laut.de-Kritik
Fancy wandert zwischen Kunst und Kitsch.
Review von Daniel StraubItalo-Disco und alle verwandten, zumeist unter südlicher Sonne geborenen und dort auch vorzugsweise weiterhin gepflegten Musikstile erfreuen sich in unserer Redaktion nicht gerade großer Beliebtheit. Gibt man sich als Freund italienischer Tanzmusik zu erkennen, so folgen Häme und Spott auf dem Fuße. Und schon die beiläufig fallengelassene Frage: "Fancy? War das nicht der mit 'Slice Me Nice'?" reicht aus, um zur CD-Besprechung verdonnert zu werden.
So liegt sie nun also vor mir: die Neue von Fancy. Die bunt angeleuchtete Spiegelkugel, die kontrastiert mit Fancys Profil das Cover von "Locomotion" ziert, ruft Bilder einer längst vergangene Zeit wach. An die Zeit von Eurodance und Italodisco. Das war Mitte der 80er, als die Stranddiscos in Rimini und entlang der italienischen Adria ihren eigenen Discostil prägten. Damals hatte auch Fancy mit "Slice Me Nice" seinen ersten großen Hit. Das war vor mehr als 15 Jahren. Und heute?
Heute lege ich den 44 Minuten und 57 Sekunden langen Silberling in meinen CD-Player und weiß nicht, was ich schreiben soll. Einerseits sind darauf einige besonders dreiste Coverversionen, wie Roy Orbisons "Pretty Woman" oder "All My Loving" von den Beatles, die jeden Respekt vor dem Original vermissen lassen (Pluspunkt), diese Frische dann aber nicht in eine eigene Interpretation umsetzen können und es sich statt dessen gefallen lassen müssen, mit schlechten Plagiaten in einen Topf geworfen zu werden (Minuspunkt). Schnell produzierter Supermarktschlagerpop.
Andererseits sind darauf Tracks, in welchen Fancy sein Talent voll ausspielen kann: Charttaugliche Mitgrölrefrains mit Affinität zum Schlager. Toll! Was gibt es Schöneres als seine Nächte mit frisch gepuderten Nasenflügeln, dem siebten Caipirinha in der einen, einer dunkelhaarige Discoqueen in der anderen Hand, zu verbringen und etwas zungenschwer "Na Na Na Na Hey Hey Hey Kiss Him Goodbye" aus voller Kehle mitzubrüllen. Fancy, das war schon immer die Gratwanderung zwischen Kunst und Kitsch, Abstürze zur einen oder anderen Seite durchaus inbegriffen.
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