laut.de-Kritik

Bitte, gebt mir ein Loch!

Review von

Unlängst fiel mir beim Aufräumen ein altes Rick Ski-Tape in die Hände. Der Mix samt Cuts, Scratches und Freestyles, unter anderem von FlowinImmo und Toni L, dürfte so aus den späten 90ern stammen. Hui, dachte ich, LSD, einer meiner Lieblingsfreaks, der Funkjoker ... kann man mal wieder anhören.

Nein, konnte man nicht. Bei aller Liebe für alle Beteiligten: Das Band weckte einzig und allein den brennenden Wunsch nach einem tragbaren Loch, wahlweise, um die Kassette darin zu entsorgen oder um selbst darin zu versinken. Meine Güte. Das haben wir mal gefeiert? Is' ja beschämend.

Der Wolf beschert mir exakt das gleiche Gefühl, bloß noch intensiver. Den hat nämlich damals schon niemand so richtig gefeiert, und das aus guten Gründen. Ich wette zwar fast, der Kerl ist ein elend sympathischer Dude. Er kann schon auch irgendwie flowen, auf genau eine ranzige Art und Weise, halt. Seine Liebe zu Hip Hop und Funk will ich ihm keinesfalls absprechen. Aber, bitte, "Turbo Funk" hätte schon altbacken gewirkt, als die Fetten Brote die Zeitansage "Es ist neunzehnsechsundneunzig" in den Äther trällerten.

Weg wie die in diesem Zusammenhang besungene Freundin, mindestens in der Südsee, wäre ich auch gern, sobald der Wolf sein gleich völlig überspannt vorgetragenes "Turbo-Intro" vom Stapel lässt. "Packt euch den Turbo-Fonk!" Glücklicherweise habe ich zu diesem Zeitpunkt noch keinen Schimmer, wie oft ich das bescheuert "Fonk" ausgesprochene Wort "Funk" noch werde hören müssen. Noch wundere ich mich schlicht über die durch und durch unnatürliche Intonation. So redet doch keiner!?

Dramatische Bläser, okay. Die Credits vorneweg schicken, kann man machen. Angesichts des stimmlichen Overactings beschleicht mich allerdings der begründete Verdacht, dass der einzige, der bei der Wahl seines Künstlernamens vorausgeahnt haben muss, dass er einmal in diese Situation kommen könnte, DJ Kopfschuss gewesen sein muss. "Yeah, Bäbäh! Yo, peace!" Der Wolf wirkt mit seiner angestaubten Herumfloskelei wie Udo Lindenberg, der sich, "hallöchen, Popöchen", auch gerne an Vokabular festkrallt, das er wohl immer noch für Jugendsprache hält. Allen anderen kommt das einfach nur endpeinlich vor.

Dem Wolf nicht. Er palavert von "fetten Hip Hop-Tracks" ("Ne, Is Klar"), oder, noch absurder, von seiner "harten Attacke" im "fetten Battletrack" "Arm Ab". Himmel, hilf. Warum er ausgerechnet letzteren mit einem Shoutout an "mein' Mann Wölfi und die mächtigen Kassierer" einleiten muss, verstehe, wer will. Will er sie grüßen? Will er sie battlen? Macht das in seiner Welt überhaupt einen Unterschied?

Zu sagen hat der Wolf ohnehin nichts, etwas Neues, Revolutionäres, Aufregendes oder wenigstens halbwegs Unterhaltsames schon gar nicht. Er beschränkt sich darauf, seine übersichtliche Karriere Revue passieren zu lassen, und erzählt vom Dasein als "Urgestein und Partyrapper", "Dozent für Rap und Scratch" und Plattenaufleger ("Trust Your DJ (Disco-Rapz)". Dass das zweite und dritte Album damals nicht mehr so flutschten, lag natürlich einzig und allein an der bösen Industrie, die dem Wolf und seiner übersprudelnden Kreativität Steine in den Weg gelegt hatte. Verstehe.

Inhalte? Oh, ja! Dafür kocht "Einerseits / Andererseits" Blumentopfs "Liebe & Hass" gar nicht so furchtbar frisch auf. "Die einen sagen so, die anderen sagen so." Ach, was! "Gib Gas, hab' Spaß, ohne Hass, Mann." Echt jetzt? Echt jetzt! Der Wolf predigt mit gelegentlich erhobenem Rassismus-ist-böse-Zeigefinger das friedliche, multikulturelle Abfeiern. Die Ladys darf man dabei durchaus beglotzen, sie aber bitte nicht auf ihr Äußeres reduzieren. Der Mann mit Niveau legt Wert auf Optik und Grips, gibts doch gar nicht.

Der Wolf kommt mir mit seinen Endreim-Massakern vor wie eine Chimäre aus Fettes Brot, Blumentopf und den frühen Fantastischen Vier. Allerdings, man glaubt es kaum, in der Summe noch dröger als die jeweils alleine schon kreuzlangweiligen Bestandteile, und obendrein zweifelhaft gesegnet mit Advanced Chemistry-Gedächtnis-Skills abzüglich Toni Ls Rampensau-Qualitäten. Das Schlimmste aus allen Welten, also.

"Ey, Wolf, ich sollte gar nicht mit dir rappen", so der zur "D-Funk Connection" gebetene Pure Doze. Och, so streng wollen wir gar nicht sein. Wie gesagt: Der "Wiggedi-wiggedi-Wolfmann" ist als Person bestimmt ein voll dufter Typ, mit so einem kann man schon mal alte Zeiten hochleben lassen, in einem schwachen Moment. Man hätte nur die Ergüsse dieser zopfigen Nostalgie-Veranstaltung nicht unbedingt dokumentieren müssen. So aber lässt sie, allenfalls abgesehen von den direkt Beteiligten, doch irgendwie jeden betreten zurück, der nicht mit beiden Ohren auf den Schienen der Geschichte hängengeblieben ist.

Der Electroboogie-Vibe geht klar. Musikalisch liefert "Turbo Funk" trotzdem kein einziges Argument dafür, warum ich statt Billig-Nachbauten von Bambaataas "Planet Rock" nicht lieber das Original oder meine verkratzten Jonzun Crew-Platten hören sollte. Die Beat-Ideen, jeder Effekt, auch die Abstecher in Reggae- und Dancehall-Gefilde, der Exkurs hin zum Drum'n'Bass in "Meet Me Pon Di Dancefloor", selbst die Scratches, alles wirkt komplett überholt, passt insofern also prächtig zu Texten und Vortrag, und die wiederum hervorragend zum Cover-Artwork. Guckste drauf, weißte Bescheid.

"Bei Rap gehts um Rap, und Rap ist zeitlos", behauptet "No School Rules". "Turbo Funk" vereint achtzehn Beweise für die komplette Abwegigkeit dieser Behauptung. Die Platte wirkt, wenngleich neu, noch überholter als Rick Skis am Test der Zeit zerbröseltes 90er-Tape. Die Akteure dort hatten wenigstens gute Entschuldigungen: Sie wussten es nicht besser - und sie waren jung.

Trackliste

  1. 1. Turbo-Intro
  2. 2. Darf Ich Vorstellen ...
  3. 3. Gib Ma Galle
  4. 4. Einerseits / Andererseits
  5. 5. Ne, Is Klar
  6. 6. So Nämmich!
  7. 7. Sie Hat Nichts Weiter Als Das Radio An
  8. 8. Arm Ab
  9. 9. Meet Me Pon Di Dancefloor
  10. 10. Trust Your DJ (Disco-Rapz)
  11. 11. No School Rules
  12. 12. Du Bist Gefährlich
  13. 13. Miami Goldrausch (Fliegen)
  14. 14. Wolf GTI
  15. 15. Wir Tanzen Weiter
  16. 16. Der Phrasensmasher
  17. 17. D-Funk Connection
  18. 18. Gibt's Doch Gar Nicht 2K16

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