laut.de-Kritik

Comeback im Weichspülgang.

Review von

"Immer wieder Extrabreit / und kein Ende weit und breit", schallt es in einer Dauerschleife aus den Boxen. Ja, die einst kantigsten NDW-Vertreter aus Hagen sind auch nach vierzig Jahren auf Reisen nicht totzukriegen. Zwölf Jahre nach ihrem letzten Studioalbum "Neues Von Hiob" melden sich Kai Havaii, Stefan Kleinkrieg, Rolf Möller und Co. mit einem 16 Songs umfassenden Comeback-Werk zurück.

Der krachend punkige Blick in den Rückspiegel, den sich viele Anhänger der ersten Stunde erhofft haben, ist es dann aber doch nicht geworden. Stattdessen brausen die "Fressen Aus Dem Pott" im schnieken Cabrio durch die nordrhein-westfälische Einöde und orientieren sich dabei musikalisch an schlageresken Hosen-Sounds und dem weichgespülten Spirit alter 80s-Hymnen.

Zum kurzzeitigen Mitgrölen, Abtanzen und Zuprosten mit perligem Schaumwein reicht es allemal. Wer beim Bierzelt-DJ eine härtere Gangart einfordert, der wird simpel strukturierte Rock-Kost à la "Vorwärts Durch Die Zeit", "Sonderbar" und die bereits erwähnten Vorzeigehymnen "Fressen Aus Dem Pott" und "Immer Wieder Extrabreit" genauso abfeiern wie Steffen Henssler einen großen Teller Spaghetti Carbonara.

Freunde des einst bockig und gallig runtergerotzten Punk'n'Roll hingegen schauen im Spätherbst 2020 in die Röhre. Die Breiten ziehen mit "Mary Jane" um die Häuser, erfreuen sich an Multitasking-Talenten für den Haushalt ("Robotermädchen") und spucken dem Sensenmann mit breitem Grinsen in die Suppe ("Seine Majestät Der Tod").

Jeden "Donnerstag" klopft Wolle Petry an die Proberaumtür. Für den erhofften Kurzbesuch von Mike Ness ("Meine Kleine Glock", "War Das Schon Alles?") reicht es leider hinten und vorne nicht. Die Kleinkrieg-Riffs verpuffen radiofreundlich entzerrt im Breitwand-Nirgendwo. Ein paar Bläser ("Vorwärts Durch Die Zeit") und ganz viel angestaubter Pathos ("Gib Mir Mehr Davon") machen das große Ganze nur bedingt interessanter.

Einzig Stöckeschwinger Rolf Möller scheint sich noch an die Energie und den Rotz vergangener Tage zu erinnern. Wie eine Maschine treibt der 64-jährige Drummer seine Vorderleute an. Am Ende kann aber auch er nichts daran ändern, dass sich nicht nur die Band, sondern auch der Fan von Alben wie "Ihre Größten Erfolge" und "Welch Ein Land! – Was Für Männer:" nach knapp fünfzig Minuten die Frage stellt: "War Das Schon Alles?"

Trackliste

  1. 1. Die Fressen Aus Dem Pott
  2. 2. Vorwärts Durch Die Zeit
  3. 3. Robotermädchen
  4. 4. Winter
  5. 5. Sonderbar
  6. 6. Gib Mir Mehr Davon
  7. 7. Mary Jane
  8. 8. Meine Kleine Glock
  9. 9. Ganz Neuer Tag
  10. 10. Donnerstag
  11. 11. Kein Zurück
  12. 12. Seine Majestät Der Tod
  13. 13. War Das Schon Alles
  14. 14. Und Über Uns Der Himmel
  15. 15. Immer Wieder Extrabreit
  16. 16. Geiles Teil

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