laut.de-Kritik
Exzentrischer Poptrash aus Nippons Sandkästen.
Review von Matthias MantheTreffen sich Yoko Ono, Bob Pollard und Cocorosie. "Ich habe Pionierarbeit geleistet, weil ich wie keine Japanerin zuvor mit Hörgewohnheiten experimentierte", prahlt Yoko Ono. Pollard erwidert: "Dafür zeigten Guided By Voices, dass Eingängigkeit nicht gleichbedeutend ist mit klassischen Songschemata." CocoRosie: "Und wir haben die Avantgarde mit einer Prise Kindergarten-Attitüde gewürzt." Plötzlich taucht wie aus dem Nichts Deerhoof-Sängerin Satomi Matsuzaki auf: "Im Vergleich zu uns seid ihr doch alle Konsens!", kreischt sie in gebrochenem Englisch, nimmt die Hirschhufe in die Hand und enteilt dem Pop.
Eine Flucht, die mit dem nunmehr siebten Album erneut zum Scheitern verurteilt ist. Denn trotz zur Schau gestellter Abseitigkeit: Das Quartett aus San Francisco, das die Eigenheiten oben stehender Künstler auf sich vereint wie kein anderes, hegt eine tiefe Liebe für einfache nachvollziehbare Melodien. Und diese Leidenschaft dringt zwischen allerhand dada- bis gagaistischen Geräuschkulissen oft genug an die Oberfläche.
"Running Thoughts" beispielsweise startet in einer urbanen Sixties-Garage, wird nach und nach von Efeuranken überwuchert und mündet in eine sphärisch-verwunschene Orgelorgie auf dem Blocksberg. Die Textzeile "Always slipping through the backdoor" darf hier wohl auch als Selbstdefinition verstanden werden. Die infantile Lebensbejahung "O'Malley, Former Underdog" könnte indessen glatt aus der Feder der Pollardschen Indie-Institution stammen: Sesamstraßen-Synthies und Matsuzakis piepsiges Organ wirken anfangs vielleicht etwas kitschig. Sich der kindlichen Euphorie aber auf Dauer entziehen? Fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Auch die psychedelischen Gitarren in "Spirit Ditties Of No Tone" kitzeln den Hörnerv an bisher unbekannten Stellen. Als sich das Stück dem Pop auf Sichtweite genähert hat, bricht es trotzig ab und lässt nur ein sonores Fiepen zurück. Am deutlichsten tritt Deerhoofs Antihaltung im instrumentalen "News From A Bird" zutage: Mehr Trash und weniger Struktur geht schwerlich. Der Midtempo-Agententhriller "Spy On You" macht den Ausfall aber sofort wieder wett.
Den Strauß Buntes erweitern Rolling Stones-Riffs ("You Can See"), kauziger Pixies-Blues ("Siriusstar"), akkordeongestützter Folk ("After Me The Deluge") und 40-sekündige Noise-Attacken zwischen White Stripes und Beangrowers ("Midnight Bicycle Mystery"). In diesem Wust aus Ideen die Übersicht zu behalten, wird durch die Gesangseinschübe von Chris Cohen nicht leichter: Sie sind einer auf Stimme und Hippiegitarre reduzierten Skizze der Flaming Lips oft zum Verwechseln ähnlich und nehmen das Tempo zwischenzeitlich immer wieder raus.
Am Ende stehen 20 charmante Anarcho-Nummern zwischen Klang und Musik, die die Tür vor deutlichen Zugeständnissen an den Rezipienten zuschlagen. Wer keine Angst davor hat, teilweise bimssteinartige Songs ans Nervenkostüm ranzulassen, sei herzlich zur Eroberung dieser Rohdiamanten eingeladen. Alle Deerhoof-Kenner finden auch im Versuchslabor "The Runners Four" mit Sicherheit wieder Dutzende Glücklichmacher.
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