laut.de-Kritik
Ein unkonventionelles herausragendes Stück R'n'B.
Review von Lisa WörnerSind wir mal ehrlich: R'n'B ist seit Usher nicht immer was für schwache Nerven. Das kastrierte, überreizte Gejaule eines Ray J oder Chris Brown kann schon zehren, hat man nicht ein paar Glückspillchen zuviel erwischt oder befindet sich im Zustand der hormonellen Verblendung. Auch das Drake-Ding erfährt sicherlich ebenso viel Abneigung wie Respekt auf Gottes schnöder Erde. Frank Ocean liefert endlich die dringend benötigte Alternative.
"Nostalgia, Ultra" ist eine R'n'B-Perle im abgestandenen Wasser ihres Genres. Mit einer kristallklaren, beseelten Stimme vereint Ocean Tiefgang mit einer euphorisierenden Leichtigkeit. "I say boy don't judge cause hell if you were me / You'd be singin' to her like lah dah dah dah dah." Er entwirft seine ganz eigene Ocean-Welt rund um die klassischen R'n'B-Themen Liebe, Sex und Drogen: "Cocain for breakfast".
Das ganze Repertoir erweitert er dabei um Weltuntergangsszenarien in "Strawberry Swing": "The entire Earth is fighting, all the world is at its end / Just in case, an atom bomb, comes falling on my lawn / I should say and you should hear I've loved", erzählt von seinem Vater, der nie da war ("There Will Be Tears") oder seiner Liebe zu einer Zahnarztstudentin, die sich die Schule mit Pornos finanziert ("Novacane"). Ob er nun zudem über die amerikanische Schnelllebigkeit lamentiert ("It's just an American wedding / They don't mean too much / They don't last enough") oder seine Karre im Ozean versenkt ("I'm about to drive in the ocean / I'mma try to swim from something bigger than me") - "Nostalgia, Ultra" schafft eine surreale Ocean-Atmosphäre, die es vom restlichen R'n'B-Sulz deutlich abhebt.
Eine gute Portion Humor - "Used to park your car to try to bus with me / But I would say: girl don't be dumb / I'm riding shotgun", Selbstironie ("Love Crimes") und "Rawness" tun ihr Übriges dazu: "I've been meaning to fuck you in the garden / Breathing so hard, we both could use the oxygen… / And it's all good, and it's all free, and it's all you, and it's only me /
Playing in the dirt wrestling myself inside you".
Der Versuch, verschiedene Einflüsse aus Pop, Rock, Soul und Elektro zu kombinieren und das Ganze noch gesanglich als reinen R'n'B zu präsentieren, hätte sicherlich bei den meisten im Krampf geendet. "Nostalgia, Ultra" vereint alles mühelos zu einem großen stimmigen Ganzen. Heraus kommt ein experimenteller Mix sowie Remakes einiger ausgewählter Songs, darunter die Coldplay-Single "Strawberry Swing", MGMTs "Electric Feel" und "Hotel California" der Eagles, die Ocean textlich vollkommen neu interpretiert. Einen Klassiker wie "Hotel California" zu "American Wedding" umzufunktionieren, ist gewagt, aber Oceans Stimme schmiegt sich so unglaublich samtig an diese altbekannte Melodie, dass man ihm diese Hybris gern verzeiht.
Das alles präsentiert der 23-Jährige in einem Laid-Back Style, der dem Ganzen noch den letzten Charme verleiht. Auf dem Cover leuchtet orange Oceans Traumauto, ein 1980er BMW. Neben Snippets - u.a. von Radiohead ("Bitches Talkin'") und aus Stanley Kubrick's "Eyes Wide Shut" ("Love Crimes") - wird das Album zusammengehalten von kleinen Einlagen, in denen eine Kassette immer wieder vor- und zurückgespult wird, was das Oldschool-Flavour noch unterstreicht.
Ein unkonventionelles herausragendes Stück R'n'B. "I still believe in man."
4 Kommentare
Sehr gutes Ding!
ist das ein frauen album?
ähm, schonmal die Daten verglichen? Das Ding hier wurde am 19.03.2011 rezensiert.
ein meisterwerk.