laut.de-Kritik
Noir-Ästhetik zwischen Art-Pop, Blues und Trip-Hop.
Review von Yannik GölzJasper Maekelberg sticht durch reine Vielfalt aus der belgischen Musikszene hervor. Nicht nur, weil er auf eine große Zahl an Sounds und Instrumenten zurückgreift, sondern auch, weil dies nun bereits sein fünftes Involvement in ein größer skaliertes Bandprojekt darstellt. Nach seiner Arbeit für Bazart, Tzar B, Warhola und das vermutlich prominenteste Projekt Warhaus (Produzent und Teil der Live-Band) liefert er mit Faces On TV nun einen kompletten Soloflug ab. Trotz vieler Stärken im Sounddesign knüpft "Night Funeral" nicht ganz an die Songwriting-Qualität eines "We Fucked A Flame Into Being" an.
Dabei fällt schon die stilistische Einordnung schwer. Maekelberg wagt einen Drahtseilakt zwischen Blues und Art-Pop, dessen größte Konstante die stringent durch die Platte aufrecht erhaltene Film Noir-Ästhetik ist. Dazu gesellt sich besagte Experimentierfreude, die sich vor allem in originellen Perkussionen und Holzbläsersegmenten ausdrückt.
Herausragende Momente liefern "The Image Of Boy Wonder" und "Slowly Fading Out", auf denen die eigenwilligen Texturen und Kompositionen intensiv und intuitiv zusammenfließen. Ersteres überzeugt mit orientalisch anmutenden Bläsersamples und einem subversiv im Hintergrund lauernden Basslauf, wodurch eine organische und überzeugende Spannung entsteht. Zweiterer schafft über sechs Minuten das vielleicht effektivste Moodpiece der Platte, indem es sich in synthetischen Bass-Schlägen, Marimba-Perkussionen und atmosphärischen Samples genug Raum verschafft, den verwaschenen Gesang sinnvoll als Stilmittel einzusetzen.
Verklingen erst einmal die etwas treibenderen Drumgrooves wie auf "Suspicious" oder "Dancing After All", entpuppt sich Trip-Hop als eine der überraschend klaren Vergleichspunkte. Nicht nur, weil Maekelbergs unterkühlter, abwesender Gesang ein wenig an einen Tricky erinnert oder weil "Dancing After All" klingt, als hätte Massive Attack einen Ed Sheeran-Song produzieren wollen, es ist der gesamte Vibe dieses Albums, der den Verweis auf Downbeat-Musik nahelegt.
Hier befindet sich auch eine merkliche Schwäche, denn abseits der markanteren Momente fühlen sich weite Teile von "Night Funeral" an wie etwas drucklose Portishead-Leftovers, die zwar für sich atmosphärisch und eingängig genug daherkommen, denen aber doch ein wenig Grimm und Intensität fehlt, um sich über die Tracklist angehäuft nicht dröge anzufühlen.
Nummern wie "Same Thing", "Tell Me" oder "Call Me Up" überzeugen für sich betrachtet, ziehen sich im Albumkontext dann aber doch ein bisschen zu sehr. Die Vocal-Performances helfen auch nur bedingt, da sie trotz ihres markanten Charakters immer eine Graustufe davor stehen, wirklichen Eindruck zu hinterlassen. Jasper selbst klingt etwas zu abwesend, seine Gastsängerinnen meist etwas zu unpersönlich. Der Funke springt selten gänzlich über.
Dafür kommen die Elemente auf dem Titelsong noch einmal sehr überzeugend zusammen. Die nokturnale Piano-Melodie mit Uhrwerk-Percussion erzeugt mit wenig Mitteln eine dichte, faszinierende Stimmung. Die Streicher füllen dazu notwendigen Raum auf, wodurch der Song sich stimmig und komplett anfühlt, hier gehen musikalische Wagnisse Hand in Hand mit einer zufriedenstellenden Dramaturgie im Track.
Leider fehlt dieses Gefühl von Schärfe im Songwriting der Platte sonst immer wieder, so dass sich manche Titel schlicht zu skeletthaft und unraffiniert anfühlen, um den Hörer wirklich für sich zu gewinnen. "Night Funeral" versteckt sich letztlich noch zu sehr hinter der spannenden Ästhetik, um wirklich ergreifende Songs zu produzieren.
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