laut.de-Kritik
Der Schönklang mündet im Inferno.
Review von Alexander CordasDrei Jahre ist es her, seit Matthew Cooper aka Eluvium mit "Nightmare Ending" ein weiteres schönes Werk auf die Menschheit losgelassen hat. "False Readings On" befasst sich laut Cooper mit dem Begriff der kognitiven Dissonanz, einem unangenehmen Gefühl, das einen befällt, wenn man Wahrnehmungen, Gedanken, Meinungen, Wünsche oder Einstellungen hat, die nicht miteinander vereinbar sind.
Von diesem Ausgangspunkt zeichnet Cooper einen Weg vor, der es einfacher machen könnte, seinen elf neuen Stücken zu folgen und verschiedene Dinge (hier: Stilelemente) unter einen Hut bringen. Schon der Opener verdeutlicht dies. Im typischen Eluvium-Stil legt er über ein UKW-Rauschen aus dem Radio sakrale Akkorde aus dem Keyboard, die wie in Sepia getaucht klingen. Vereinzelt tröpfeln Klaviernoten in das gemalte Bild. Fast könnte man meinen, man hätte den "Copia"-Cooper wieder zurück. Aber dann wirft Geheul, das an eine Opernarie einer Medusa erinnert, fiese Klekse auf die Wohlklang-Leinwand.
"Fugue State" führt diesen Ansatz fort, geloopte Keyboard-Arpeggios mit wimmernden Geistergeflirre zu versehen. Eingängigkeit sieht anders aus. "False Readings On" muss man sich erst einmal erarbeiten, ehe das Kopfkino beginnen kann.
Den Opern-Reigen schießt dann "Regenerative Being" ab, in dem man den Gesang am ehesten noch als menschlich identifizieren könnte. Über Streicher-Sounds, wabernde Klänge und Piano-Tupfer kreischt eine Dame in schwindelerregenden Höhen, ehe der Track mit hintergründiger Waberei und dezentem Rauschen im Off entfleucht. Den Schlusspunkt unter den Song macht ein dissonantes Geknödel, das an manisches Violinenspiel erinnert. Kann man, muss man aber nicht mögen.
Mit "Washer Logistics" zieht Cooper die White Noise-Wand hoch. Die zu Beginn hörenden sphärischen Keyboard-Flächen begräbt er unter einer immer anschwellenderen Drone-Welle, die sich aus dem Hinter- in den Vordergrund schiebt und den Hörer förmlich an die Wand drückt, beziehungsweise das Trommelfell an den Hammer an den Amboss an den Steigbügel.
"Movie Night Revisited" bildet daraufhin den atmosphärischen Ruhepol. Eine tönende klare Nacht, flankiert von Chorälen unterm funkelndem Sternenhimmel als Gegenentwurf zum dröhnenden Noise-Konglomerat, aber leider schon nach viereinhalb Minuten vorbei. Auch "Beyond The Moon For Someone in Reverse" kommt nicht ohne stimmliche Unterstützung aus. Heller Chorgesang, von Orgel-Klängen und Streichern untermalt, führt die sakral anmutende Stimmung des Vorgängerstücks fort.
Man könnte Matthew unterstellen, dass er es seinem Publikum absichtlich schwer machen möchte, dieses Album zu lieben. Auf der einen Seite hat er wunderbare Melodien im Programm wie das schöne Piano-Interlude "Individuation", das er im Popsong-Format abhandelt. Auf der anderen Seite steht ein Monstertrack wie "Posturing Through Metaphysical Collapse". In seiner 17-minütigen Spielzeit fasst er das Album beispielhaft zusammen. Der Schönklang mündet im Climax bei Minute 14 in ein Drone-Inferno der obersten Kajüte, ehe der Longtrack dann fast schon lieblich mit Streichern ausklingt.
So richtig schlau wird man aus dem Herren nicht. Ist das nun ganz große Kunst, mittels schizophrener Ansätze scheinbar Unvereinbares unter einen Hut zu bekommen: Melodie vs. Krach? Oder sitzt dem Amerikaner etwa der Schalk im Nacken. Für überbordende Albernheiten war der Musiker bislang eher nicht bekannt.
Auch "False Readings On" besitzt wunderbare Momente. Mit den Gegensätzlichkeiten des Albums muss man aber klarkommen.
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