laut.de-Kritik

Die Worte sprudeln aus dem Wüstenrocker nur so heraus.

Review von

Alles gut bei Chuck Prophet, auch wenn die bissigen Inhalte diesmal sehr sanft verpackt sind. Alle Songs sind, jeder für sich genommen, sogar vorzüglich. Zudem haben wir es hier mit einem der witzigsten Songtexter unserer Ära zu tun. Doch der Sound sediert auf Dauer: Die Platte verharrt im mittleren Tempo, die Instrumentierung bietet wenig Abwechslung und hält nicht wirklich Schritt mit dem in den 90er- und 2000er-Jahren so subversiven Wüstenrocker.

Das Genre erschuf Prophet in den 80ern gar selbst mit. Die aktuellen Songs sind nun authentisch, unaufgeregt, geradlinig, ehrlich. Gleichwohl verliert man auch als Fan ab und an den Faden beim Versuch, die Wortflut zu erfassen. Man wünscht sich manch strukturierendes, herzhaftes Riff herbei, manchen Lärm aus dem Verstärker.

Gemächlich steigt "Best Shirt On" in die Platte ein - irritierend, denn früher krachte und wummerte es bei dem Americana-Vordenker, und so beschaulich geht es auch weiter. Ein Saxophonsolo in "High As Johnny Thunders" sticht so angenehm heraus. Das vibrierende Stück "Womankind" mit überraschendem Doo-Wop-Element und stilistischer Nähe zu Springsteens Balladen gibt sich schwungvoll. Eine Satire über einen Entertainer, der von der Bühne gebuht wird, beendet das dutzend Songs erfrischend ("Get Off The Stage"). Damit wäre alles Auffällige benannt. Ein sympathischer Kerl mit musikhistorischen Verdiensten und einer super Stimme macht eine nette Platte.

Die Texte rechtfertigen hingegen einen zweiten Blick. Chuck Prophets Semi-Spoken Word "High As Johnny Thunders" arbeitet mit Ironie und vielen Anspielungen. Allerdings muss man etwas über Politik, Popkultur und Zeitgeschichte wissen, damit sich die Dinge erschließen. Das Stück klingt wohl nicht zufällig, als wäre es eine Lou Reed-Nummer. Auch Thunders lebte in New York, hatte starke Drogenprobleme und in gewisser Weise mit Iggy Pops Umfeld zu tun. Er spielte mit dessen MC5-Gitarristen und verantwortet die Wurzeln der Punkrock-Szene des Big Apples mit, Stichwort New York Dolls.

Ein spannendes Thema beackert auch "Nixonland". Prophet gibt zu bedenken: Die Aussage, einen Präsidenten wie Trump habe es nie zuvor gegeben, beweise nur eines: Die USA sind das Land, das die Zeit vergessen und seine jüngere Geschichte erstaunlich gut abgehakt habe. Nixon hatte kein Twitter, ja. Aber einen nicht enden wollenden Vietnamkrieg. Prophet löst so weitere Erinnerungen aus, man könnte überlegen: Wie war das gleich noch mit Clintons Lewinsky-Affäre und George W. Bushs 'gestohlener' Wahl? Und den Mord an Abraham Lincoln handelt er gleich auch noch ab: "Paying My Respects To The Train". Lincoln überlebte Malaria und eine Quecksilbervergiftung, nicht aber ein Attentat.

Man könnte Chuck Prophet noch ein paar Namen zurufen, und es würde wahrscheinlich vor bissigen Reimen nur so heraussprudeln. Musikalisch mangelt es dem Album aber an Kontrasten - wie gesagt: für sich alleine funktioniert jeder Song trotzdem. Und hoffen wir, dass es "Get Off The Stage" nicht ins nächste Tour-Set schafft: Denn mit dem Entertainer, der von der Bühne abhauen soll, ist Trump gemeint. Im Videoclip als Stück Seife mit Toupet dargestellt.

Trackliste

  1. 1. Best Shirt On
  2. 2. High As Johnny Thunders
  3. 3. Marathon
  4. 4. Paying My Respects To The Train
  5. 5. Willie And Nilli
  6. 6. Fast Kid
  7. 7. Love Doesn't Come From The Barrel Of A Gun
  8. 8. Nixonland
  9. 9. Meet Me At The Roundabout
  10. 10. Womankind
  11. 11. Waving Goodbye
  12. 12. Get Off The Stage

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