laut.de-Kritik
Da Break retten den Rocksteady und euren Tag.
Review von Philipp KauseMangobäume, Traumstrände, Nippen am Rum-haltigen Cocktail - in dieses Setting entführen uns Da Break. "Gotta be wild / gotta be funky", mit diesem Motto steigt die Stilmix-Band in ihr Album "Steady" ein und bewahrheitet den Slogan. "Steady" schüttet ein Füllhorn an funky Keyboard-Breaks aus. Frontfrau Hawa ist eine sehr leidenschaftliche Sängerin. Sowohl in ihren hohen Ranges als auch in der näselnd-rauchigen Variante ihrer selbst, vermittelt sie massiv Gefühl.
Die Zusammenfügung ihrer Lead- mit den falsetthaften Background Vocals vollzieht sich ebenfalls reich an Feeling, Flair, Message und Passion. Die schwungvoll, lässig und exakt auf den Punkt aus den Handgelenken geschüttelte Percussion reißt sofort mit, wenn man nur einen Funken Offbeat-Fan ist.
Auf der Spielwiese der jazzverwurzelten Stile hat die Kapelle aus der französischen Multikulti-Metropole Lyon schon etliches ausprobiert. Das Vorgänger-Album vereint Soul, G-Funk, Hardbop und Roots Reggae. Die Art von Roots, für die sich die extrem talentierte Gruppe entschied, folgt Orgel-basierten Klängen, wie man sie etwa von Groundation in der aktuellen Szene findet.
Die ganze Scheibe positioniert sich indes in einer wenig beachteten Nische. Sie vibet wirklich steady, nämlich im Rocksteady. Mit Staubschwaden aus sechs Jahrzehnten überwuchert, war Rocksteady der kurzlebige Vorläufer von Reggae. Heute praktizieren den Stil nur mehr wenige Interpreten, in Deutschland etwa Conscious Culture, Sebastian Sturm, The Steadytones, Patrice (wenn's weihnachtet), Zoe Mazah und manchmal Dr. Ring-Ding, die Senior Allstars und The Unduster. In der Schweiz sind Open Season und Joëlle Rohrer, mit einem Hauch auch Phenomden zu nennen, in Österreich die Rocksteady Conspiracy, in Holland Caz Gardiner nebst ihren Badasonics, und schließlich in New York The Frightnrs. In seiner jamaikanischen Heimat ist der Rhythmus schon seit langem eine vom Aussterben bedrohte Musikgattung.
Frankreich ist heute der produktivste Spot für Rasta-Tonträger. Bei den vielen versierten Bands unseres Nachbarlandes setzen auffallend viele auf exzellente Keys-Arrangements, zuletzt wieder die gefragte Backing Band The Ligerians oder Max Romeos aktuelle und in Paris beheimatete Begleitgruppe Roots Heritage.
Auf die Idee, allerfeinsten Retro-Sound mit dem Groove der Sixties und dem Hi-Fi-Klang von Vinyl zu zelebrieren, kommt aber auch bei den Franzosen seltenst jemand. Mit der enorm hohen Qualität, die Da Break dabei an den Tag legen, erweist die Band dem Genre alle Ehre.
"Get Over Steady (Yolo)" und das idyllische "Fine And Steady" überzeugen als schmissig durchgetrommelte und atmosphärische Midtempo-Tunes. Da Break dienen diesen tollen Tracks bezaubernde Soul-Harmonien an. Auch der Ragga-Funk-Ska "Mr Nightinsteadygale" schlängelt sich durchs Midtempo-Terrain.
Auf der schneller befahrenen Spur ziehen der Opener "Give Your Steady Love" und die straight forward pulsierenden Uptempo-Ohrwürmer "Bad Steady Day" und "Miss Steady Rosa" vorbei. Insgesamt ist "Steady" eine beschwingte Platte, die einem den Tag versüßen und wahrscheinlich sogar retten kann.
Man liest jetzt immer und in jedem Liedtitel das Wort 'steady', und das liegt daran, dass die Songs alle vorher schon mal ohne das Wort in anderen Stilen auf den letzten Da Break-LPs drauf waren. Sie gründen dort weitaus tiefer im Funk, Soul, Souljazz, und ihnen allen diesen Karibik-Touch zu geben, ist ganz schön mutig. Die Plattenfirma schreibt im Werbetext: Hier würde die Band genauso wie vor ihnen in der Musikgeschichte schon Snoop Dogg auf "Reincarnated", Sinéad O'Connor 2005 mit Sly & Robbie oder Serge Gainsbourg mit Sly & Robbie und den I-Three ihr schlummerndes Rasta-Faible bzw. ihren "Inna Reggae Vibe" ausleben.
Sängerin Jennifer 'Hawa' Zonou mischte in den 2000ern in der lokalen Lyoner Urban- und Hip Hop-Szene mit. In den 2010ern feierte sie dann ihren Einstand als Solistin und erntete Anerkennung auch in Blues-Kreisen. Jennifer und ihr umtriebiger Schreib-Tandempartner Bruno Hovart, der schon alles von Deephouse bis Broken Jazz-Beats abgeklappert hat, verbindet mittlerweile anderthalb Jahrzehnte Zusammenarbeit.
Wie sie auf der einen Seite wunderschöne Soul-Hooks aus den alten Versionen erhalten, zum Beispiel in "Beam Me Steady Up", andererseits gekonnt eingeflochtene Dub-Effekte vom Stapel lassen - siehe "Pig Steady Daddy" - und ein perfektes Amalgam erschaffen, erinnert das daran, woher Rocksteady und später Reggae eigentlich kamen. Immerhin acht Mal coverte Marley Mayfield. Der historische Link ist ehrlich, Da Breaks Spagat insoweit ein ganz natürliches Ereignis.
Mit den Texten tummeln sie sich ohnehin im Rastafari-Milieu. Etwa wenn sie im bedächtigen "Down The Steady Street" das geldgeile Gesellschaftssystem namens Babylon anprangern: "Down the street inna Babylon / same ol' shit happens on and on / I hope some day this will all be gone." - Die hochgradig ausdrucksstarken Instrumentalisten der Gruppe machen es leicht, den federnden Songs zu zu hören. Das super professionelle Album läuft völlig ohne Schwächen durch und entführt mit Vintage-Equipment in eine Zeit, als utopisches Denken und Hippie-Idealismus Konjunktur hatten. Hören beiBandcamp.
1 Kommentar mit einer Antwort
Ist es schlimm, ein ganzes Genre pauschal als unhörbar zu bezeichnen?
Nicht nur schlimm, auch unvermeidlich. Genres pauschal abzuwatschen ist Ehrenpflicht des kritischen (Nicht)Hörers. Ungehört 1/5!