laut.de-Kritik

Die Parallelwelt der Ameries, Mariahs und Ashantis.

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Echte Soulmusik hat derzeit keinen leichten Stand. Wie es scheint, muss man zwangsläufig ein wenig in die spirituelle Richtung driften, Yogi-Tee trinken und von kultureller Identität säuseln, um sich von der Parallelwelt des Plastik-R'n'Bs à la Amerie, Mariah und Ashanti zu distanzieren. Neo-Soul-Ikone Erykah Badu hat es vorgemacht und diese Schiene nachhaltig und erfolgreich geprägt.

Dass hochwertiger Neo-Soul (so abgelutscht dieses Etikett mittlerweile klingen mag) auch ohne alternative Schutzhaltung gegenüber modernem R'n'B-Materialismus funktioniert, beweisen die Damen des Duos Floetry. Von der Industrie durchaus akzeptiert - mehrere Grammy-Nominierungen schmücken die Biografie - läuft es hinsichtlich absatzwirtschaftlicher Erfolge jedoch weniger rosig. Trotz einer respektablen Stellung in der Szene, bleibt der kommerzielle Erfolg aus.

Zu Unrecht, denn Marsha Ambrosius und Natalie Stewart präsentieren sich auf ihrem mittlerweile zweiten Studioalbum erneut als betörende Vertreter der kontemporären Soul-Szene. Ihre Mischung aus Gesang und Spoken Words-Elementen reißt den Floetry-Sound aus dem bekannten Rap-R'n'B-Schema heraus. The Songstress (Ambrosius) verfügt über ein facettenreiches Organ und The Floacist (Stewart) trägt ihre Spoken Words nicht weniger begeisternd vor. Durch diese Mischung meistert das Duo ohne Ausfälle den bekanntermaßen schweren Gang nahe den Abgründen des gähnend langweiligen Pop-R'n'Bs.

Unterstützung bekommen die Damen von Musikern, die selbst auch Grammy-Erfahrungen vorweisen können: Raphael Saadiq, Scott Storch und Rapper Common. "Lean Back"-Komponist Storch schaltet bei der ersten Singleauskopplung "Supastar" im Gegensatz zu dem Terror Squad-Track einige Gänge zurück, lässt einen flockigen Bass pumpen, wirft die üblichen Soul-Zutaten in den Topf, an dem sich Floetry mit Unterstützung von Common unpeinlich poppig bedienen.

"My Apology", erneut von Storch komponiert, nimmt quasi die mächtige Bassline von "Lean Back" auf, verpackt diese in lockeres Klimpern und melodischen Singsang, dass sie nicht annähernd so bedrohlich wirkt, wie man es von dem Ex-Lil Kim-Lover gewohnt ist. Saadiq schlägt bei seinem Beitrag wie gewohnt eine etwas andere Richtung ein, ohne sich aber vom Gesamtbild des Albums allzu weit zu entfernen. Bei ihm klingen Drums, Kicks und Snares einfach immer anders. "Imagination" ist dabei sicher nicht die größte Meisterleistung, die der ehemalige Lucy Pearls-Kopf gezaubert hat. Dennoch erfüllt der Track seinen Zweck: soulige Unterhaltung mit inhaltlichem Tiefgang.

Und mit jedem neuen Track, der zwar nicht revolutionär, aber trotzdem hochqualitativ aus den Boxen floet (sic), fragt man sich als Hörer, wieso Floetry nicht in einem Atemzug mit Badu, Jill Scott oder Angie Stone genannt werden. Die Songs sind allesamt hochwertig produziert, schließen nahtlos aneinander an und erfreuen immer wieder durch kleine Ideen: G-Funk-Töne im Zusammenspiel mit ruhig arrangierten Streichern, ein springender Bass, dann wieder gar keiner, eine E-Gitarre, die dieses Metier sehr selten in die Hand nimmt und immer wieder die klaren Spoken Words-Einlagen von Natalie Stewart.

Immerhin müssen Marsha Ambrosius und Natalie Stewart nicht ganz ohne Fans leben. Als Bewunderer haben sich nämlich schon einige bekannte Kollegen geoutet: Patti La Belle, Earth, Wind & Fire, Michael Jackson, 50 Cent und The Game etwa. Letzterer hat zumindest Marsha auf seinem Album "The Documentary" die Möglichkeit gegeben, eine Hookline für ein Millionenpublikum einzusingen.

Trackliste

  1. 1. Blessed 2 Have
  2. 2. SupaStar feat. Common
  3. 3. Closer
  4. 4. My Apology
  5. 5. Let Me In
  6. 6. Lay Down
  7. 7. Feelings
  8. 8. Sometimes U Make Me Smile
  9. 9. I'll Die
  10. 10. Imagination
  11. 11. I Want You

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