laut.de-Kritik
Vom "Middle Child" zum Plagiat.
Review von Mirco LeierCordae reihte sich mit seinem Debüt als eine Art "Middle Child" in eine seinerzeit sehr zerschlagene Szene ein. Er versuchte, mit seiner Musik die Risse zwischen der alten Garde und den jungen Wilden zu kitten. Ein Jungspund, der musikalisch dieselben Legenden anhimmelt wie die vorigen Generationen, aber auch Sprachrohr der Frustration sein will, für diejenigen, die von jenen Alteingesessenen gerne ins Fadenkreuz genommen werden. Ein Rapper, auf den sich sowohl der Oldhead mit der Hasskappe als auch das Hypebeast im Travis Scott-Moshpit einigen konnten.
Dieses Momentum war es auch, das sein Debüt "The Lost Boy" so effektiv machte. Rein musikalisch war das simples Idol-Worshipping, vermengt mit technisch eindrucksvollem Rap und der lyrischen Lockerheit, die man einem 20-jährigen Newcomer kaum krumm nehmen kann. Nun liegt dieser Durchbruch jedoch schon fünf Jahre zurück, und mit jedem weiteren Release büßte Cordaes Schtick nur an Überzeugungskraft ein.
"The Crossroads" kommt auf dem Papier erstmal einer Wiedergutmachung nach dem universell eher schulterzuckend hingenommenen "From A Birds Eye View" gleich. Dessen Streuschuss-Ansatz in neue Stile entpuppte sich als unfokussiert und wenig aufregend, sogar Cordae selbst watschte das Album retrospektiv als Fehltritt ab. Die Rückkehr zum Reißbrett bedeutet demnach auch eine Rückkehr zu bewährter Kost. Chipmunk-Soul, R'n'B und Boom Bap dominieren dieses Album, nur noch ganz vereinzelt traut sich der Rapper aus North Carolina aus dieser Komfortzone heraus.
Nur hat der Junge mittlerweile ein wenig mehr Kohle in der Tasche, was den Rahmen für ein Album in diesem Stil neu absteckt. Die Features, die Länge und der Versuch, ein introspektives, autobiographisches Konzept in die Mitte zu quetschen, riechen alle verdächtig nach dem Versuch, den Klassiker zu beschwören, den übereifrige Fans ihm seit seinem Durchbruch zutrauen.
Das Problem daran klingelt jedoch mit jedem geloopeten Soul-Sample schriller in den Ohren. Cordae eifert hier noch authentischer und streberhafter als auf seinem ersten Album seinen Idolen nach, vergisst aber, inmitten dieser laborhaften Rekonstruktion Platz für seine eigene Identität zu lassen. Über weite Strecken tönt "The Crossroads" wie sein Versuch, ein eigenes "College Dropout" oder "Late Registration" auf die Beine zu stellen, auf "Nothings Promised" interpoliert er sogar Kanyes "Heard Em Say". Nur a) braucht das kein Mensch, und b) fehlt ihm jegliches Charisma, um darüber hinwegtrösten, dass er aber einfach mal so gar nichts zu erzählen hat.
Denn die schönen, unter anderem von J.Cole, der nächsten allgegenwärtigen Gallionsfigur in Cordaes Kosmos, produzierten Kopfnicker-Beats verlieren beim siebten bierernsten Song am Stück darüber, das sein Leben früher mal scheiße war und jetzt gut ist, irgendwann auch ihren Reiz. Wirklich memorable Reime oder Zeilen sind rar gesät, der Großteil dieses Albums besteht aus sentimentalen, technisch aufgeblähten Fluff und Binsenweisheiten. Auf "Shai Afeni" rappt Cordae beispielsweise über seinen neugeborene Tochter, und lässt das ganze langweiliger klingen als eine Gute Nacht-Geschichte von Olaf Scholz
Wirklich schlimm wird es, wenn er auf "Mad As Fuck" und "Never See It" für wenige Songs die BPM hochdreht und die Trap-Drums von der Leine lässt. Wie auch ein Logic zu früheren Tagen glaubt Cordae, automatisch in einen furchtbar aufgesetzten Braggadocio-Modus schalten zu müssen, sobald die erste 808 ihren Schatten an die Studiowand wirft. Dabei gilt die Kritik weniger dem Inhalt, und mehr dem Vortrag. Es ist mir ziemlich Wumpe, ob du mir das Ohr damit abkaust, dass du sieben Bitches in sechs Stunden fickst und an jedem Arm fünf Uhren trägst, aber dann lass es doch bitte nicht so klingen, als hättest du dabei auch noch vier Stöcke im Arsch.
Ich will allerdings nicht zu sehr auf diese LP einhauen. Im Grunde macht "The Crossroads" abseits der musikalischen Redundanz und ein paar lyrischer Peinlichkeiten nur wenig wirklich falsch, und man merkt deutlich, dass dieser Junge dieses Genre liebt und einfach auch gerne so ein Album machen möchte wie die, die ihn überhaupt dazu inspirierten, selbst das Mikrofon in die Hand zu nehmen. Auch dass Rapgrößen wie Lil Wayne und Kanye sich nicht zu schade sind, Teil dieser Vision zu sein, würde ich Cordae zuliebe gerne als Co-Sign auslegen, nur müssten ihre Verses dafür halt ein bisschen aufregender, oder im Falle von Ye anwesender klingen. Ich bin mir nämlich anhand dieser gestammelten Hook nicht mal sicher, ob der Mann weiß, dass dieses Album existiert, geschweige denn, dass er drauf ist.
Außerdem gibt es sie ja doch, die Momente, in denen dieses Album eigene Duftnoten setzt und aus dem White Noise-Bereich der Boom Bap-Frequenzen ausbricht. Die beiden Duette mit Anderson .Paak, allen voran "Summer Drop", machen unglaublich Laune und legen wieder nahe, wir erinnern uns zurück an das grandiose "RNP", dass die beide schleunigst ein Kollabo-Album aufnehmen sollten. Die Chemie zwischen den beiden überstrahlt im Vorbeigehen die restliche Gästeliste und gibt einem wieder ein wenig von dieser Playfulness, diesem 'ein paar Bars kicken zwischen Halfpipe und Sonnenuntergang', mit der Cordae ursprünglich so viele Augen auf sich zog.
Auch "Don’t Walk Away", der das Sample gegen echten Soul-Gesang von Jordan Ward und Ravyn Lenae eintauscht, überzeugt mit seinen sommerlichen Gitarren-Licks. "Syrup Sandwiches" hat einen ganz netten Groove und der Closer "Now You Know" funktioniert als sentimentaler Closer mit Chor und Orgel, ihr wisst schon, die Art von sentimentalen Schlusspunkt, den diese Alben für gewöhnlich haben, ganz ordentlich, ohne den Bogen komplett zu überspannen.
Wer Hip Hop mag, wird "The Crossroads" nicht hassen. So viel kann ich versprechen. Cordae erfindet das Rad so wenig neu wie überhaupt nur möglich, und er agiert mit der Originaltreue und Genauigkeit eines Einser-Schülers. Dafür hat er sich objektives Lob verdient, und es gibt dafür ohne Frage auch ein Publikum. Doch ebenso wie manche dieser Schüler nach dem Abschluss über die eigene Erwartungshaltung stolpern, verrennt sich der ehemalige YBN-Rapper in den Sackgassen der eigenen Plattenkiste. Ja, er hat alle Klassiker im Repertoire, aber die eigene Visitenkarte ist ihm währenddessen tragischerweise abhandengekommen.
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