laut.de-Kritik
Delfintherapie für die ganz harten Jungs.
Review von Dani FrommFür Herbst hatte Dr. Knarf sein Album versprochen - für den des Jahres 2009, wohlgemerkt. Nun sind seit dem Appetizer doch fast drei Jahre ins Land gegangen. Von einem Schnellschuss kann also keine Rede sein.
Der leicht größenwahnsinnige Plan, mit "Kniwolution" das Album-Format zu sprengen und gleich einen Film daraus zu machen, scheiterte offenbar an der Realität. Zumindest bei der ersten der beiden in "Was Ich Liebe" besungenen Herzensangelegenheiten scheint es sich also - zumindest bisher - um unerwiderte Zuneigung zu handeln: Ohne Moos nix los.
Dafür erhört Dr. Knarf die zweite Angebetete: Seine innige Beziehung zum Rap hat er in den seit seiner Initiation durch den Wu-Tang Clan reichlich verstrichenen Monaten offenbar noch vertieft. "Über die Jahre änderte sich das Ziel für mich. Erst wollt' ich Rapskills, dann die deepsten Lyrics", blickt er in "Acht Takte" (richtig, das kennen wir bereits von "Wie Ich Flieg") nachdenklich auf seinen Werdegang zurück. "Jetzt hab' ich beides." Stimmt das denn?
An seinen technischen Fähigkeiten lässt Dr. Knarf keinen Zweifel zu. Ganz gleich, in welchem Ausmaß er das Hip Hop-Geschäft auch verachten mag: Der Kerl spittet todsicher im Takt, dass die Spuckefäden fliegen. Knarf rollt über seine Reime, brettert über die Beats und entwickelt stellenweise einen so hungrigen, fiesen Flow, dass man - wie in "Haifisch" - schier den Geifer von den Zähnen tropfen hört: Delfintherapie für die ganz harten Jungs.
Auf die "deepsten Lyrics" muss allerdings eine Weile warten, wer sich auf "Kniwolution" einlässt, stehen doch etliche Tracks eher mageren Inhalts am Anfang. "H.K.I.C Pt. II", ein Representer für die eigene Meute, ausgelutschtes Ficki-Ficki in "Mädchen" oder die "Ta$h Mucke" erwischen, obwohl handwerklich erstklassig dargereicht und auf stimmigen Beats angerichtet, wohl eher eine Klientel, die gerade verzweifelt mit dem entwicklungsbedingt ansteigenden Testosteronspiegel klarzukommen versucht.
Die Themendürre verliert sich aber glücklicherweise im Verlauf - und ergibt im Gesamtbild sogar ein seltsame Art von Sinn. Das hörspielartig umgesetzte Drehbuch nämlich ist "Kniwolution" geblieben. Wenn aus dem Film schon nichts wurde, muss man deswegen noch lange nicht auf den cineastischen Charakter verzichten, der von Beginn an regiert.
So begleiten wir unseren Helden durch Höhen und Tiefen des Gangster-Daseins und bezeugen in "Blaulicht!" den jähen Sturz aus der Illusion selbstsicherer Überlegenheit in die nackte Panik angesichts der drohenden Verhaftung. "Bullen!" Von der Coolness bleibt wenig übrig, zu Kurzschlusshandlungen neigst du, wenn du "Alle Gegen Dich" wähnst.
Dr. Knarf breitet einen ausufernden Plot vor seiner Leserschaft aus, den stimmig eingebastelte Geräusche, Samples und Einschübe illustrieren. Statt einen stringenten Handlungsstrang zu verfolgen, wendet sich das Blatt fortwährend, das Geschehen windet sich so permanent aus der Absehbarkeit heraus.
"Bin Ich Tot Oder Lebe Ich?" Wer kann das schon genau wissen? Ans Ende stellt Dr. Knarf so oder so die Moral: "Genieß jeden Tag, den du hast. Morgen könntest du schon tot sein." Seinen eigenen Abschied hat er da längst - ein wenig kitschig, aber stilvoll - in Szene gesetzt. Den würdigen "Abgesang" steuert Konstantin Wecker bei.
Zuvor hat sich Dr. Knarf bis auf die Knochen unter die Haut gebrannt, wenn er die vergebliche, weil schon lange aufgegebene Hoffnung auf das "Paradies" aus der Perspektive der Unberührbaren schildert, die auch unser Kulturkreis kennt: Einem Penner, einer Prostituierten, einem Knastbruder legt er Worte in den Mund, die Abgründe aufreißen. Die quälende Sehnsucht wächst sich zu einer beinahe körperlich spürbaren, schmerzhaften Erfahrung aus.
Den politischen Rundumschlag über orientalisch gefärbten Dancehall-Vibe in "Wie Ich Flieg" darf Dr. Knarf meinetwegen ungestraft von seiner EP recyclen - zumal die zentrale Frage immer noch nicht geklärt ist: "Wo ist meine Krone?"
1 Kommentar
Dieses Album ist eine Herbe enttäuschung, da hätt ich mir nach der "Wie Ich Flieg" EP bedeutend mehr von versprochen. Um ehrlich zu sein sind die EP Überbleibsel das einzig wirklich taugliche vom Album. Schade 2/5