laut.de-Kritik

Dynamischer Postpunk, empfohlen von Foals und Idles.

Review von

In unserer Liste der schönsten Cover des Jahres ungerechterweise zu kurz gekommen und auch sonst sträflich weit unter dem Radar: Egyptian Blue. Aber es steht ja alles noch auf Anfang bei dem britischen Quartett: "A Living Commodity" ist ihr gehyptes Debütalbum, mit dem nicht wirklich zu rechnen war, wenn man sich die Anfänge näher betrachtet. Im über einem Juwelier in Colchester gelegenen Proberaum ging es 2018 in erster Linie darum, die Nächte durchzumachen, Reverb und Delay über den eigenen Krach zu legen und diesen Trip mit zwei Litern Whiskey abzuschmecken. Endlose Jamsessions und die wie von Zauberhand entstandene gute Laune ist so ziemlich das einzige, was Egyptian Blue ins Jetzt hinübergerettet haben.

Von Colchester ging es in den Süden nach Brighton, Drummer Isaac Ide kam an Bord und nach zwei EPs und Tourneen mit The Murder Capital und den Foals (auf Wunsch von Yannis Philippakis) flatterte schließlich ein Label-Deal des früheren Maccabees-Gitarristen Felix White ins Haus. Statt Party folgte dann aber Pandemie, wodurch alle Euphorieschübe über Nacht eingedampft wurden. Heute sieht Sänger Andy Buss darin nur Positives: "Ich denke, es war am Ende ein Segen für die Band, weil wir plötzlich Zeit hatten, an unserem Sound zu feilen". Die Presse wiederum reagierte geradezu euphorisch, schnell wurden Vergleiche zu den Idles gezogen, deren Sänger Joe Talbot für Egyptian Blue zwei warme Worte übrig hatte: "Fucking sick!"

"Matador" macht das, was ein Opener machen muss: Er geht nach vorne dank tighter Rhythmusarbeit, duellierender Gitarren und einem rasanten Vortrag der beiden Sänger Buss und Leigh Ambrose. Die Nähe zu den frühen Gang Of Four in den kantigen Gitarrenläufen und den minimalistischen Breaks ist sofort spürbar. "Nylon Wire", neben "To Be Felt" der einzige alte Song, der (in überarbeiteter Form) aufs Album gekommen ist, legt noch einen Gang zu, verzichtet aber auf auf einen Refrain und verändert nach der Hälfte komplett seine Songstruktur.

Es sind diese Details, die die Spannung aufrecht erhalten und "A Living Commodity" aus dem Gros neuer Postpunk-Alben herausragen lassen. "Belgrade Shade", wie "Matador" aus einem endlosen Jam entstanden, bringt etwas Ruhe und einen psychedelischen Ton mit ins Spiel. Das hypnotische "Skin" greift nochmal tief in die Gang Of Four- und PIL-Kiste. Ihren rauflustigen Drive kanalisieren sie immer wieder in komplexe Arrangements ("A Living Commodity") oder bauen einsturzbedrohte Gebilde aus Bass und Schlagzeug, bis gerne schon nach der ersten Hälfte das Abrisskommando Buss & Ambrose anrückt ("Geisha"). Der Star ist hier eindeutig die Dynamik und nur selten wirkt sich dies zu Lasten des Songwritings aus ("Contain It"). Mit nervöser Geste und hochkonzentrierter Wall Of Sound verabschiedet uns "Geisha" aus einem spannenden Debütalbum, von dem mehr als ein schönes Cover-Artwork in Erinnerung bleibt.

Trackliste

  1. 1. Matador
  2. 2. Nylon Wire
  3. 3. Belgrade Shade
  4. 4. Skin
  5. 5. In My Condition
  6. 6. A Living Commodity
  7. 7. Apparent Cause
  8. 8. Suit Of Lights
  9. 9. To Be Felt
  10. 10. Contain It
  11. 11. Geisha

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