laut.de-Kritik

Hugh Hefners Haus-DJ zieht einen Schlussstrich.

Review von

Wagemut, Frechheit, Unberechenbarkeit, Geschicklichkeit, Rücksichtslosigkeit und Tücke: all das sind Eigenschaften, die der Volksmund dem Teufel zuschreibt. Und nichts weniger als einen wahren Teufelskerl braucht es, um ein Album wie "Teufelswerk" zu produzieren.

Der Longplayer ist ein Abschied vom schmalzigen 80er-Electro-Chic, den Hell die letzten zehn Jahre gepflegt hat und der ihn bis an die Pforten von Hugh Hefners Luxus-Lust-Domizil geführt hat. Dort hat er feinsten Italo kredenzt und sah den Bunnies zu, wie sie über die Tanzfläche hoppelten.

Mit "Teufelswerk" zieht Hell einen Schlussstrich unter die hedonistischen Tanzgelüste der Vergangenheit. Dunkel, drückend und diabolisch geht es jetzt zur Sache, der allgemeinen Gemütslage in Krisenzeiten entsprechend. Passend dazu geben Krautrock, die deutsche Variante zum Psychedelic-Rock der 70er Jahre, sowie Produktionen aus dem housigen Underground der beiden US-Metropolen Chicago und Detroit den Referenzrahmen ab.

Letzteres dürfte Connaisseure, die mit Hells Veröffentlichungen vertraut sind, kaum verwundern. Ersteres überrascht hingegen schon, fügt sich aber gleichzeitig auch bestens in den Kanon der Huldigungen, der den diversen Krautrock-Veteranen 35 Jahre nach ihren Soundexperimenten in Deutschland entgegengebracht wird.

Einmal mehr ist es Hells guter popkultureller Riecher, der ihn auszeichnet, wenn er eine komplette CD von "Teufelswerk" für seine krautrockigen Electro-Tracks reserviert.

Die hören auf Namen wie "Germania" oder "The Angst". Wer geglaubt hat, dass derlei teutonische Titel einzig noch bei Laibach Verwendung finden, sieht sich nun getäuscht. Auch Hell, der smarte Altmeister an den Plattenspielern, setzt eine CD-Länge voll auf deutsche Tugenden, zumindest bei der Wahl seiner Titel.

Die Stücke selbst leben von ihrem Jam-Charakter, eine vorstechende Referenz in Richtung Krautrock. Musikalisch vielschichtig umgesetzt von Peter Kruder und seinem G-Stone-Musikerteam entfalten die neun Tracks bei jedem Hören neue Reize.

Auch weil Hell hier ein beinahe schon wienerisch-geschmeidiges Grooveverständnis an den Tag legt, das keine hart kickende Bassdrum als Metronom nötig hat.

Die steht dafür auf der zweiten Hälfte von "Teufelswerk" im Mittelpunkt. House lautet das Motto, das sich Hell für die acht Tracks auserkoren hat. Eine Rückbesinnung auf die frühen Tage elektronischer Clubmusik kündigte sich ja schon im vergangenen Jahr mit dem Release des DJ Pierre-Klassikers "I've Lost Control" auf Gigolo Records an. Mit Bryan Ferry und P. Diddy als Vocalisten versucht Hell stilvolle Traditionspflege mit clubbiger Vision zu versöhnen.

Ein Spagat, der leider nur im Ansatz gelingt. Die Tracks selbst gewinnen trotz der namhaften Sänger und der fachkundigen Studio-Unterstützung von Anthony Rother und dem Holländer Stefan Robbers alias Terrace kein bleibendes Profil. Gute DJ-Tools sind sie zwar allemal, nur wirkliche Hits, die einem Set die nötige Würze geben, eher nicht.

Trackliste

CD1

  1. 1. U Can Dance (feat. Bryan Ferry)
  2. 2. Electronic Germany
  3. 3. The Disaster
  4. 4. The DJ (feat. P. Diddy)
  5. 5. Bodyfarm 2
  6. 6. Hellracer
  7. 7. Wonderland
  8. 8. Friday, Saturday, Sunday

CD2

  1. 1. Germania
  2. 2. The Angst & The Angst Pt. 2
  3. 3. Carte Blanche
  4. 4. Night Clubbing
  5. 5. I Prefer Women To Men
  6. 6. Action
  7. 7. Hell's Kitchen
  8. 8. Silver Machine

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT DJ Hell

Er ist eine Institution in der deutschen DJ-Szene. Neben Sven Väth und Monika Kruse wird er jährlich immer wieder in die deutschen DJ-Top-Drei gewählt.

11 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    @Cyborg («
    Tja, das Album... ich finds durchwachsen, muss ich sagen. Die von Peter Kruder produzierte 'Day'-Seite find ich stark, die cluborientierte erste CD will bei mir aber nur zum Teil zünden. »):

    geht mir genauso. die day-cd finde ich richtig genial, einzig das letzte lied (silvermachine) gefällt mir nicht so.

    die night cd würde ich als durchwachsen bezeichnen. stark finde ich da eigentlich nur "u can dance" und "the desaster". der rest klingt tatsächlich etwas uninspiriert.

  • Vor 15 Jahren

    Schließ mich an. "Night"- CD ist bis auf den Brian Ferry- Track eher mau, da fehlt es irgendwie an Ideen und genialen Momenten. Die "Day"- Seite ist aber verdammt gut und macht eine Menge Spaß. Vor allem "The Angst Pt. 1 & 2" höre ich immer wieder sehr gern.

  • Vor 14 Jahren

    @DerKleineMusicFreund: Ideenlose Platte?? Sorry aber da kann ich nur drüber lachen... umso genauer man hinhört umso mehr Details hört man raus, einfach genial! Schalt mal die Intro-Funktion an deinem Player aus und hör dir mehr als nur 10 Sekunden an.