso eine Babypause, in der sie viel Zeit zum Nachdenken, Positionieren und (sozial) Engagieren hat. Sie erhebt, zusammen mit Zap Mama, ihre Stimme für Women CARE, eine Künstlervereinigung, die sich für internationale Frauen- und Kinderrechte einsetzt. Dem Analphabetimus in ihrer afrikanischen Heimat tritt sie in der Organisation MUSCLE Africa entgegen, doch "ihr wichtigster Einsatz auf globaler Ebene ist sicherlich das United Nations Development Programme, für das sie mit Youssou N'Dour, Manu Dibango, Baaba Maal, Salif Keïta und anderen afrikanischen Stars als jüngstes Mitglied wirkt."
Künstlerisch tobt sie sich in dieser Zeit in der akustischen Gruppe Vibe Culture und der Frauen-Band Women's Voice aus. Darüber hinaus komponiert sie Filmmusik, kooperiert 2002 mit Mari Boine, Kris Kristofferson und Sinéad O'Connor und beginnt an einem zweiten Soloalbum zu arbeiten.
"Rebel Woman" (2008) ist aufgrund ihres sozialen Engagements sinnvoll betitelt. Chiwoniso schätzt, dass in Simbabwe circa die Hälfte ihrer Lieder wegen der kritischen Texte nicht gespielt werden darf. "Die Frau mit Löwenherz trägt textlich unerschrocken und klanglich erfindungsreich zu einer besseren Zukunft ihres Landes bei - mit dem Feuer von Angélique Kidjo, der Inspiration von Oliver Mtukudzi, dem Rebellengeist von Thomas Mapfumo und dem Soul von India Arie", schwärmt welt-musik.net nicht ohne Grund über sie.
Auch das Publikum ist schwer begeistert von ihr und "Rebel Woman" und hievt das Album an die Spitze der Weltmusik-Charts. "Ich möchte der Mbira Danke zu sagen. Sie hat mich an Orte in der Welt gebracht, an die ich ohne sie niemals gekommen wäre", schwärmt sie von ihrem Instrument und berichtet von einem magischen Moment: "Bist du bereit, die Mbira auf den nächsten Level zu heben", fragte sie einst ihr Vater als sie 1990 im post-kolonialen Simbabwe ankamen. Das einstige Nationalinstrument, dem in Simbabwe spirituelle Heilkräfte nachgesagt werden, war den Kolonialherren nicht geheuer und so belegten sie das Mbira-Spiel kurzer Hand mit einem Bann. Die Folge: Anfang der 90er beherrschten nur noch die Alten die Kunst des Mbira-Spiels.
"Mein Vater sagte zu mir: 'Siehst du diese Lücke? Bist du bereit, die Mbira auf den nächsten Level zu heben'?" Chiwoniso antwortete: "Ja, ich bin bereit."
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