laut.de-Kritik
Eine pralle Packung Lo-Fi-Punkrock fürs Hier und Jetzt.
Review von Magnus HesseJetzt. Hier. Nirgendwo anders. Im Gegensatz zum nostalgischen Anschlag auf die Vergangenheit mit dem "Vorgänger" von 2012 sind Cloud Nothings mit ihrem vierten Longplayer in der Gegenwart angekommen.
Als Momentaufnahmen fingen sie die Tracks als One-Takes roh ein. Das lässt diese pralle Packung Lo-Fi-Punkrock herrlich holprig tönen, was die Band ja seit jeher auszeichnet. Selten aber nutzt jemand dies so gelungen als Stilmittel wie Jayson Gerycz, der unbeeindruckt ein polterndes Drum-Gemöbel nach dem anderen aus seinen Fellen kloppt.
Es klingt, als habe man bei einem schwitzigen Gewölbekeller-Konzert ein Raummikro auf der Bühne platziert. Die Studioarbeit interpretiert das Quartett jedenfalls als reine Abnahme des a priori gefertigten Materials, dem rein gar nichts hinzuzufügen ist. Das ehrliche Handwerk, das den Verlockungen einer fetten Produktion entsagt, existiert also noch.
Generell pflegen die Clevelander gerne ihr Trash-Image und lassen sich lieber mit fettigen Donuts ablichten als im Indie-Parka oder in Punkrock-Posen. Genauso demonstrativ unprätentiös strahlen auch die Songs Realness bis ins Mark aus und wären wohl genau so auch auf dem im Schlafzimmer aufgenommenen Demo-Tape gelandet, das Dylan Baldi seinen Eltern vorspielte, um das College abbrechen zu dürfen.
Es gibt keine überflüssige Sekunde, keinen nebensächlichen Takt und keine halbherzig vorgetragene Silbe in diesen 31 Minuten, die die Überwindung einer gescheiterten Beziehung in den Bandkeller verfrachten und ungefiltert in rumsende Riffs kanalisieren. Baldis Emo-College-Rock-Hooks wachsen mit großen Melodien und könnten dem Bombast doch nicht ferner liegen. "Pattern Walks" reißt als proggiger Siebenminüter keineswegs aus und beschwört für einen Augenblick sogar Bloc Partys beste Silent Alarm-Zeiten herauf, allerdings mit etwas mehr Grunge versehen.
Motiv-Gehäkele wie noch auf "Attack On Memory" findet keinen Platz mehr auf diesem modernen Monolithen des Lo-Fi, der in acht knackigen Akten mehr Stoff liefert als das letzte Biffy Clyro-Doppelalbum.
Die finale Hymne auf das Diesseits gehört mit zum Besten, das Baldi und Co. der Musikwelt bisher beschert haben. "I'm Not Part Of Me" ist vielleicht sogar der simpelste Track der Scheibe, aber gleichzeitig der mitreißendste Ritt: die Reminiszenz an die alte Liebe. An deren Ende steht wieder die Besinnung aufs Hier und Jetzt: "I'm learning how to be here and nowhere else."
Noch keine Kommentare