laut.de-Kritik
Keltisch beeinflusster Postrock mit düsteren Visionen.
Review von Giuliano BenassiEin großköpfiger Mensch läuft auf einer trostlosen Straße und trägt Bilder von Kreuzen und Leichen in seinem Kopf. Lebende Skelette umgeben ihn, Fastfood, Sex und Konsum bestimmen ihre Handlungen. Aus dem Fernsehen quillen Bilder von Massengräbern, Werbesendungen und Raben, die in einen blutroten Himmel fliegen. Schließlich verwandelt sich der Darsteller selbst in ein Skelett - er ist der Dumpfheit seiner Umgebung erlegen.
Düster geht es in "Five Thousand More" zu, einem kurzen Zeichentrickfilm von Clann Zús Sänger Declan de Barra, der dieser CD beigefügt ist. Eine Stimmung, die nahtlos in die Musik übergeht: "Befreie mich!" brüllt de Barra am Ende des Openers "Words For Snow" aus den "dark recesses and hollowed out corners of nothing", begleitet von einem immer schnelleren Schlagzeug, einer zunehmend schrägen Gitarre und Geige sowie finsteren elektronischen Klängen.
Hinter Trostlosigkeit und morbiden Atmosphären verbirgt sich ein ambitioniertes irisch-australisches Projekt. Dabei ist es vor allem die Stimme des Sängers, die in ihren Bann zieht: Tief und stimmungsreich zeigt sie ihre Güte sowohl in den härteren Stücken als auch in den langsameren Passagen. Der keltische Einfluss zeigt sich in den Melodien, dem Bodhrán und in irischen Textpassagen; Originalität verleiht ihm aber der Einsatz von Gitarren, Streichern und Beats. Gleiten die Gedanken bei "Rí Rá" und "Crashing To The Floor" unschön zu Runrig, hinterlässt "All The People Know" als tanzbares Stück auf Drum'n'Bass-Grundlage einen durchaus besseren Eindruck.
Bei allem Einfallsreichtum gelingt es Clann Zú aber nur stellenweise, ihre Musik auf den Punkt zu bringen. Ihre überlappenden Instrumentierungen und die düsteren Atmosphären wirken zu künstlich, um richtig unter die Haut zu gehen. Dabei weist der Vogel auf dem Cover den richtigen Weg: "Eines Nachts aus gelben Blättern mit verblichnen Runenlettern / Tote Mären suchend, sammelnd von des Zeitenmeers gestaden / Müde in die Zeilen blickend und zuletzt im Schlafe nickend / Hört' ich plötzlich leise klopfen, leise doch vernehmlich klopfen ... " dichtete Edgar Allan Poes in den ersten Zeilen von "Der Rabe". Mit wenigen effektiven Worten eine wahrlich mulmige Atmosphäre zu schaffen, ist eine Kunst, an der sich die Band noch üben muss.
Da es sich bei "Rúa" um ihr Debüt aus dem Jahr 2002 handelt, und sie nach eigenen Angaben neues Material im Studio eher live aufnehmen wollen, als es endlos zu überarbeiten, besteht die Hoffnung, dass der Nachfolger mehr Einfachheit und Effektivität vorweisen wird. Das Potenzial, mit einem starken Werk zu überraschen, ist bei Clan Zú auf jeden Fall vorhanden.
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