laut.de-Kritik

Die Snares knallen wie Maschinengewehre bei Nacht.

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Die mächtigen weißen Flügeltore öffnen sich, klare Streicher ertönen, durchschreitet man den grünen Vorhof. Hereinspaziert in die Maison Desiigner. Der marmorierte Fußboden wirkt etwas kalt, pompöser Stuck wuchert in allen Winkeln. Wie der Mentor legt auch der Protegé großen Wert auf eine schillernde Fassade. Das heimische Ghetto liegt über fünf Autostunden entfernt, doch aus dem Souterrain knallen Snares wie Maschinengewehre in Brooklyn bei Nacht. "Caliber, caliber, get somebody / caliber, caliber, sick somebody / caliber, caliber, rip somebody / caliber, caliber, caliber", womit der Protagonist direkt deutlich machen will: Er kommt, um zu töten.

Bildet "Caliber" einen anstrengenden, doch wenig fordernden Einstieg, legt "Make It Out" sofort zu: Der 19-jährige Brooklyn Native spielt mit seiner kräftigen Stimme, feuert die berüchtigten Adlips auf das gemeinsam mit Khalil King produzierte Brett und bleibt in den Lyrics gewohnt catchy. Er baut großartig Spannung auf und macht klar ("Got a big brick, tryna build a house"), er hat Hunger.

Hrrrrrrrraah! Okay, was geht noch? Sidney Royel Selby III winkt genervt ab, was könnte man mehr wollen. Ein kurzes Durchatmen im Antichambre ("Interlude 1") und das Gemetzel geht weiter. Leider trägt der Hashtag-Rap, der den ehemaligen Chorknaben quasi über Nacht weltbekannt gemacht hat, nicht mal bis zur Hälfte des Mixtapes.

Die einzelnen Stücke verschwimmen zu einem dumpfen Klangbrei, aus dem sich ab und an ein "Yeaaah", "Swaaa" (Ignaz, you feel me?) oder "Grhnrhg" sowie der jeweilge Songtitel erhebt. Die vielen möglichen GOOD-Produzenten verweilen zunächst in der Mottenkiste, der junge Tausendsassa wähnt sich bereits selbst in kreativen Sphären neben seinen musikalischen Ziehvätern.

Doch sein Output bleibt zu austauschbar, bisweilen anstrengend. Desiigner hat anscheinend den für ihn logischen Weg gewählt und riskiert auf "New English" nichts, er recycelt lediglich einen faulen "Panda". Das Tier allerdings hat nur wenig Lust auf Fortpflanzung, lieber lecker Bambus im Schatten knabbern und farblos ins Leere starren.

Desiigner schwebt indes auf den überladenen Beats, was anfangs beeindruckend wirkt, jedoch schnell an Wirkung einbüßt. Der Junge ist nicht greifbar und man ertappt sich dabei, durch die überdimensionale Fensterfront auf das weite Grün zu blicken und dem Hausherren nur noch wenig Beachtung zu schenken.

Ach ja, und Future? Okay, ähnliche Stimmfarbe. Allerdings müsste schon der Klon von Gucci Mane den Schädel des Rappers malträtieren und weite Teile der Basis sowie den Kiefer zertrümmern, bevor man die beiden auf einem Track verwechseln würde.

Wenigstens zum Ende hin holt uns Labelpräsident Pusha T zurück ins Geschehen: Er kommt auf dem knallharten Beat wesentlich präsenter daher und macht "Jet" trotz generischem Desiigner-Part zu einem Schmuckstück des Tapes. Ansonsten hebt sich die Shell God Produktion hervor, "Zombie Walk" ist ein solider Track und bestärkt die Hoffnung, dass Desiigner bald aus dem "Panda"-Schuh herauswächst. Mit den richtigen Partnern an der Seite hat der Brooklyner das Potential, zu einer echten Größe im Rap-Zirkus zu werden.

Apropos "Panda": Von jemandem, der sich für seinen Welthit von Emojis und GTA inspirieren hat lassen und über einen weißen BMW X6 als Panda rappt, sollte man eigenlich gar nichts erwarten. Insofern hat der von Bühnen kotzende Nachwuchsstar alles richtig gemacht, es werden sich schon einige tausend Vine-User finden, die tanzend seine simplen Weisheiten verbreiten. Meme-Potential over 9000.

Denn je einfacher, desto wirksamer weiß unser Gastgeber. Zum Abschied winkt er überschwänglich, als sei er glücklich, bald wieder allein in seinem Elfenbeinturm zu sitzen und in Ruhe an Beats zu schrauben. Energisch geleitet uns der Hausherr über den Vorhof zurück zum prächtigen Eingangstor. Desiigner schenkt ein letztes Lächeln, der goldene Zahnersatz funkelt im Mund des Nachwuchstalents. Ob er deswegen beim rappen die Lippen nicht auseinander kriegt?

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Caliber
  3. 3. Make It Out
  4. 4. Shooters
  5. 5. Monsters & Villains
  6. 6. Interlude 1
  7. 7. Talk Regardless
  8. 8. Roll Wit Me
  9. 9. Interlude 2
  10. 10. Da Day
  11. 11. Jet
  12. 12. Overnight
  13. 13. Zombie Walk
  14. 14. Panda

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7 Kommentare mit 3 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Hat jetzt endlich bewiesen, dass er ein One-Hit-Wonder ist. Kann man das Thema Desiigner dann jetzt abhaken?

  • Vor 7 Jahren

    Gut, dass ich es mir doch noch nicht angehört hatte. Scheint ja ziemlicher Ranz zu sein.

    Was sagt der Affe dazu?

    • Vor 7 Jahren

      Kann man sich sparen. Da ist es zehnmal spannender, die Kommentare unter seinem Freestyle hier zu lesen: https://www.youtube.com/watch?v=5AP5zQrJRIg

      "his nostrils are so huge i thought i can see his brain"

      :D

    • Vor 7 Jahren

      Ein paar der Freshmen 2016 sind echt mies :rayed:

      Lil Yachti, ey, wie kann man das feiern?

      "He's so bad that he's off beat on an acapella" :lol:

      Okay, Denzel Curry, Dave East und Lil Dicky (wtf) haben schon was drauf.

    • Vor 7 Jahren

      Denzel Curry mutet ein wenig seltsam an in so 'ner Liste, aber jo, sowieso.

      Dave East sagt mir nichts und Lil Dicky kann ich einfach nicht feiern. Kodak mag ich wie gesagt, damit stehe ich aber scheinbar alleine da. :D
      Und seit ich ihn mit dieser Frisur gesehen habe, kann ich ihn nicht mehr ganz ernst nehmen. Er sieht halt knallhart wie eine dieser Figuren aus Super Mario Brothers aus. :D

      Lil Uzi Vert, naja, kann ich mir zum Teil geben. Lil Yachti noch schwieriger. Höre ich beides tendenziell kaum bis gar nicht.
      Hype um das Drumherum kann ich allerdings nachvollziehen, nachdem ich ein paar Interviews gesehen hatte, bei der Musik selbst weniger.

  • Vor 7 Jahren

    Gerade reingehört. Ziemlich miese Kopie von Future würde ich sagen, beide klingen zuweilen sehr ähnlich. Wohingegen bei Future die Beats ausgewogen, zum Teil angenehm minimalistisch, gestaltet sind, sind sie auf diesem Album derartig überladen, von den nervigen Adlibs ganz zu schweigen.