laut.de-Kritik

Nach dem "Views"-Totalausfall zurück zu alter Form.

Review von

Drizzy bleibt Trendsetter wie Flizzy. Statt Album oder Mixtape erklimmt er über Spotify und Co das nächste Level und haut einen wilden Mix aus Features und Styles kanalmonogam als Playlist raus. Dancehall, Grime, Trap, Soul, House und viel klassischer OVO-Sound - Drake verausgabt sich auf den 22 Tracks komplett, dehnt seinen Style über die ganze Welt aus und fährt nebenbei noch Slalom durch sein momentanes Leben.

Nach dem "Views"-Totalausfall und seiner Vernichtung auf dem Future-Kollabowerk "What A Time To Be Alive" findet Drake in allen Facetten zu alter Form zurück. Oft rappt er straight und hungrig wie einst, disst munter seine Lieblingsfeinde Tory Lanez, Meek Mill und Kid Cudi und findet auch seine wunderbaren Melodien und Hooks wieder.

Im böse blickenden Opener "Free Smoke" erklärt er kurzerhand die Beziehung mit J-Lo für beendet: "I drunk text J-Lo / Old number, so it bounce back." Der Beat von Boi-1da-hätte auch dem superben "Savage Mode"-Projekt gut zu Gesicht gestanden. Auch "KMT" produziert von Ness, der jüngst einige Brecher zum hörenswerten Don Q-Mixtape "Corner Season" beisteuerte, marschiert später ähnlich gnadenlos aus den Boxen.

Auf dem heimlichen Höhepunkt "Teenage Fever" lässt Drake sich 90er Soul-Pop mit modernen Drum-Sounds und J. Los monströsen "If You Had My Love"-Samplehook anrichten – um mit der intimen, ersten Zeile "Your heart is hard to carry after dark" den Fan in seinen Fiebertraum zu ziehen. Der intensive Slow Jam "Since Way Back" zitiert "Clipped Wings" von R. Kelly und wechselt wie bekannt den Beat für Drakes Autotune-Outro.

Auf dem blubbernden Kanye-Feature "Glow" gewinnt Drake die Herzen mit einem wavy-vibenden Hook, der auch Max B oder French Montana zur Ehre gereicht hätte. "Blem" überzeugt mit zischendem Snare-Sound, einem vertrackter Rhythmik-Mix aus Grime, Dancehall und klassischen Drake-Sound und seinem bekannt-formidablen Singsang-Rap-Flow.

Die Playlist mit so vielen Sounds und Gästen ist wider Erwarten keine bloße Zusammenstellung und auch nicht so wild und frei, wie es auf den ersten Blick scheint. Drake kuratiert zwar manchmal wie Travis Scott, drückt aber den meisten Tracks seinen Stempel auf. Nur ein paar Mal gönnt er den Gästen das Spotlight – und vor allem Young Thug, Quavo und Skepta reimen tight. Thugga gar tighter als tight. In "Sacrificies" ledert er los wie Poldi, rappt zu Beginn ohne Schnickschnack, nur um dann in der Versmitte wieder komplett abzudrehen. Dagegen ist sein zweites Feature für "Ice Melt" Jeffrey-Style pur. Thugga-Reggae war 2016 der schönste Sound – und ist es auch im Frühling 2017.

Migos' Quavo kennt ebenfalls keine Pausen. Währen seine Homies Offset und Takeoff die neuen Goldplatten zählen, springt Quavoals Gast von Tape zu Album zu Playlist. In "Portland" trifft er Drake, Travis Scott und Produzent Murda Beatz und feiert die ganz große Trap-Club-Sauce. Anscheinend können nicht nur Metro Boomin und Future Flöte wie deutsche Imbisse in den 80ern. Grime-Star Skepta darf dann auf seinem Interlude als einziger solo über holpernden Synthie-Kopfnicker rattern.

Komplette Ausfälle gibt es keine. Zwar trifft nicht jeder Track ins Schwarze, aber Drake croont sich locker durch die Weltmusik. Der Jung hat einfach Spaß, "It's my world / You can have the scene", wie es Skepta für ihn formuliert. Ob es nun ein karibisch-poppiger "Madiba Riddim" ist, House Musik in "Passionfruit" oder die dunkel, knisterende Elektro-Ballade "Nothing Into Something" - Drizzy lebt sein "More Life"-Motto (und Song von Drizzys Liebling Vybz Kartel) offen aus. Ist dieser Begriff doch ein jamaikanisches Sprichwort für Carpe Diem – und Drake genießt jetzt erst einmal das gute Leben in vollen Zügen.

Auf dem "Do Not Disturb"-Outro verabschiedet er sich daher von den Fans: "Taking summer off cause they tell me I need recovery / Maybe gettin’ back to my regular life will humble me / I’ll be back in 2018 to give you the summary." Die Playlist als Album mit 15 Tracks wäre ein potentieller Klassiker geworden, trotzdem findet jeder genügend Futter für seine eigene Playlist. Bis 2018.

Trackliste

  1. 1. Free Smoke
  2. 2. No Long Talk (featuring Giggs)
  3. 3. Passionfruit
  4. 4. Jorja Interlude
  5. 5. Get It Together (featuring Black Coffee and Jorja Smith)
  6. 6. Madiba Riddim
  7. 7. Blem
  8. 8. 4422 (featuring Sampha)
  9. 9. Gyalchester
  10. 10. Skepta Interlude
  11. 11. Portland (featuring Quavo and Travis Scott)
  12. 12. Sacrifices (featuring 2 Chainz and Young Thug)
  13. 13. Nothings Into Somethings
  14. 14. Teenage Fever
  15. 15. KMT (featuring Giggs)
  16. 16. Lose You
  17. 17. Can't Have Everything
  18. 18. Glow (featuring Kanye West)
  19. 19. Since Way Back (featuring PartyNextDoor)
  20. 20. Fake Love
  21. 21. Ice Melts (featuring Young Thug)
  22. 22. Do Not Disturb

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8 Kommentare mit 26 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Views = Totalausfall? Das Ding war jetzt nicht mega gut, aber schon Mittelmaß. Und Future hat Drake auf WATTBA vernichtet? Ich hab mich bei dem Teil immer gefreut, wenn ich was anderes als Futures eintöniges Autotune-Geplänkel mit außschließlich der selben Tonlage gehört hab. Ich hasse Future nicht, aber auch die beiden Alben von ihm dieses Jahr waren meiner Meinung nach einfach nur langweilig.

    Aber die Review hier geht klar. More Life ist nice und perfekt für den Sommer!

  • Vor 7 Jahren

    also der Totalausfall liegt glaub ich eher bei dieser Review. Dake "hungrig"? Potenzieller "Klassiker"? Junge, Junge... Der Mann ist Geschichte und weiß es selber, deswegen stellt er sich auf der Scheibe auch selbst in den Hintergrund, so oft er kann. Da ist nix mit "Stempel aufdrücken", bei richtig vielen Tracks ist Drizzy nur ein Feature (meistens nicht mal ein allzu gutes, auf Autopilot).
    Ich mag Drake eigentlich. seit If your reading this... hat man bis auf den Calabasas-Track nichts hörenswertes von ihm gehabt.
    Aber Kritiker dickriden heutzutage eben die erfolgreichsten... na sowas hats nicht gegeben, als 50 Cent ganz oben war und nur gestuntet hat und sonst nix :P

  • Vor 7 Jahren

    Unabhängig von diesem Album und dem für Drake mehr als glücklich verlaufenden beef mit Meek, scheint er sich ausschließlich "Feinde" zuzulegen, die zwei Klassen über ihm sind.

    Cudi ist der art fag, der er nie sein wird, Tory ist das, was Drake gerne wäre bzw. hätte werden können und Meek hat(te) sich Nicki gekrallt. Zu Pusha muss ich nichts sagen, der spielt nichtmal im selben Kosmos wie ein Drizzy.